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Psychologie Zuversicht als Falle: Warum Optimisten häufig schlechte Entscheidungen treffen

Frau zuckt mit den Achseln
Wer versucht, nur das Positive im Leben wahrzunehmen, verdrängt allzu leicht Risiken, missachtet Gefahren – und steht nicht selten als Verliererin da
© Roman Samborskyi / Alamy Stock Photos / mauritius images
Optimismus allein garantiert noch kein erfüllendes Leben, denn eine bedingungslos positive Haltung hat auch Nachteile. Forschende kommen in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass oft klüger ist, wer sich einen skeptischen Blick auf die Probleme bewahrt – und Scheitern als Möglichkeit einkalkuliert

Grundsätzlich Gutes erwarten und mit viel Selbstvertrauen durchs Leben gehen – wer möchte das nicht? Tatkräftiger und mutiger als andere, stets angespornt von der Aussicht auf eine rosige Zukunft. Und mit dem guten Gefühl, dass Vorhaben gelingen werden, Hoffnungen eingelöst und Probleme überwunden. Nicht zufällig gelten optimistische Menschen vielen als Vorbild. Häufig erscheinen sie glücklicher als jene, die Zweifel und Sorgen plagen. Nur verständlich, dass positives Denken zum festen Mantra der Gegenwart geworden ist. 

Und tatsächlich: Es steckt viel Gutes im Streben nach dem Besseren. Wer sich herausfordert, hat die Chance, über sich hinauszuwachsen, Großes zu erreichen. Allerdings blenden viele Menschen aus, dass ein hoffnungsfrohes Gemüt nicht immer von Vorteil ist. Es kann sogar Schattenseiten haben, die geradezu gefährlich sind.

Optimisten überschätzen Gewinnaussichten

So neigen manche Menschen grundsätzlich dazu, die Realität zu positiv zu sehen und ihre Fähigkeiten zu überschätzen – Forschende sprechen von "Über-Optimisten". Solche Menschen, das haben US-Wirtschaftswissenschaftler schon vor einigen Jahren herausgefunden, gehen eher finanzielle Risiken ein, sie sparen weniger Geld, investieren mehr in unsichere Aktien, treffen leichtfertiger wichtige Lebensentscheidungen und verschulden sich oft. Zudem unterschätzen sie gesundheitliche Risiken: Sie rauchen häufiger und ignorieren die Gefahr, an Lungenkrebs zu erkranken. Sie trinken Alkohol, ohne sich zu sorgen, süchtig zu werden.

Dieser Effekt eines geradezu blinden Optimismus wird noch verstärkt, wenn ein Faktor hinzukommt: Stress. Denn vor allem bei außergewöhnlicher Belastung, in Augenblicken psychischen Drucks, kann der bedingungslose Zukunftsglaube einen immer weiter von der Realität entfernen. Die Folge: Es werden häufig vorschnell Entscheidungen getroffen und Gedanken an mögliche negative Konsequenzen unterdrückt. Die Aufmerksamkeit richtet sich eher auf den erwarteten Gewinn und weniger auf mögliche Verluste. 

Wer Sinn für Realität hat, ist klüger

Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass dieser Mangel an Realitätssinn – beispielsweise bei finanziellen Entscheidungen – eine Folge geringerer kognitiver Fähigkeiten sein könnte. Zu diesem Schluss kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Bath, in der Forschende die Daten einer britischen Erhebung aus den Jahren 2009 bis 2021 ausgewertet haben. Über mehrere Jahre hinweg wurden mehr als 36.000 Haushalte zu ihrer finanziellen Situation und ihren Zukunftserwartungen interviewt. Die Befragungen umfassten auch Tests zu Charaktereigenschaften und kognitiven Fähigkeiten wie Sprachgewandtheit, Zahlenverständnis, abstraktes Denken oder Gedächtnis.

Das Ergebnis: Diejenigen, die eher zu den Realisten und Pessimisten zählten, schnitten bei den Intelligenztests am besten ab. Offenbar half ihnen ihr größerer Scharfsinn auch, bessere Entscheidungen zu treffen, etwa bei Investitionen oder der Altersvorsorge. Jedenfalls konnten sie ihre monetären Erfolgsaussichten objektiver einschätzen als jene, die in die Kategorie der "Über-Optimisten" fielen. Bei ihnen galt das Gegenteil: Ihre kognitiven Fähigkeiten waren geringer, Zukunftserwartungen und Realität stimmten seltener überein.

Kritisches Denken lässt sich üben

Mit anderen Worten: Allzu optimistische Zeitgenossen scheinen nicht unbedingt die klügeren zu sein; Turbo-Zuversicht allein garantiert noch kein erfüllendes Dasein. Unsere Lebensrealität ist nun einmal hochkomplex, oftmals widersprüchlich und voller Herausforderungen. Sich bei der Bewältigung des Alltags allein auf seinen Wagemut zu verlassen, kann im Zweifel erst recht im Unglück enden. 

Um sich vor einer zu stark positiv verzerrten Weltsicht zu bewahren, sollte man sein Handeln, so empfehlen Psychologen, immer wieder auf die Probe stellen. Zum Beispiel durch folgende Fragen:

  • Wie ausgeprägt ist mein Optimismus – bin ich nur zuversichtlich oder schon unbeirrbar?
  • Worauf beruht meine Zuversicht – auf Fakten, Erfahrungen, einem Bauchgefühl oder auf dem Einfluss anderer Menschen?
  • Habe ich mögliche Gefahren bedacht, alle Risiken bewusst wahrgenommen?
  • Könnte ich einen Misserfolg verkraften?

Wer sich diesen Realitätssinn, diese Form der Besonnenheit bewahrt, ist zumindest vor den ärgsten Fallen des Turbo-Optimismus gefeit. Und geht im Zweifel entspannter durchs Leben.

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