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Klimawandel Zwölf Rekord-Monate in Folge – und der Mensch erhitzt die Erde so schnell wie nie

Es wird heißer auf der Erde – und das immer schneller, wie zwei neue wissenschaftliche Berichte zum Klimawandel zeigen
Es wird heißer auf der Erde – und das immer schneller, wie zwei neue wissenschaftliche Berichte zum Klimawandel zeigen
© ASSOCIATED PRESS | Sean Kilpatrick / picture alliance
Ein Jahr lang gab es auf der ganzen Welt Temperaturrekorde. Und es wird noch heißer, immer schneller: Die Erde erwärmt sich, so zeigen es neue Studien, mit zunehmender Geschwindigkeit

Zwei wissenschaftliche Berichte zum Klimawandel zeigen eine unheilvolle Entwicklung: Erstens, so berichtet es der EU-Klimawandeldienst Copernicus, war der Mai 2024 der zwölfte Monat in Folge, in dem die globale Durchschnittstemperatur einen Rekordwert für den jeweiligen Monat erreichte. Zweitens, so steht es im "Indicators of Global Climate Change" (IGCC) nahm die menschengemachte Erderwärmung schneller zu denn je.

Allein im vergangenen Jahrzehnt (2014 bis 2023) stieg die Temperatur durch Aktivitäten des Menschen demnach um rund 0,26 Grad. Das sei ein Rekord bei der Aufzeichnung mit Messgeräten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreiche, berichtet die Gruppe um Piers Forster von der Universität Leeds im Journal "Earth System Science Data". Ein Jahrzehnt zuvor (2004 bis 2013) waren es nach Angaben der Universität rund 0,20 Grad Erwärmung.

Das Klimaphänomen El Niño erhitzte die Erde zusätzlich

Zu berücksichtigen ist bei den Rekordwerten, dass zuletzt Sondereffekte wie das erwärmend wirkende natürliche Klimaphänomen El Niño eine größere Rolle spielten. Im IGCC-Bericht heißt es, der Anstieg sei einerseits auf den hohen Treibhausgas-Ausstoß zurückzuführen, andererseits sei die Menge an kühlenden Aerosolen in der Atmosphäre gesunken. Beispielsweise war infolge einer neuen Verordnung für sauberere Schiffskraftstoffe der Gehalt an Sulfat-Aerosolen stark zurückgegangen. 

Auch wenn also, etwa durch das Nachlassen von El Niño, nicht stetig weiter neue Rekorde folgen werden: Der Trend des menschengemachten Klimawandels bleibt, solange weiter Treibhausgase erzeugt werden. Copernicus-Direktor Carlo Buontempo betonte: "Zwar wird diese Abfolge von Rekordmonaten irgendwann unterbrochen werden, doch die allgemeine Signatur des Klimawandels bleibt bestehen, und es ist keine Änderung dieses Trends in Sicht." 

Im Vergleich zum Zeitraum 1850 bis 1900, der vorindustriellen Referenzperiode, war der Mai den Copernicus-Daten zufolge 1,52 Grad wärmer. Die gemittelte globale Temperatur der vergangenen zwölf Monate, von Juni 2023 bis Mai 2024, erreichte ebenfalls einen Höchstwert: Sie lag 1,63 Grad über dem vorindustriellen Niveau.

UN-Generalsekretär António Guterres mahnte wie schon etliche Male zuvor schnelleres Handeln an: "Wir brechen die globalen Temperaturrekorde und ernten den Wirbelwind. Es ist die Zeit der Klimakrise. Jetzt ist es an der Zeit zu mobilisieren, zu handeln und zu liefern."

Der Anstieg der CO2-Emissionen hat sich verlangsamt 

Dem IGCC-Report zufolge darf der Mensch grob noch 200 Milliarden Tonnen CO2 produzieren, bevor eine dauerhaft globale Erwärmung auf 1,5 Grad erreicht wird. Das entspreche etwa den aktuellen Emissionen von fünf Jahren. Allerdings ist die Spanne der Schätzung hoch und reicht von 100 bis 450 Milliarden Tonnen. 

Kleiner Lichtblick: Es gebe Belege, "dass sich der Anstieg der CO2-Emissionen im vergangenen Jahrzehnt im Vergleich zu den 2000er-Jahren verlangsamt hat", schreibt das Autorenteam. Je nach gesellschaftlicher Entscheidung könnte das aktuelle Jahrzehnt eine Umkehr einiger Werte bringen.

Der Report IGCC wurde 2023 ins Leben gerufen. Die maßgebliche Quelle für wissenschaftliche Klima-Informationen sei zwar der Weltklimarat (IPCC), schreibt die Universität Leeds. Da dieser aber erst etwa 2027 wieder eine größere Bewertung herausgeben möchte, entstehe eine Lücke, die der Report füllen solle. Diesmal sei er von einem 57-köpfigen Forschungsteam aus 42 Institutionen in 15 Ländern erstellt worden.

Der Klimawandeldienst Copernicus der Europäischen Union veröffentlicht regelmäßig Daten zur Temperatur an der Erdoberfläche, zur Meereisdecke und zu Niederschlägen. Die Erkenntnisse beruhen auf computergenerierten Analysen, in die Milliarden Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt einfließen. Die genutzten Daten gehen zurück bis auf das Jahr 1950, teilweise sind auch frühere Daten verfügbar.

Die Nordsee ist so warm wie noch nie

Auch die Temperaturen der Nordsee verzeichneten im vergangenen Jahr Rekorde. Das ergaben Messungen der Biologischen Anstalt Helgoland des Alfred-Wegener-Instituts (Awi) in Bremerhaven. Demnach lag die mittlere Wassertemperatur im Jahr 2023 bei knapp 11,9 Grad. Dem Institut zufolge war das die höchste ermittelte Temperatur seit Beginn der Langzeitdatenreihe "Helgoland Reede" im Jahr 1962. Die hohen Temperaturen seien eine Folge des Klimawandels und könnten deutliche Folgen für das Ökosystem haben, hieß es. 

Auch im laufenden Jahr haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter hohe Temperaturen in der Nordsee festgestellt. Dem Alfred-Wegener-Institut zufolge gehören Januar, Februar, März und April 2024 im Mittel zu den jeweils zehn wärmsten Monaten seit 1962. "Der März 2024 war mit einer mittleren Wassertemperatur von 6,9 Grad Celsius sogar der wärmste März seit 1962", hieß es. 

Die Daten zeigen demnach einen Zusammenhang zwischen den monatlichen Temperaturen in der Deutschen Bucht und den Temperaturen auf dem deutschen Festland. "Die Nordsee erwärmt sich so schnell, weil sie ein Flachmeer ist, das von Landmassen umgeben ist, wie eine große Pfütze", sagte die Direktorin der Biologischen Anstalt Helgoland, Prof. Karen Wiltshire. "Deshalb sind die Temperatur-Trends für das Festland absolut konform mit denen für die Wassertemperatur." Dem Institut zufolge wirken sich marine Hitzewellen wahrscheinlich nicht nur auf die Oberflächengewässer, sondern auch auf die Lebensräume am Meeresboden aus. 

dpa

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