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Frankreich Mit dem Rad entlang der Rhône

Ein Teil des neuen Fernradwegs entlang der Rhône ist fertig: Als hätte Monet ihn gepinselt, schlängelt sich der Fluss durch Dörfer und Weinberge
Frankreich: Besonders die ursprüngliche Altstadt von Tournon-sur-Rhône verzaubert die Besucher der Kleinstadt an der Rhône
Besonders die ursprüngliche Altstadt von Tournon-sur-Rhône verzaubert die Besucher der Kleinstadt an der Rhône
© ZYLBERYNG Didier/hemis.fr/Getty Images

Kirsch-Aperitif

Noch einmal blicke ich in der Morgensonne auf die Kathedrale von Vienne am anderen Ufer der Rhône, den Turm des ehemaligen Klosters und die Silhouette des Mont Pipet, eines der fünf Stadthügel, an den sich das antike Theater schmiegt. Dann schaue ich nach vorn und trete in die Pedale: Rund 170 Kilometer auf der Viarhôna liegen vor mir. Das erste Teilstück des neuen Flussradwegs, der einmal vom Genfer See bis zum Mittelmeer führen wird, beginnt gut 30 Kilometer südlich von Lyon. Die mittelalterlichen Fassaden schwinden, auch das gallorömische Museum lasse ich hinter mir und radle zwischen Feldern mit penibel angeordneten Salatköpfen und wilden Pfirsichbäumen. Dahinter ranken sich Viognier- und Syrahtrauben, die bald zu Côte-Rôtie und Condrieu verarbeitet werden, in einer so unordentlichen Weise die Hügel hoch, dass die Winzer sie von Hand bewirtschaften. Der Ginster duftet süßlich, als ich ins Naturschutzgebiet Île du Beurre abzweige, wo Eidechsen gefährlich nah an meinen Reifen vorbeisausen und ein Fischreiher am Nebenarm der Rhône steht. Kinder radeln an der Uferpromenade zwischen Condrieu und St-Rambert-D'Ablon um die Wette. Vor einem 150 Jahre alten Steinhaus mit grünen Holzfenstern trinken Doris und Thomas Mandel ihren Nachmittagskaffee. 70 Kilometer sind sie heute schon gestrampelt, sagt die freundliche Frau und nimmt eine der frisch gepflückten Kirschen, die Gastgeber Bruno Primard auf den Tisch gestellt hat. Für das Pipangaille hat er afrikanische Möbel importiert und den schattigen Innenhof der ehemaligen Seidenraupenzucht mit Olivenbäumen und Oleander bepflanzt (Andancette, Les Marettes, www.chambresdhotes-pipangaille.com).

Maulbeer-Snack

Der asphaltierte Radweg wird hinter Andancette von Platanen und Akazien gesäumt, die von Efeu umschlungen sind. Obwohl mich mein Rad elektrisch unterstützen könnte, bleibt der Motor aus. Der Weg ist so eben, dass ich locker treten kann. Bis nach Tournon-sur-Rhône, wo ich vom Schloss auf die Weinberge gegenüber sehe. Auf einem liegt eine Plane zwischen den Reben, so groß, dass ich vom anderen Ufer aus Hermitage M. Chapoutier lesen kann. Acht Millionen Flaschen Wein produziert Michel Chapoutier pro Jahr, erklärt mir die Sommelière Marie-Josée Faure später. In ihrem urigen Les sens' Ciel koste ich den samtig-fruchtigen Crozes-Hermitage, zu dem sie regionale Schokolade serviert. Marie-Josée organisiert auch Weinpicknicks und Touren zu Winzern. Viele sind kleine Familienbetriebe (Rue Gabriel Fauré 17, Tel. 0033-683084855). Ich strample weiter nach Charmes-sur-Rhône, wo eine Zypresse mit einem Steinturm um die Lufthoheit wetteifert. Rund um die ehemalige Seidenraupenzucht wuchern immer noch die dunkelgrünen Maulbeerbäume, an denen sich die Seidenwürmer im 19. Jahrhundert satt fraßen. Ihre Kokons wurden von den Bauern behütet, die sich bis nach Lyon angesiedelt hatten. Mehr als 300 solcher Betriebe gab es einst im Département Ardèche. Die Natursteinmauern des Le Carré d'Alethius passen in die mittelalterliche Stadt, die Zimmer dagegen sind pink, giftgrün und schokobraun. Gastgeber und Sternekoch Olivier Samin bereitet je nach Saison foie gras und lotte de Bretagne, Seeteufel, zu (Rue Paul Bertois 4, www.lecarredalethius.com).

