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Frankreich Naturpark Chartreuse: Wandern und Schnaps

Grüner wird’s nicht: Der Naturpark in den französischen Alpen ist ein saftiges Terrain für Wanderer. Dort brauen die Kartäusermönche ihren köstlichen Likör, natürlich in Giftgrün
Frankreich: Der karstige Gipfel des Dent de Crolles gehört neben dem Grand Som und dem Chamechaude zum Chartreuse-Massiv
Der karstige Gipfel des Dent de Crolles gehört neben dem Grand Som und dem Chamechaude zum Chartreuse-Massiv
© Lionel Montico/hemis.fr/laif

Wir sitzen auf einem grasgepolsterten Felsvorsprung in 2000 Meter Höhe, über uns makellos blauer Himmel, um uns herum die grünen Gipfel und Kalksteinwände des Chartreuse-Massivs und, schon im leichten Dunst der Ferne, in Eis und Schnee die Gipfelkette der französischen Hochalpen inklusive Mont Blanc. Plötzlich ein leises Fauchen, direkt vor uns: Ein Paraglider kurvt mit seinem knallroten Schirm den Hang entlang, verschwindet hinter einem Grat, taucht wieder auf, schraubt sich in die Höhe – ein Tanz in der Luft, der ihn mal groß, mal winzig klein erscheinen lässt. Wir sind ein dankbares Publikum. Das stille Alpenpanorama, eine unterhaltsame Luftnummer, dazu Käsebrot und hart gekochtes Ei – was will man mehr? Wohl eine halbe Stunde lang lungern mein Bergführer Nicolas und ich unterhalb des Gipfelkreuzes des Grand Som, das in 2026 Meter Höhe in den Himmel ragt. Viel höher geht es hier nicht – der benachbarte Chamechaude markiert mit 2082 Metern schon den Dachfirst einer in weiten Teilen voralpinen Landschaft. Dichte, moosbepackte Bergahorn- und Fichtenwälder, kleine Canyons und Flüsse, viel Regen und Nebel – das Chartreuse-Massiv ist die grünste Alpenlandschaft, die ich kenne. Nur vereinzelt ragen Felsgipfel aus dem üppigen Bewuchs. Dafür eröffnen sich immer wieder Blicke auf bis zu 200 Meter hohen Kalksteinklippen, die senkrecht aus dem Grün wachsen – die landschaftlichen Markenzeichen des Chartreuse-Massivs und des gleichnamigen Naturparks.

Den Namen trägt auch das andere Wahrzeichen der Region: La Grande Chartreuse, die Große Kartause, das legendäre Mutterkloster des Kartäuserordens. Seit seiner Gründung durch den Heiligen Bruno im Jahr 1084 leben dort Mönche in frommer, schweigsamer Zurückgezogenheit. Ihr Kontakt zur Außenwelt ist spärlich,und dennoch scheint ihre Anwesenheit der Umgebung ihren Stempel aufzudrücken. Auch Nicolas, mit dem ich morgens vom Kloster aus aufgebrochen bin, stellt eine Verbindung her. Der 35-Jährige ist nicht nur begeisterter Bergwanderer, sondern zugleich Direktor des Klostermuseums. Während des Aufstiegs erzählt er, dass sich die Mönche nur einmal pro Woche zu einem Spaziergang außerhalb der hohen Mauern begeben. Fremden bleibt jeglicher Einblick verwehrt. Immerhin: Vom Gipfel des Grand Som können Besucher auf die Klosteranlage sehen, die tausend Höhenmeter tiefer am Fuß des Berges steht.

