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Langschwanzmakaken Tierversuche: Forschende laufen Sturm gegen Schutz von Affen

Beliebt bei Touristen, gefragt in der Forschung: ein Langschwanzmakake im "Monkey Forest" in Bali
Beliebt bei Touristen, gefragt in der Forschung: ein Langschwanzmakake im "Monkey Forest" in Bali
© Igor Mojzes / Alamy / Alamy Stock Photos / mauritius images
Die Weltnaturschutzunion stuft Langschwanzmakaken als "stark gefährdete" Art ein. Ein US-Verband für biomedizinische Forschung stemmt sich dagegen: Er befürchtet, dass der Nachschub für Tierversuche knapp wird

Noch dürfte es einige Millionen Langschwanzmakaken in Südostasien geben, aber die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN, früher Weltnaturschutzunion) fürchtet langfristig um ihr Überleben: Die Nichtregierungsorganisation hat die Affen auf der Skala der bedrohten Arten, ihrer Roten Liste 2022, von "gefährdet" auf "stark gefährdet" hochgestuft. Doch der US-Verband für biomedizinische Forschung (NABR) hat dagegen Beschwerde eingelegt. Er fürchtet, dass der Nachschub an Langschwanzmakaken (Macaca fascicularis) für Laborversuche knapper wird.

Nun bedeutet eine IUCN-Einstufung nicht automatisch, dass Regierungen den Handel beschränken. Viele orientieren sich aber an der Roten Liste, wenn sie Ex- und Importlizenzen vergeben. "Es ist für die Forschung zunehmend schwierig, Versuchsaffen zu bekommen", sagt Roman Stilling von der Initiative Tierversuche. Die Leidtragenden seien Patientinnen und Patienten, sagt wiederum Matthew Bailey, NABR-Präsident. Mehr als die Hälfte der rund 15.000 Medikamente, an denen derzeit zur Behandlung etwa von Krebs, Corona-Infektionen und anderen Krankheiten geforscht werde, könne ohne die Forschung mit Langschwanzmakaken nicht auf den Markt kommen.

Bailey spricht von NHPs statt von Affen: "nonhuman primates" oder "nichtmenschlichen Primaten". Sie werden für die Forschung benutzt, weil ihre Hirnstruktur, Anatomie und Organe denen der Menschen ähnlich sind und sie auch zu mehr als 90 Prozent dieselbe DNA haben. "In manchen Bereichen der Medizinforschung gibt keine Alternativen zu nichtmenschlichen Primaten", sagt er. "Der Mangel an NHPs hat eine Krise im biomedizinischen Sektor heraufbeschworen, die Millionen von Patienten, die Medikamente brauchen, berühren könnte."

Die Zahl der Langschwanzmakaken ist um 40 Prozent gesunken

An der ethischen Debatte über Tierversuche beteiligt sich die IUCN nicht. Sie sei völlig neutral, betont Craig Hilton-Taylor, Leiter der IUCN-Abteilung Rote Liste. "Die IUCN glaubt an die nachhaltige Nutzung von Arten. Wir verurteilen den Einsatz von Versuchstieren nicht." Einzig die Lage der Tiere in der Wildnis werde beurteilt. Wenn ihre Zahl deutlich sinke, schlage die IUCN Alarm.

Fachleute hätten die Entwicklung über die vergangenen drei Generationen, also 30 Jahre, betrachtet, sagt Hilton-Taylor. Die Population sei von rund fünf Millionen 1980 bis 2006 um 40 Prozent gesunken. Der Schwund dürfte sich seitdem fortgesetzt haben. Den Makaken setze zu, dass ihr Lebensraum ständig schrumpfe, etwa durch Waldrodungen für Städtebau und Plantagen. Die IUCN erwähnt auch den wachsenden Bedarf der Forschung an Versuchstieren. Die IUCN-Fachleute rechnen mit einem Rückgang der Makaken-Population um mehr als 50 Prozent in den nächsten 30 Jahren.

