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Biikebrennen So feurig verabschiedet Nordfriesland den Winter

Biikefeuer auf Föhr
Heiße Sache für die kalte Jahreszeit: traditionelles Biikebrennen auf Föhr
© Foehr Tourismus GmbH/ Foto: Hans-Jürgen Thiede
Die Nordfriesen mögen’s heiß. Beim traditionellen Biikebrennen auf der Nordseeinsel zünden sie Scheiterhaufen an und feiern das Ende des Winters. Wir waren auf Föhr dabei

Öl ins Feuer zu gießen gehört eigentlich nicht zum Job von Brandbekämpfern. Es sei denn, es ist der 21. Februar und es regnet. An diesem Tag feiern Nordfriesen alljährlich Biike. Diesmal bei Schietwetter. Auf einer matschigen Wiese in Wyk auf Föhr türmen sich Weihnachtsbäume, Geäst und Buschwerk zu einem haushohen Berg auf.

Eine Prozession in wetterfestem Ölzeug schleppt den Piader, eine mannsgroße Strohpuppe, heran. Als Symbol für den Winter wird sie hoch auf den Scheiterhaufen gehievt. Kurz vor 19 Uhr ertönt der friesische Schlachtruf: "Tjen di Biiki ön!" Fackeln fliegen in den Stapel, von der Feuerwehr vorausschauend mit trockenem Stroh und Diesel präpariert. Regen ohne Unterlass, der Brandmeister kippt noch einmal Brandbeschleuniger nach.

Endlich lecken Feuerzungen empor, es knistert und qualmt, die Zuschauer applaudieren und die komplette Feuerwehr-Crew tritt zum Löscheinsatz hinter Getränketheken an, verkauft Bier, Punsch und Manhattan, das Nationalgetränk der Föhrer, ein Mix aus Whisky und Wermut, den Auswanderer aus New York mitbrachten.

Nationalfeiertag der Nordfriesen

Nord- und Nichtfriesen stehen ergriffen beisammen, wenn sich das Feuer nach oben frisst, ein roter Flammenschein den grauen Himmel über der Nordsee-Insel erhellt und ein Mythos heraufbeschworen wird: Biike bedeutet auf Friesisch Feuerzeichen, steht für den Abschied vom Winter, für tief verwurzelte Traditionen und Heimatliebe.

Das Biike-Fest am Vorabend des kirchlichen Petri-Tages sei für die Friesen "fester Bestandteil ihrer Identität", sagt Heimatforscher Hans Otto Meier. Wobei er einräumt, dass sich um den Nationalfeiertag der Nordfriesen ganz unterschiedliche Legenden und Geschichten ranken. Das macht das sagenumwobene Biikebrennen auch für Touristen attraktiv, seit 2014 steht es sogar im nationalen Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes, das durch eine UNESCO-Konvention erhalten werden soll.

Föhr
Strandschönheit: Fast golden glitzert das Watt beim winterlichen Sonnenuntergang an Föhrs Küste
© mauritius images / Travel Collection / Spörl

Nachforschungen im Föhrer Friesen-Museum

Wo liegen denn nun die Wurzeln dieses Feuerrituals, das im vergangenen Jahr mit 66 Biiken auf den nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr, Amrum und Pellworm, auf den Halligen und dem angrenzenden Festland vollzogen wurde? Ist es heidnischen Ursprungs? Rührt es von alten Fastnachtsbräuchen her? Oder war es ein Abschiedsfeuer für die Walfänger, die ab dem 17. Jahrhundert stets Ende Februar zur großen Fahrt aufbrachen?

Antwort erhoffe ich mir im Friesen-Museum, wo die Leiterin Jutta Kollbaum-Weber bedächtig mit dem Kopf schüttelt: "Fest steht, dass es eine Jahrhunderte alte Tradition ist. Mit den Feuern sollten wohl früher böse Geister verbannt und die neue Saat geschützt werden. Da sich die Walfänger immer um den 22. Februar versammelten und ihre Abfahrt besprachen, machte daraus der Sylter Lehrer Christian Peter Hansen die Legende, Biike sei ein Abschiedsfeuer für die Seeleute."