Käse & Dessert

Nach knusprigem Baguette und frischen Aprikosen zum Frühstück geht es den Rhône-Kanal entlang, der für Frachtschiffe gebaut wurde. Kurzzeitig stehe ich im Stau – zwischen grasenden Ziegen und Schafen. Sie wurden wohl von der Region als natürliche Rasenmäher angeheuert, erzählt mir die Schäferin. Ihren fromage de chèvre kaufe ich auf dem Freitagsmarkt in La Voulte-sur-Rhône, einem der zahlreichen Wochenmärkte an der Strecke. Dazu packe ich schwarze Oliven, eine Honigmelone, Schinken und süße Maronencreme ein, radle damit an Kiwibäumen und Weizenfeldern vorbei, bis ich an einem Nebenarm die Picknickdecke aufschlage. Zurück am Kanal, schalte ich erstmals den Motor an, um schneller nach Le Pouzin zu gelangen: zu einem Kaffee unter der herrlich schattigen Linde des Hôtel la Cardinale. Die Liegen am Pool verführen zu einem Nickerchen, doch ich will weiter (Quartier Serre Petou, Les Mottes, www.le.hotellacardinale.com). Auf der Hängebrücke von Rochemaure muss ich aufpassen, dass mir der kräftige Mistral, der von Nord nach Süd durchs Rhône-Tal zieht, nicht die Sonnenbrille vom Kopf bläst. Der Fluss selbst fließt übrigens schneller als alle anderen im Land, weshalb die Kraftwerke an seinen Ufern 25 Prozent der französischen Wasserenergie erzeugen. Ich spaziere nach Vivres hinein, wo früher, wie vielerorts in der Gegend, Salz aus der Camargue verzollt wurde. In dem kleinen Ort gibt es einiges zu entdecken. Das Restaurant La Marguerite Rouge zum Beispiel. Dort kocht Christophe Gonzalez köstliche Gerichte, bereitet Steaks und Gemüse aus der Region auf dem alten Holzkohlegrill im Hof zu. In den beiden Gästezimmern schläft man zwischen Kalkgestein, aus dem hier die Dörfer erbaut wurden (Rue du Portail Neuf 4, www.lamargueriterouge.fr). In der Nähe der Kathedrale, in der riesige Gobelins die Wände schmücken, stehe ich vor einem süßen Laden: der Crêperie Les Chevaliers, die ausgezeichnete Schoko-Mandel-Crêpes serviert (Place de la Republique 7, Tel. 0033-475548370).

Wein zum Schluss

Das geschmackliche Finish meiner Radtour gibt’s in Bourg-Saint-Andéolbei Raphaël Pommier, der seit über 50 Jahren nur biologischen Wein abfüllt. Auf seinem Weingut Notre Dame de Cousignac zwischen süß duftenden Feigenbäumen, rosa blühendem Oleander und einer Kapelle aus dem 6. und 11. Jahrhundert schmeckt der Côtes du Rhône besonders fein (Quartier Cousignac, www.ndcousignacvillegiature.fr). Bis zum Meer sind es noch rund 150 Kilometer, dieses Teilstück der ViaRhôna soll in den nächsten fünf Jahren fertiggestellt werden. Ich bleibe derweil hier zwischen den Weinreben und springe in den Pool.

Frankreich: 170 Kilometer radelte die Autorin Clara Maier immer am Wasser entlang
170 Kilometer radelte die Autorin Clara Maier immer am Wasser entlang
© Clara Maier

Die Tour

Von Lyon mit dem Zug nach Vienne, wo das Office de Tourisme Fahrräder verleiht (Cours Brillier 14, www.vienne-tourisme.com). Beim Jazzfestival im Sommer haben schon Ella Fitzgerald und Miles Davis im römischen Theater gesungen (www.jazzavienne.com). Tagesstrecken sind frei wählbar, Schlafplätze gibt’s in fast allen Orten an der ViaRhôna (www.viarhona.com). Der Regionalzug, der Fahrräder meist mitnimmt, bringt einen vom linken Rhône-Ufer schnell wieder nach Lyon, etwa von Montélimar oder Pierrelatte. Viertägige Touren mit Übernachtung und Gepäcktransport bislang nur bei Safrantours (Mirabel et Blacons, Les Cascades 4, www.safrantours.com).

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