Langschwanzmakaken, auch Javaneraffen genannt, sind in weiten Teilen Südostasiens verbreitet, von Thailand und Kambodscha über Myanmar und Malaysia bis nach Indonesien, sowie auch auf Mauritius vor der Ostküste Afrikas. Sie sind grau oder graubraun, die Männchen haben einen bis zu 70 Zentimeter langen Schwanz. Sie fressen fast alles, fallen auch über Felder und Plantagen her und machen Farmern mit ihrem großen Appetit und ihrer Aggressivität zu schaffen. Weil sie als Eindringliche abgeschossen oder zum Verzehr gejagt werden, sind sie Gebietsweise bereits ausgerottet.

In hinduistischen und buddhistischen Tempeln werden die Makaken hingegen mancherorts als heilig verehrt - in der Provinz Surat Thani im Süden Thailands wurde zu ihren Ehren gar ein "Monkey Temple" ("Wat Sok Tham Phanthurat") errichtet, samt riesiger Statue.

Eine im Fachmagazin Primate Conservation erschienene Studie schätzt, dass von 2008 bis 2019 mindestens 450.000 lebende Makaken sowie mindestens 700.000 Proben der Affen (wie Blut, Körperteile oder Haare) für Forschungszwecke gehandelt wurden. Mindestens 50.000 sollen nicht aus Zuchtprogrammen, sondern aus der Wildnis gestammt haben. "Langschwanzmakaken leiden seit den 1960er Jahren unter dem intensiven Fang für biomedizinische Forschungszwecke", schrieb das Team um Malene Friis Hansen von der Universität Kopenhagen in der Studie.

Forschungsinstitute in den USA benötigen nach Recherchen der Fachzeitschrift Science rund 70.000 Affen im Jahr, in der EU sind es 5000 und in Großbritannien 2000. Zwar werden Laboraffen auch gezüchtet, in Deutschland etwa vom Primatenzentrum in Göttingen. Aber das reicht bei Weitem nicht, und die Kolonien auszubauen braucht Zeit. Deshalb müsse hinzugekauft werden. In der EU ist das wegen neuer Bestimmungen besonders schwierig, wie Roman Schilling erklärt: "In der EU haben wir zusätzlich das Problem, dass laut Richtlinie seit November 2022 nur noch F2-Tiere, also die Enkelgeneration von aus der Wildnis entnommenen Tieren, bei Versuchen eingesetzt werden dürfen. Züchter in Asien und Afrika tun sich den Mehraufwand kaum an, wenn sie ihre Tiere anderweitig verkaufen können."

Exporteure geben gefangene Makaken als gezüchtete Tiere aus

Die US-Wissenschaftsakademie warnte jüngst, dass der Mangel an Versuchsaffen einen kritischen Punkt erreicht habe. Studien müssten mangels Versuchstieren teils gestoppt werden. Ein US-Wissenschaftler sagte der Zeitschrift Science, China versuche, die Forschung mit Affen an sich zu ziehen. Das Land, das vor allem die USA beliefert hatte, stoppte den Affenexport zu Beginn der Corona-Pandemie und kauft Tiere nun selbst im großen Stil in Südostasien auf. Kambodscha sprang in die Bresche und lieferte nach Angaben von Science allein 2020 rund 29 000 Langschwanzmakaken, überwiegend in die USA. Dann kam es aber Ende 2022 zum Skandal, der das Geschäft mit Kambodscha unterbrach: Exporteure hatten in der Wildnis gefangene Makaken als gezüchtete Tiere ausgegeben.

Ein klärendes Gespräch zwischen den IUCN-Fachleuten und der NABR hat kein Ergebnis gebracht. Der Protest der NABR soll daher demnächst von einem IUCN-Petitionsausschuss gehört werden. Der Prozess dürfte mindestens neun Monate dauern, sagte Hilton-Taylor. In den vergangenen 25 Jahren habe es rund 20 Petitionen gegeben. Manche gingen zugunsten der Beschwerdeführer aus.

In einem Punkt wird der IUCN-Eintrag zu den Langschwanzmakaken auf jeden Fall geändert: "Die Fachleute haben eine gefühlsbetonte Sprache benutzt. Das hätte nicht passieren dürfen", sagte Hilton-Taylor. So schrieben sie unter anderem, die Forschungsindustrie müsse "für die Auswirkungen ihres Handelns auf wildlebende nichtmenschliche Primatenpopulationen zur Rechenschaft gezogen werden".

Christiane Oelrich und Carola Frentzen dpa

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