Bleibt ein Hauch von Geheimnis, der Besuch des Museums lohnt sich auch so: Nirgendwo anders kann man so intensiv in die Geschichte der Nordfriesen, ihre Seefahrts- und Walfang-Abenteuer, ihre Trachten und Traditionen eintauchen (Wyk, Rebbelstieg 34, www.friesen-museum.de).

Feiern auf Föhrer Art

Mit jedem Punsch steigt an der Wyker Biike die Stimmung, nur der Piader, der bereits schwarz angekokelte Peter, sackt im Flammenmeer in sich zusammen. In diesem Moment erlebe ich, was Biike heute bedeutet: Die Föhrer feiern den Abschied von einer unfreundlichen Jahreszeit, in der die Bäume kahl und vom Wind gebeugt sind, die meisten Restaurants und Cafés geschlossen haben, weil durchziehende Graugänse oft die einzigen Gäste sind.

Biike ist das Wecksignal für die neue Saison.Vom 1. März an putzt sich Föhr wieder heraus, Strandkörbe werden aus dem Lager geholt und Spuren der Winterstürme auf der Promenade weggefegt. Aufbruchstimmung, auch an der Biike-Glut, manche schwärzen sich fröhlich mit Asche die Nase. Das traditionelle Grünkohl-Essen wartet als Höhepunkt des Abends.

Alt Wyk
Nicht nur bei Schietwetter kann man in René Dittrichs Restaurant Alt Wyk gemütlich einkehren
© Harald Bickel | Alt Wyk

Traditionelles Föhrer Festmahl

Deftig, mit reichlich Fleisch und Würsten, mit Brat- oder Salzkartoffeln tischt der Midlumer Krog den Grünkohl auf, in diesem Landgasthof feiern Föhrer in großer Runde Biike (Midlum, Dörpstraat 50, www.midlumer-krog.de). Sterne-Koch René Dittrich zaubert in seinem Restaurant Alt Wyk ein verfeinertes Grünkohl-Menü mit Galantine vom Schwein auf Salat von Grünkohl, Birne und Nüssen, Kalbskopf und Aal mit Brot und Grünkohl und Dreierlei von der Ente auf Grünkohl zu moderaten Preisen (Wyk auf Föhr, Große Str. 4, www.alt-wyk.de).

Den Brand in der Kehle nach Feuer und Festmahl löscht der Absacker zwischen Öltonnen und Schraubstock im Heimathafen, der Kneipe in der ehemaligen Werkstatt der Wyker Dampfschiffs-Reederei (Wyk auf Föhr, Hafendeich 9, www.facebook.com/WyksHeimathafen).

Übernachten auf Föhr

Nach so viel geballter Tradition tut der frische moderne Friesenstil in Rackmers Hof gut, zudem lässt sich im Spa wunderbar der Brandgeruch abspülen und in der Sauna die Kälte vertreiben (Oevenum, Buurnstrat 1, www.rackmers.de, DZ ab 70 €). Mit Geschichten und Gedichten zur Biike versorgt Jörn Sternhagen seine Gäste in Sternhagens Landhaus, einem gemütlichen 300 Jahre alten Reethof (Oevenum, Buurnstrat 49, www.sternhagens-landhaus.de, DZ ab 90 €).

Ferienhäuser und -wohnungen vermittelt Föhr Tourismus auf seiner Homepage www.foehr.de. Einschlafen werden Biike-Besucher in jedem Fall mit einer heißen Hoffnung: Vielleicht funktioniert der friesische Feuerzauber tatsächlich, der Winter ist bald vorbei – und der Frühling vor der Tür.

GEO SAISON Nr. 01/2017 - Kuba

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