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Jordanien Auf dem Jordan Trail durch die wunderschöne Hintertür von Petra

Jordanien
Der Jordan Trail zieht sich einmal komplett durch das Land und führt die Wanderer in Teile Jordaniens, die sich nur zu Fuß erschließen lassen, wie hier zwischen Little Petra und Petra
© Mason Trinca
Die Ruinenstadt Petra gilt als die wichtigste Sehenswürdigkeit in Jordanien. Auch der seit 2015 bestehende Wanderweg Jordan Trail führt mitten hinein - allerdings durch die Hintertür, wo statt Touristentrubel Ruhe herrscht. Wir waren unterwegs von Dana nach Petra

Die Sonne knallt. Der Horizont flirrt. Nach jedem Wimpernschlag erscheinen in der Ferne kurz Silhouetten karstiger Dünen, bevor sie wieder mit der unwirtlichen Landschaft zu meinen Füßen verschwimmen. Mächtige Hügel aus angehäuftem Geröll erheben sich rechts und links von mir. Widerspenstige Büsche bevölkern wie Abertausende Stachelschweine die Oberfläche der mehrfarbigen Gesteinsschichten. In der Mitte verläuft eine schmale grüne Schneise. Phönizischer Wacholder, Steineichen und Akazien recken ihre Krone der unerbittlichen Sonne entgegen. Trotz der Vegetation erscheint das Dana Tal im tiefsten Westen Jordaniens unwirtlich, nicht wie ein Ort, an dem man eine mehrtägige Wanderung starten möchte.

Doch genau deswegen bin ich hier. Ein hell-sandiger Pfad führt in steilen Kurven in den Schlund des Tals hinab, das gleich vier biogeographische Zonen beherbergt. Der Pfad ist Teil des Jordan Trails, der sich über 650 Kilometer von Nord nach Süd einmal quer durch das Land zieht und seit 2015 offiziell ausgewiesen ist. Weniger als drei Dutzend Menschen haben ihn bisher komplett absolviert. Der wohl beliebteste Abschnitt des Trails ist Nummer sechs, er führt Wanderer über 73 Kilometer von Dana bis in die berühmte Ruinenstätte Petra.

Wir haben allerdings nicht ganz so viel Zeit im Gepäck und werden nur den ersten und den letzten Teil machen, die, so sagt unser Guide Ahlam Serhan, nicht unterschiedlicher sein könnten. Die aufgeschlossene 29-Jährige, deren widerspenstiges Haar unter einer Kappe hervorquillt, ist eine der wenigen weiblichen Trekking-Guides im Land. Sie vermutet, es sind insgesamt weniger als zehn. Nach dem Studium der Architektur fand sie die Natur ihres Landes spannender als den Bürotisch und machte sich daran, Routen und Touren auszuarbeiten, auf denen sie Reisende inzwischen durch ihre Heimat führt. In einigen Regionen begleiten Ahlam lokale Guides. Sie kennen ihre Umgebung am besten und bringen einen weiteren kulturellen Hintergrund mit. In unserem Fall ist das Ali Alhasasen. Der junge Beduine mit dem ansteckenden Humor nennt das Dana-Tal sein Zuhause. Und das bekommen wir gleich auf den ersten Metern zu spüren.

Während er gekonnt über das Geröll spaziert, geraten wir hier und da ins Schlingern. An der Kante eines steinernen Plateaus kommen wir zum Stehen. "Dort hinten wohne ich während der Sommermonate", sagt Ali und richtet seinen Finger auf eine grünlich schimmernde Biegung, weit hinten im Tal. Wie man sich sein Zuhause genau vorstellen darf, zeigt er auf seinem Smartphone. Die großen schwarze Zelte mit weißen Musterungen heben sich deutlich von dem hellen Wüstensand ab. Ziegen stehen auf Felsen und Schafe kauen an Baumknospen. Zwei Mal im Jahr wechselt Ali mit seiner Familie den Standort der Beduinenzelte, die seine Mutter eigenhändig aus Ziegenhaar gewebt hat. Der Spagat zwischen Moderne und traditioneller Lebensweise scheint dem 32-Jährigen ähnlich leicht zu fallen wie das Wandern auf unebenem Terrain. Während unsere Füße staubige Wolken auf dem Weg hinterlassen, erzählen Ali und Ahlam von ihrem Land, der friedlichen Insel inmitten von Krisenherden. Ihre Geschichten lassen uns vergessen, dass wir gerade in einer der trockensten Regionen der Welt zu einer mehrtägigen Wanderung aufgebrochen sind.

