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Mittelalter Ein toter Papst vor Gericht: Die Leichensynode und das Zeitalter der Finsternis

Der in seine Roben gekleidete Leichnam von Papst Formosus
Grausiges Spektakel: Im Winter des Jahres 897 wurde die Leiche des verstorbenen Papstes Formosus von seinem Nachfolger exhumiert, im Vatikan vor Gericht gestellt – und schließlich verurteilt
© Jean Paul Laurens
Im frühen Mittelalter schacherten skrupellose Adelsfamilien um den Stuhl Petri: 45 Päpste gelangten zwischen 880 und 1046 auf den Thron. Ein makabrer Höhepunkt dieses "Saeculum obscurum", dieses dunklen Zeitalters, ereignete sich im Winter des Jahres 897, als im Vatikan über eine Leiche geurteilt wurde

Voller Hass fährt der Ankläger den kreidebleichen Papst an, der in seinem Thronsessel zusammengesunken ist. "Warum hast du dir aus Ehrsucht den Apostolischen Stuhl angemaßt, obwohl du doch schon Bischof von Porto gewesen bist?" Der Bruch der "geistlichen Ehe", die jeden Bischof lebenslang an seine Diözese bindet, ist zu der Zeit ein Sakrileg – nur stadtrömische Diakone dürfen sich zum Papst wählen lassen. Und so scheint keiner der Kardinäle, Bischöfe und anderen geistlichen Würdenträger, die sich an diesem Spätwintertag des Jahres 897 in St. Peter zum Prozess gegen Papst Formosus versammelt haben, an dessen Schuld zu zweifeln.

Formosus seinerseits rechtfertigt sich während des langwierigen Verhörs mit keinem Wort, zuckt nicht einmal mit der Wimper. Er kann nicht. Er ist seit mehreren Monaten tot.

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