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Psychologie Was ein Onlinedating-Profil unwiderstehlich macht

Frau schaut auf ihr Handy am Strand
Das Gefühl, wahrgenommen zu werden, ist für Menschen auf Partnersuche entscheidend
© Ana Baro García / Cavan Images / mauritius images
Selbstdarsteller aufgepasst: Es ist nicht entscheidend, sich selbst als besonders begehrenswert darzustellen – viel wichtiger ist es, Interesse an den potenziellen Partnerinnen und Partnern zu zeigen, die das Dating-Profil aufrufen

Onlinedating-Profile strotzen oft vor Auskünften, die die Partnersuchenden im besten Licht erscheinen lassen sollen: Dass man sich für Kultur interessiert, gerne auf Partys geht, aber auch ruhige Momente schätzt, zuverlässig ist, tolle Hobbys hat, Sport treibt, romantisch ist – und so weiter und so fort. 

Eines jedoch fehlt den Profilen oft: Informationen darüber, was man über den potenziellen Partner, die potenzielle Partnerin wissen möchte. Das jedoch könnte laut einer neuen Studie der Verhaltensforscherin Juliana Schroeder von der University of California in Berkeley entscheidend sein: "Menschen möchten wahrgenommen werden, deshalb suchen sie nach Partnern, die sie wahrnehmen." Aber genau dies, der Wunsch, von anderen wahrgenommen zu werden, führt dazu, dass oft nicht besonders ansprechende Profile entstehen, die vor allem Informationen über den Verfasser enthalten.

Der Schlüssel zur Beziehungszufriedenheit

Ein grundsätzliches Phänomen tritt laut Schroeder bei allen Arten zwischenmenschlicher Beziehungen auf, bei Freunden, Nachbarn, Familienmitgliedern und Arbeitskollegen. In allen Fällen waren die Menschen zufriedener, wenn sie vor allem das Gefühl hatten, wahrgenommen zu werden als wenn sie vor allem den Eindruck hatten, ihr Gegenüber gut zu kennen: "Frauen wie Männer sind besonders glücklich in Beziehungen, in denen sie das Gefühl haben, unterstützt zu werden – und dafür müssen sie zunächst einmal wahrgenommen werden."

Das aktuelle Forschungsprojekt zum Onlinedating starteten Juliana Schroeder und ihre Mitautorin Ayelet Fishbach von der University of Chicago, nachdem sie herausgefunden hatten, dass Patienten es schätzen, wenn ihre behandelnden Ärzte sich uneingeschränkt auf sie fokussieren, statt eigene Befindlichkeiten einzubringen. "Wir haben uns gefragt, ob es ein allgemeines Phänomen ist, dass es Menschen wichtiger ist, was andere über sie wissen, als was sie über andere wissen", sagt Fishbach.

Die Illusion asymmetrischer Einsicht

In einer ersten Reihe von Experimenten baten sie Probandinnen und Probanden zu bewerten, wie gut sie ein Familienmitglied, einen Partner oder einen Freund kennen. Und im Vergleich dazu, wie gut nach ihrer Meinung diese Personen wiederum die Probandinnen und Probanden kennen. Dann sollten die Testpersonen ihre Beziehungszufriedenheit auf einer Skala von eins bis sieben angeben. Interessanterweise dachten die Beteiligten regelmäßig, die andere Person besser zu kennen, als die andere Person sie kenne. Die Forscherinnen bezeichnen den Effekt als "Illusion asymmetrischer Einsicht". "Die Leute denken, sie seien einzigartig, besonders und sehr komplex, sodass andere ihr wahres Selbst nicht erkennen", sagt Juliana Schroeder, "während sie selbst glauben, die andere Person ganz gut zu kennen."

Die Beziehungszufriedenheit wurde grundsätzlich positiver eingeschätzt, wenn die Testpersonen das Gefühl hatten, dass Familienmitglieder, Partner oder Freunde sie gut kennen. Womöglich, so die Forscherinnen, legen sie besonderen Wert darauf, weil sie eher selten das Gefühl haben, dass jemand sie wirklich kennt. Hingegen spielte es keine große Rolle für die Beziehungszufriedenheit, inwieweit die Beteiligten selbst den Eindruck hatten, ihre Familienmitglieder, Partner oder Freunde gut zu kennen.

In einer weiteren Studie stellten die Forscherinnen den Teilnehmern zwei Szenarien vor: Auf einer Party treffen sie auf einen Bekannten, der entweder ihren Namen vergessen hat oder dessen Namen sie selbst vergessen haben. Das Ergebnis: Hatten die Probanden den Namen des Gegenübers vergessen, war das nicht gut für die Beziehung – aber hatte das Gegenüber den Namen des Probanden vergessen, war es viel schlimmer für die Beziehung.

Der Wunsch, selbst wahrgenommen zu werden

Daraufhin wollten die Forscherinnen wissen, inwiefern sich die Erkenntnisse  auf Onlinedating-Profile übertragen lassen. Dazu ließen sie Profile zweier bekannter Dating-Websites untersuchen. Und stellten fest, dass in 50 Prozent der Profile der Wunsch im Vordergrund stand, von anderen wahrgenommen zu werden. In nur etwa 20 Prozent der Profile wurde explizit der Wunsch geäußert, mehr über die potenziellen Leser zu erfahren.

Die Wissenschaftler baten nun mehrere Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer, eigene Profile zu erstellen: Entweder mit dem Schwerpunkt, selber wahrgenommen zu werden – oder die Leserinnen und Leser des Profils besser kennenzulernen. Schließlich ließen die Forscherinnen mehr als 250 Personen die Profile auf einer Skala von eins bis sieben danach bewerten, wie ansprechend ein Profil empfunden wurde und inwiefern ein Wunsch nach Kontakt entstand. 

Was beim Onlinedating wichtig ist

Das Ergebnis war eindeutig: Jene Profile wurden bevorzugt, deren Autoren Wert darauf legten, die Leserinnen und Leser kennenzulernen. Juliana Schroeders Empfehlung für die Partnersuche: "Das Profil sollte den Eindruck vermitteln, dass einem die potenziellen Partner wirklich am Herzen liegen, dass man sie kennenlernen möchte, ihnen zuhören und für sie da sein wird."

Nur bei einer Art von zwischenmenschlicher Beziehung war dieses grundlegende Phänomen nicht festzustellen: bei der zwischen Eltern und Kindern. In dem Fall ist es für die Beziehungszufriedenheit wichtiger, dass ein Elternteil das Kind gut kennt und wahrnimmt, als dass ein Kind das Elternteil wahrnimmt. Das ist insofern nachvollziehbar, als dass es bei dem Phänomen im Wesentlichen um Unterstützung geht. Und in der Eltern-Kind-Beziehung ist es eindeutig so, dass Eltern ihre Kinder unterstützen und nicht umgekehrt. 

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