Schlucht bei Little Petra, Jordanien
Kurz bevor es durch einen schmalen Felsschlund nach Klein-Petra geht, blicken wir auf die bereits bewältigte Strecke zurück
© Mason Trinca

Ankunft in Siq el-Barid, dem Karawanenrastplatz von Petra

Per Jeep kürzen wir ab. Die Landschaft verändert sich schlagartig. Helle Sandsteinformationen bauen sich vor uns auf. Einige gleichen steinernen Fabelwesen. Der Jordan Trail verengt sich zu einem schmalen Pfad, der sich durch engen Felsspalten hindurchzwängt und in einem ausgetrockneten Flussbett mündet. Dass hier nur ein halbes Jahr vorher ein reißender Fluss das Regenwasser abtransportiert hat, ist bei den jetzigen 37 Grad im Schatten nur schwer vorstellbar.

Die steilen, in den Felsen gehauenen Treppen hätte ich fast übersehen, wenn Ahlams signalrote Kappe mir nicht den Weg gewiesen hätte. Als ich die letzte Stufe erreiche und mich umdrehe, bin ich überwältigt von dem Panorama. Die skurrilen Steinformationen recken sich dem tiefblauen Himmel entgegen, Abertausende pinke Oleander-Blüten markieren eine sture Lebensader in der staubigen Landschaft. Unser Weg führt uns weiter, erst durch das Wohnzimmer eines Souvenirverkäufers und dann hinein in den kühlenden Schlund zwischen zwei glattgeschliffenen Felsflanken. Wie von einer riesigen Axt entzweit, ragen sie auseinander und lassen gerade so viel Platz, dass wir hindurchwandern können. Nach wenigen Hundert Metern weitet sich der Spalt und entlässt uns nach Siq el-Barid, wo sich hinter bauschigen Büschen die ersten Überbleibsel der Nabatäer ducken. Höhlen, fein gearbeitete Fassaden, Kanäle und Zisternen beherbergt Little Petra, wie Siq el-Barid übersetzt zu verstehen ist.

"Wir stehen hier inmitten einer der bedeutendsten Karawanenrastplätze der Nabatäer auf der Handelsroute zwischen dem Mittelmeer und dem Rotem Meer", erklärt Ahlam. "Die Schlucht, durch die wir gerade gekommen sind, ließ sich mit einer schweren Tür verschließen, und das machte den größten Warenumschlagsplatz von Petra sehr sicher." Die junge Jordanierin ist kein Freund der trockenen Fakten. Stattdessen führt sie uns in die Höhlungen, in denen zu Zeiten der Nabatäer die Händler rasteten, lässt uns die in den Stein geschlagenen Wasserleitungen suchen und erweckt Klein-Petra mit ihren Erzählungen wieder zum Leben.

Jordanien
Ahlam Serhan ist eine der wenigen weiblichen Trekking-Guides in Jordanien und liebt neben dem Wandern auch Acroyoga
© Mason Trinca

Eine außergewöhnliche Frau in einem vielseitigen Land

Obwohl Ahlam erst seit wenigen Jahren im Tourismus arbeitet, scheint sie keine noch so detaillierte Frage aus dem Konzept zu bringen. Mit viel Energie und einem Lächeln begegnet sie jeder Herausforderung unterwegs. Dass sie sich, in einem Land, in dem Frauen selten die Hauptrolle spielen, ihren Platz als Trekking-Guide hart erarbeiten musste, lässt sie sich nicht anmerken. Doch wer genau hinsieht, erkennt, dass jeder anerkennende Handschlag ihrer männlichen Kollegen das Lächeln auf ihren Lippen zu einem Grinsen werden lässt. Als wir Siq el-Barid verlassen und uns auf den Weg zu unserem Camp irgendwo im nirgendwo machen, spreche ich sie auf ihre ungewöhnliche Rolle an. Nach dem frühen Tod des strengen Vaters ließ die Mutter ihren jüngsten Spross gewähren. Ahlam entwickelt sich zu einer gläubigen Muslima, die kein Kopftuch trägt und nur dann betet, wenn sie das Bedürfnis danach verspürt, die sich verliebt, in wen sie möchte und ihr eigenes Geld verdient. Ein Lebenslauf, mit dem man in Jordanien durchaus noch anecken kann. Doch sie winkt ab: "Inzwischen fragt mich niemand mehr, warum ich nicht verheiratet bin. Ich glaube, sie haben aufgegeben, und ich kann in Ruhe meinen Traum leben", sagt sie lachend.

