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Lachen bis zur Bewusstlosigkeit Wenn die Partydroge Lachgas gefährlich wird

Junge Erwachsene konsumieren Lachgas auf einer Party
Als vermeintlich harmlose Wohlfühl-Droge atmen junge Menschen auf Festivals Lachgas ein
© Nick Cunard / eyevine / ddp images
Viele Jugendliche atmen Lachgas ein, um sich einen Kick zu verschaffen. Soziale Medien heizen den Trend an. Aber es gibt Risiken, vor allem wenn das Narkosemittel zusammen mit Cannabis oder anderen Drogen konsumiert wird

Die Wirkung beginnt innerhalb weniger Sekunden: Wenn Jugendliche Lachgas einatmen, fühlen sie sich für einige Minuten euphorisch und entspannt. Die Substanz baut Hemmungen ab, und es kommt zu dem typischen Kichern und Lachen. Manche nehmen dann das, was sie sehen und hören wie in einem Traum wahr oder haben das Gefühl, losgelöst von der jeweiligen Situation zu sein.

Lachgaskartuschen liegen auf einer Straße
Leere Lachgas-Kartuschen
© Fabio De Paola / Guardian / eyevine / ddp images

Diese Art von Rausch ist hierzulande völlig legal. Lachgas darf selbst an Minderjährige abgegeben werden. Erhältlich ist es in kleinen Kartuschen, die eigentlich dazu da sind, um Sprühsahne aus der Dose zu befördern. Im Internet oder Supermärkten lassen sich die als Sahnekapseln oder Sahnepatronen bezeichneten Kartuschen problemlos in größeren Mengen bekommen. In Berlin sind die Kartuschen auch in Shisha-Läden oder Spätis zu kaufen. Es gibt sie in verschiedenen Geschmacksrichtungen, etwa Erdbeere oder Kokos.

Es kann zu einer Vielzahl von Nebenwirkungen kommen

Der Gebrauch ist simpel: Man entleert eine Kartusche in einen Luftballon und atmet das Gas aus dem Ballon ein. Doch zu der Euphorie gesellen sich als Nebenwirkung oft Benommenheit und mitunter Halluzinationen. Auch Schwindel, Desorientiertheit, Kopfschmerzen und Kribbeln im ganzen Körper können auftreten, ebenso Übelkeit sowie Gleichgewichtsprobleme. Die Symptome verschwinden normalerweise, wenn wieder normale Luft eingeatmet wird. Wer das Gas direkt aus einer Kartusche einatmet, muss mit Erfrierungen an Mund oder Rachen rechnen, denn Lachgas kühlt sich beim Ausdehnen stark ab. Schlimmstenfalls kann es sogar zu Rissen im Lungengewebe kommen.

Schwere Nebenwirkungen lassen sich vermeiden, wenn beim Einatmen von Lachgas der Ballon regelmäßig abgesetzt wird und man dabei sitzt, sagt Andrea Piest vom Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e.V.. Zudem sollte man Ballons ohne Talkum verwenden, da das Mineral nicht zum Einatmen gedacht ist. Kommt es zu Taubheitsgefühlen in den Extremitäten, so Piest, sollte dringend ärztlicher Rat eingeholt werden – und dem medizinischen Personal nicht verschwiegen werden, dass man Lachgas eingeatmet hat.

Zahnärzte und Hebammen nutzen Lachgas medizinisch

Chemisch gesehen ist Lachgas ein Gemisch aus 50 Prozent Sauerstoff und 50 Prozent Distickstoffmonoxid. In der Medizin wird es bereits seit dem 19. Jahrhundert als leichtes Narkosemittel eingesetzt, erstmals 1844 von dem US-amerikanischen Zahnarzt Horace Wells, einem Pionier der modernen Narkose. Noch heute nutzen Zahnärzte Lachgas bisweilen bei Angstpatienten.

