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Schmerzen Für wen Akupunktur sinnvoll ist – und für wen nicht

Frau setzt eine Akkupunkturnadel zwischen die Augen einer liegenden jungen Frau
Den Stich spürt die Patientin kaum, die Wirkung mitunter schon: In einer Studie hatte ein Großteil der Behandelten weniger Schmerzen
© Mapo/Alamy/Alamy Stock Photos / mauritius images
Migräne, Rückenleiden, Schwangerschaftsbeschwerden: Viele Menschen setzen bei chronischen Schmerzen nicht zuletzt auf Akupunktur. Studienergebnisse zur Wirksamkeit des alternativen Heilverfahrens sind oft uneindeutig – doch vor allem ein Faktor scheint maßgeblich zu sein 

Wenn Menschen über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende auf eine bestimmte Behandlungsmethode setzen, dann sollte das entsprechende Verfahren einen spürbaren Nutzen haben – andernfalls wäre seine Popularität schwer nachvollziehbar. Im Falle der Akupunktur beschäftigen sich Expertinnen und Experten schon seit vielen Jahren mit der Frage, inwieweit das Verfahren der Traditionellen Chinesischen Medizin wirksam ist oder nicht. 
 
Gemäß der Akupunktur-Lehre verlaufen im menschlichen Körper Energiebahnen, durch die die Lebensenergie Qi fließt. Ist der Energiefluss blockiert, so die Theorie, können Schmerzen entstehen, zum Beispiel im Rücken. Um Blockaden zu lösen und Beschwerden zu lindern, sticht ein Akupunkteur Nadeln in bestimmte Punkte entlang der Meridiane. Wissenschaftlich lässt sich die Existenz solcher Energiebahnen bislang nicht nachweisen. Doch zahlreiche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Akupunktur tatsächlich helfen kann, chronische Schmerzen zu reduzieren, etwa bei Kniearthrose oder Rückenleiden. 

Akupunktur ähnlich wirksam wie Scheinakupunktur

So wurden bei einer großen Untersuchung in Deutschland rund 2200 Patienten mit chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder in den Kniegelenken in drei Gruppen eingeteilt. Die erste wurde mit traditioneller Akupunktur behandelt; bei den Patienten der zweiten führten die Therapeuten eine Scheinakupunktur durch, bei der sie die Nadeln weiter von den vermeintlichen Energiebahnen entfernt und nicht so tief wie üblich in die Haut setzten. Die Patienten der dritten Gruppe erhielten eine Standardbehandlung aus physikalischer Therapie und Schmerzmitteln.

Sechs Monate später hatten bei einem Zehntel der Menschen aus der dritten Gruppe die Beschwerden nachgelassen – dagegen ging es 35 Prozent der Akupunktur-Patienten besser; sie brauchten weniger Schmerzmittel und fühlten sich beweglicher. Allerdings: In der Gruppe mit Scheinakupunktur war das Ergebnis ähnlich positiv. Andere Studien kamen zu vergleichbaren Ergebnissen: Entweder wirkte Akupunktur bei chronischen Schmerzzuständen deutlich besser oder mindestens so gut wie eine konventionelle Behandlung. Und immer war die Scheinakupunktur ähnlich erfolgreich. 

Effekt beruht auf vielschichtigen Ursachen

Die Wirkung scheint demnach ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu sein. Zum einen könnte jedes Stechen mit Nadeln im Gehirn schmerzdämpfende Mechanismen anregen – darunter die Ausschüttung lindernder Botenstoffe wie Serotonin oder Endorphine. Nach neueren Vermutungen spielt womöglich auch die durch die Einstiche bedingte Stimulation des Bindegewebes (der Faszien) eine Rolle. Andererseits scheint das Verfahren bei vielen einen Placebo-Effekt auszulösen, mit der Folge, dass es den akupunktierten Patienten allein schon deshalb besser geht, weil sie an die Wirkung der Behandlung glauben. 


Dazu muss man wissen, dass wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit von Akupunktur generell fehleranfällig sind. Im Idealfall werden klinische Studien doppelblind durchgeführt. Das bedeutet: Weder Ärztin oder Arzt noch die Versuchsperson wissen, wer einen Wirkstoff und wer ein Scheinmedikament (Placebo) erhält. Bei der Akupunktur ist ein solches Vorgehen unmöglich – schließlich wissen zumindest die Behandelnden, wo und wie sie die Nadeln setzen. Unbewusst könnten sie so das Befinden der Studienteilnehmenden beeinflussen. Diese wiederum haben oft hohe Erwartungen an eine Behandlung – und neigen dann in Befragungen unter Umständen dazu, ihr Befinden positiver einzuschätzen, als es ist. Beide Effekte können die Ergebnisse verzerren.

Krankenkassen übernehmen teils Kosten für Akupunktur 

Insgesamt spricht vieles dafür, dass der Placebo-Effekt einen wichtigen Beitrag leistet. Mithin dürften vor allem Menschen profitieren, die generell offen für alternative Heilmethoden sind. Und die solche Therapeuten aufsuchen, die sich viel Zeit nehmen, die sich in ihre Klienten hineinfühlen können und individuelle Behandlungen für einen individuellen Schmerz anbieten. Denn erfahrene Akupunkteure wissen: Ein intensiver Dialog mit den Erkrankten trägt maßgeblich zur Linderung ihrer Schmerzen bei.
 
Die positive Wirkung der Nadelstiche hat auch die gesetzlichen Krankenkassen überzeugt: Bei chronischen unspezifischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder bei Kniegelenksarthrose übernehmen sie die Kosten für eine Behandlung (in der Regel zehn Sitzungen innerhalb von sechs Wochen) bei einem Arzt mit anerkannter Zusatzausbildung in Akupunktur. 
 
 

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