Ihr Traum, das ist das, was wir gerade machen: Draußen sein. Ahlam ist überzeugt davon, dass all jene, die auf dem Jordan Trail unterwegs sind, ihr Heimatland auf die vielschichtigste Weise kennenlernen. "Ich mag die Interaktion, die unterwegs stattfindet und dass am Ende alle davon profitieren." Wie gerufen, biegen neugierige Ziegen um die Ecke eines Beduinenzeltes, die sich entlang des Weges in der Steppe verteilen, junge Reiter preschen auf Maultieren an uns vorbei und Geländewagen ziehen staubige Fahnen in die abendliche Kulisse – Feierabend in der Wüste. "Siehst du, was ich meine?", fragt Ahlam etwas triumphierend. "Solche authentischen Einblicke in das lokale Leben erhalten eben nur jene, die zu Fuß unterwegs sind." Sie hat einen Punkt, es sind am Ende diese alltäglichen und für mich doch so fremden Szenen sein, die meine Erinnerung an Jordanien prägen werden.

Während ihre Touren bis vor Kurzem nur sehr findigen Individualtouristen vorbehalten waren, bietet Ahlam ihre Wandertouren neuerdings auch über die frisch gestartete Airbnb-Sparte Adventures an – die mehrtägige Variante der sogenannten Entdeckungen. Damit ist sie eine von rund 200 einheimischen Experten, die ihren Gästen eine komplette Erlebnisreise samt Übernachtung und Verpflegung anbieten. Ob sie es angesichts des weltweit zunehmenden Massentourismus nicht kritisch sieht, ihre noch recht menschenleere Spielwiese nun einem großen Publikum zugänglich zu machen, möchte ich von ihr wissen. "Nein, allein die Temperaturen und die zu bewältigende Strecke sorgen für eine natürliche Auslese. Für mich überwiegen die positiven Aspekte." Und die sprechen für sich: Rund 60 Dörfer liegen entlang des gesamten Weges und profitieren durch Übernachtungen, aber auch durch schlichte interkulturelle Interaktion, die in so ländlichen Gebieten sonst nicht stattfinden würde. Junge Menschen werden durch die Touren auf einen wachsenden Wirtschaftszweig in ihrem Land aufmerksam und finden so eine Perspektive jenseits der zähen Landwirtschaft. "Immer mehr lassen sich zu zertifizierten Guides ausbilden, auch ein paar junge Frauen sind dabei", erzählt mir Ahlam, als unser Camp in Sichtweite rückt. Elf Zelte ducken sich unter mächtige Felsen, die im aufgehenden Vollmond rötlich schimmern.

Jordanien
Der Jordan Trail führt durch Landschaften, die den Menschen im Gegensatz zu der Natur sehr klein erscheinen lassen
© Mason Trinca

Durch die karge Wildnis zur Hintertür von Petra

Und plötzlich sind wir raus aus der Zivilisation, lediglich die jungen Reiter sind in der Ferne noch zu hören. Kein Empfang, kein fließendes Wasser – dafür erzählen wir uns über einer Tasse Chai die Erlebnisse des Tages, genießen selbstgemachte jordanische Küche und erhalten von Ali eine Einführung in die Sternenkunde.