Eine Hebamme demonstriert die Nutzung von Lachgas zur Schmerzreduktion
Schon in den 1950er Jahren wurde Lachgas in britischen Krankenhäusern in der Geburtshilfe eingesetzt
© Grace Robertson / Picture Post / Getty Images

In der Geburtshilfe hat die Substanz in Deutschland eine gewisse Renaissance erfahren, als Alternative zur Periduralanästhesie (PDA). Denn anders als diese darf Lachgas auch von Hebammen verabreicht werden. Somit kann es auch bei Hausgeburten eingesetzt werden. Lachgas ist zwar nicht stark schmerzlindernd, aber die entspannende und euphorisierende Wirkung wird oftmals als angenehm empfunden. In Schweden wird Lachgas sogar bei der Mehrzahl aller Geburten verwendet. Und auch in Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland ist es nie aus den Kreißsälen verschwunden.

Neurologen berichten von bleibenden Schäden

Angefacht durch soziale Medien hat sich die nicht bestimmungsgemäße Nutzung durch Jugendliche stark verbreitet. Laut Umfragen in den Niederlanden, Dänemark und Deutschland hat bis zu jeder sechste junge Erwachsene bereits Lachgas verwendet. Mitunter kommt es dabei auch zu schweren Nebenwirkungen an Nerven und Rückenmark. "Seit Juli haben wir fünf junge Menschen stationär behandeln müssen, und zwei davon werden höchstwahrscheinlich bleibende Schäden davontragen", sagt Volker Limmroth, Chef- Neurologe im Klinikum Köln-Merheim. "Ich fürchte, das ist nur die Spitze des Eisberges."

Bereits vor einem Jahr hatte die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht EMCDDA vor der wachsenden Nutzung der Kartuschen als Partydroge gewarnt. Und in medizinischen Fachzeitschriften wird des Öfteren über Nebenwirkungen berichtet.

Ein Vitamin B12-Mangel kann durch Lachgas verstärkt werden

Manche Schäden treten erst Wochen oder Monate später auf. Denn Lachgas blockiert Stoffwechselprozesse, an denen das Vitamin B12 beteiligt ist. Insofern kann es zu Symptomen ähnlich denen bei einem Mangel an dem Vitamin kommen: Taubheitsgefühl in den Beinen oder Armen, Anämie und Thrombosen, Muskelschwäche, Unsicherheit beim Gehen, Probleme beim Wasserlassen und Stuhlgang sowie Impotenz. In seltenen Fällen können auch Halluzinationen und Wahnvorstellungen entstehen.

Ein erhöhtes Risiko haben Menschen, bei denen ohnehin ein Vitamin-B12-Mangel vorliegt, etwa Veganerinnen oder Vegetarier. Nervenschäden können in dem Fall durch eine Kernspintomografie erkannt werden. Betroffene erhalten dann eine Behandlung mit hochdosiertem Vitamin-B12 und ein Medikament zur Regeneration der Nervenschutzschicht.

Gefährlich ist auch die Kombination von Lachgas und Cannabis. Damit soll der Rausch verlängert und intensiviert werden. Das kann insbesondere bei hohen Dosen gefährlich werden, da beide Substanzen den Blutdruck senken und sich das Risiko für eine Bewusstlosigkeit erhöht. Auch sogenannte "Downer-Drogen" wie GHB (Liquid Ecstasy), Alkohol und Opiate verstärken sich gemeinsam mit Lachgas. Ohnmacht und Erbrechen können die Folge sein. Mischt man Lachgas mit Ketamin, steigt das Risiko von Nervenschäden.

Lachgas ist ein äußerst potentes Treibhausgas

Andere Länder sind bei Lachgas restriktiver als Deutschland: Die Niederlande haben den Besitz und Verkauf bis auf Ausnahmen verboten, auch in Dänemark gibt es strengere Vorgaben. In Großbritannien soll die Substanz als Droge bald verboten werden, es drohen dann sogar Haftstrafen.

Es gibt viele Gründe, den Lachgas-Konsum zu überdenken, egal ob als Partydroge oder auf der Geburtsstation. Dazu zählt auch die Sorge ums Klima: Als Treibhausgas ist Lachgas rund 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid. Australische Forscher haben berechnet, dass eine vierstündige Anwendung von Lachgas bei einer Geburt der Auswirkung einer Autofahrt von 1500 Kilometern entspricht.

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