Nach der Pause auf dem Felsvorsprung führt Nicolas mich wieder talwärts. Ein abenteuerlicher Abstieg über schmale Felsgrate und weiße Kalksteinrippen, deren Formen bisweilen wie Knochen oder Schädel anmuten. Oder färben hier schon die Klostergeschichten auf meine Wahrnehmung ab? Als das Wetter am nächsten Tag von hochsommerlich auf herbstlich-verregnet kippt, ist die Zeit reif für den Besuch des Klostermuseums, das, untergebracht in einem Nebengebäude, dem gleichen Aufbau folgt wie das Mutterhaus: Jeder Mönch hat eine Einsiedlerklause mit Werkstatt und Garten, die er, weitgehend ohne Kontakt zu seinen Mitbrüdern, allein bewohnt. Verbunden sind die Wohnungen durch einen Kreuzgang, der zur Kapelle führt. Die dezent multimediale, erst 2011 eröffnete Ausstellung führt Besucher durch diese Räume – und zugleich durch den faszinierend fremdartig anmutenden Tages- und Jahresablauf der Einsiedler. In Film- und Schriftdokumenten betonen sie, dass ihr Leben mitnichten einsam, weil auf Gott ausgerichtet sei. Zudem gibt es auch Zeiten der Gemeinsamkeit: Allnächtlich um Schlag zwölf kommen die Mönche in der Kapelle zusammen, um drei Stunden lang zu beten und zu singen, bevor sie nach kurzem Schlaf ihr Tagwerk beginnen, darunter das Mixen der Kräuter für ein geheimnisumwittertes Elixier, dessen Rezeptur nur zwei der Mönche kennen. 130 pflanzliche Zutaten komponieren die Brüder, die in der Destillerie in Voiron zu giftgrünem Likör verarbeitet werden, um später Bar-Regale in aller Welt zu zieren: ein weiteres Wahrzeichen der Region. Wer es seltsam findet, dass das Ergebnis der Gottsuche ausgerechnet in einer Spirituose besteht, dem sei gesagt: Das Elixier ist eigentlich ein Heiltrunk und wird in Frankreich sogar als Medizin verwendet. Als am nächsten Tag der Sommer wiederkehrt, könnte ich mich eigentlich erneut den Outdoor-Aktivitäten zuwenden, von denen der Naturpark so viele bietet. Dem Trail- Running zum Beispiel – rund um den Ort St-Pierre-de-Chartreuse gibt es ein hervorragend ausgeschildertes Wegenetz für alle Schwierigkeitsgrade. Oder dem Aqua-Walking im verwunschenen Canyon des Flüsschens Guiers-Mort unweit des Klosters. Aber nach dem Museumstag ist mir einfach nur nach etwas Waldspaziergang in Gottes grüner Natur zumute, nach einer guten Mahlzeit und einem Gläschen Likör.

Tipps zu einem Aufenthalt im Chartreuse

Schlafen

Le Val Ombré

Gemütliche Chambres d’Hôtes in einem kartusianischen Bruchsteinhaus oberhalb von St-Pierre-de-Chartreuse. Auf Wunsch wird man von den Gastgebern Jean- Pierre, der ein bisschen Englisch spricht, und Eric auch bekocht. Chemin du Grand Logis, Tel. 0033-4-76 53 20 74, www.le-valombre.fr

Essen

La Ferme de Brévardiére

Gehobene Landküche, Spezialität: Safran-Gerichte und -Getränke. 5 km südlich von St-Pierre-de-Chartreuse, Tel. 0033-4-76 88 60 49, www.brevardiere.fr, Mo/Di geschlossen

Erleben

Aqua-Walking

Bei der Canyon-Wanderung mit Etienne im Flussbett des Guiers-Mort sorgt ein Wetsuit dafür, dass man sich selbst bei Schmelzwasser schockfrei durch Stromschnellen bewegt. Etienne Rollin, Tel. mobil 0033-650- 70 17 58, www.feeling-sportsnat.fr

Trail-Running

Um St-Pierre gibt es neun gut markierte Routen. Anlaufpunkt ist die "Station de Trail", eine Basisstation mit Trainingsparcours und Info-Center. Le Bourg, Chemin de Perquelin, www.stationdetrail.com

Musée de la grande Chartreuse

Hervorragende Ausstellung zum Klosterleben. St-Pierre-de-Chartreuse, www.musee-grande-chartreuse.fr, 5. April bis 2. November

Musée d'art Sacré Contemporain

33 Jahre lang hat der Maler und Bildhauer Jean Marie Pirot-Arcabas die Bergkirche Saint-Hugues mit naiveindringlichen, oft surreal anmutenden sakralen Werken ausgestattet – bis sie als Gesamtkunstwerk zum Museum wurde. St-Pierre-de-Chartreuse, www.saint-hugues-arcabas.fr

Chartreuse Destillerie

Weltberühmt, süß und sehr grün: Der Kräuterlikör aus dem Kartäuserkloster wird heute in einer Destillerie im Städtchen Voiron hergestellt – unter strikter Kontrolle der Mönche. Bei einer kostenlosen Führung mit Verkostung erfahren Besucher hier alles über das Elixier – außer dem Geheimrezept. Voiron, Blvd. Kofler 10, www.chartreuse.fr

Anreise

St-Pierre-de-Chartreuse liegt 45 Autominuten von Grenoble und 1,5 Autostunden von Lyon entfernt. Von Lyon nach Grenoble fährt ein Shuttlebus (www.faurevercors.fr), von dort der Linienbus 7000 nach St-Pierre-de-Chartreuse (www.transisere.fr).

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