Unsere Nacht in der Wüste ist kurz nach Sonnenaufgang vorbei. Rund 15 Kilometer werden wir heute zurücklegen und mindestens die Hälfte davon möchten wir in den kühleren Morgenstunden schaffen. Das Landschaftsbild verändert sich ein weiteres Mal und scheint nun nicht mehr von dieser Welt. Aus der Steppe erheben sich immer mehr schroffe Felsen und vereinnahmen sie schlussendlich ganz. Der Jordan Trail zieht sich am Abgrund eines tiefen Canyons entlang. Die ausgewaschenen Sandsteinflanken schimmern in eine Melange zwischen hellbeige, braun und rot. Jede Schicht ist so klar und deutlich zu erkennen, als würden sie einem akribischen Muster folgen. Der Mensch spielt in dieser natürlichen Opulenz für lange Zeit nur die Rolle des staunenden Zwerges. Erst das Aufblitzen einer hellen Kuppel beweist die jahrtausendelange menschlicher Zivilisation auf diesem so fern erscheinenden Planeten. Es ist die angebliche Begräbnisstätte von Aaron, dem Bruder von Moses, auf der höchsten zu Petra zählenden Erhebung Jabal Harun.

Ich bin noch nicht darauf vorbereitet, als hinter einer unscheinbaren Biegung sich eins der ersten nabatäischen Gebäude aus dem rötlichen Gestein schält. Majestätisch und zerbrechlich zugleich, wie eine überdimensionale Sandburg steht das sogenannte Kloster (Ad Deir) im Schutze des Felsens, aus dem es geformt wurde. Der sandige Vorplatz liegt in seinem mächtigen Schatten. Wir haben die Hintertür von Petra erreicht. Inschriften legen nahe, dass das Gotteshaus aus dem 1. Jahrhundert vor Christus der Familie des Königs Obodas I. vorbehalten war. Nur wenige Touristen erschließen sich diesen etwas abgelegenen Teil des 20 Quadratkilometer großen Areals von Petra so früh am Morgen. Und so genießen wir andächtig den freien Blick auf den schlichten, aber monumentalen Bau mit seinen Säulen und Türmen.

Jordanien
Das Kloster Ad Deir formt die wunderschöne Hintertür von Petra und ist das größte Gebäude auf dem gesamten Gelände der Ruinenstädte
© Mason Trinca

Yalla! Der Weg zurück in die Zivilisation

Die Sonne drängt, und Ahlam ruft zum Weiterziehen: "Yalla!" Unebene Stufen, rund 800 an der Zahl, führen uns hinab in das einstige Zentrum von Petra. Unerbittlich steht die Sonne inzwischen hoch am Himmel. Jene, die den Aufstieg zum Kloster zwar gewagt, aber noch nicht geschafft haben, liegen rastend im spärlichen Schatten oder überlassen abgezehrten Eseln das Laufen.

Ich hatte die Größe der zum UNESCO-Welterbe zählenden Ruinenstadt unterschätzt. Wir wandeln auf der Cardo Maximus, der einstigen Hauptstraße Petras, vorbei an den halbmondförmigen Überresten des römischen Theaters, den monumentalen Gräbern, bewundern die filigranen Zeichnungen im Gestein und rasten in einer ehemaligen Wohnhöhle. Zu ihrer Blütezeit in der Antike zählte die Hauptstadt der Nabatäer zwischen 30.000 und 40.000 Einwohner – jetzt, mitten im Fastenmonat Ramadan, geht es bedeutend beschaulicher zu. Und dennoch: Je näher wir der berühmtesten Fassade Petras kommen, dem Mausoleum Khazne al-Firaun, desto voller und moderner wird es. Ähnlich unvermittelt wie am Morgen das Kloster Ad Deir, kommt auch das im hellenistischen Stil gehaltene Gebäude in Sicht. Auf dem Vorplatz herrscht Trubel. Gestresste Pferde bringen im Galopp lauffaule Touristen herbei, Halbwüchsige in zerrissenen Hosen verkaufen vergilbte Postkarten, und Touristen stehen sich gegenseitig im Bild. Zwar ist der Bau nicht minder beeindruckend als der Rest von Petra, und doch scheinen wir uns alle etwas mehr in das abseits gelegene Kloster Ad Deir verliebt zu haben, wo wir uns kurzweilig wie Entdecker fühlten. Mit der Ankunft am eigentlichen Eingang zu Petra erreichen wir wieder jene touristische Welt, auf deren unberührten Nebenpfaden wir uns für kurze Zeit bewegen durften.

Ahlam bietet über Airbnb eine siebentägige Aktiveise an. Fünf Tage unterwegs auf dem Jordan Trail zwischen Dana und Petra sowie zwei weitere, in Wadi Rum und am Toten Meer.

Disclaimer: Die Teilnahme an dieser Wanderung wurde uns durch Airbnb ermöglicht.

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