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Verhaltensauffälligkeiten Impulsiv und hyperaktiv: Können auch Hunde an ADHS leiden?

Jack Russell Terrier sitzt auf Sofa mit zerbissenen Kissen und Federn um sich herum
Hat ein Hund viel Energie und kann sie nicht loswerden, wird er verhaltensauffällig. Die Zerstörungswut ist dafür ein typisches Beispiel
© Stone RF / Getty Images
Reizempfindlichkeit, ein übermäßiger Aktivitätsdrang und Aufmerksamkeitsstörungen – manche Hunde zeigen Symptome, die an eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (kurz ADHS) beim Menschen erinnern. Doch können auch Hunde an einer Art der ADHS leiden? Forschende aus Ungarn sind dieser Frage nachgegangen

Der Hund ist hyperaktiv und kommt nicht zur Ruhe, lässt sich bei Trainingseinheiten leicht ablenken und reagiert empfindlich auf Reize von außen. Mitunter zerstört er Möbel in der Wohnung, nagt nervös an der Tapete oder bellt und jault aufgeregt – so manche Hundehalterin und mancher Hundehalter verzweifelt an den Verhaltensauffälligkeiten des eigenen Vierbeiners. Sie ähneln den Symptomen des beim Menschen bekannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndroms (kurz ADHS).

Während die Verhaltensstörung in der Humanmedizin bereits weit erforscht ist, finden sich dazu in der Veterinärmedizin noch viele Fragezeichen. Können auch Hunde unter einer Art von ADHS leiden und wenn ja, wie lässt sich diese feststellen? Ein Forschungsteam der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest hat sich dieser Frage in einer neuen Studie gewidmet und berichtet darüber in den "Scientific Reports".

Diagnose bei Hunden ähnelt der bei Menschen

Besteht bei uns Menschen Verdacht auf ADHS, so gibt es für Kinder, Jugendliche und Erwachsene spezielle Fragebögen, um Symptome und Probleme zu erfassen. Das kann man zwar auch schon für Hunde tun, jedoch mit der Einschränkung, dass nicht zwischen den verschiedenen Formen der Verhaltensauffälligkeiten unterschieden wird. An diesem Punkt wollten die ungarischen Forscherinnen ansetzen, um spezielle Symptome bei Hunden zu identifizieren – und erlangten dabei einige interessante Erkenntnisse.

Für ihre Studie befragten Barbara Csibra, Nóra Bunford und Márta Gácsi mehr als tausend Hundehalterinnen und Hundehalter zu ADHS-ähnlichen Verhaltensauffälligkeiten ihrer Vierbeiner und den daraus resultierenden Herausforderungen im gemeinsamen Alltag, etwa beim Gehorsamkeitstraining oder im Kontakt mit anderen Artgenossen.

Symptome auffälliger Hunde ähneln eher denen von Erwachsenen

Nach einer Erhebung der Daten identifizierte das Forschungsteam statistisch drei Haupt-Verhaltensprobleme bei den Vierbeinern:

  • Aufmerksamkeitsstörungen: Zeigen sich vor allem dann bei Hunden, wenn Herrchen oder Frauchen mit ihnen trainieren möchten, die Tiere sich jedoch gar nicht konzentrieren können. Infolgedessen lernen Hunde Tricks und Kommandos im Vergleich zu anderen Artgenossen wesentlich langsamer und vergessen bereits Gelerntes auch schneller. Such- oder Puzzlespiele lösen bei den Vierbeinern wenig Begeisterung aus.
  • Hyperaktivität: Äußert sich bei Hunden vor allem dann, wenn sie Kommandos nicht umsetzen können. Zum Beispiel wenn die Tiere bei Aufforderungen wie "Sitz" und "Bleib" extrem unruhig sind oder sich plötzlich aus der Situation lösen und einfach losrennen. Auch eine ständige Unruhe – sogar in vertrauten Umgebungen wie zu Hause – ist ein typisches Beispiel.
  • Impulsivität: Zeigt sich bei den Tieren insbesondere dadurch, dass direkte Reize beim Schnuppern zu Kurzschlussreaktionen führen. Auch eine fehlende motorische Kontrolle und Ungeduld sind Anzeichen eines impulsiven Verhaltens. Solche Hunde lassen sich von ihren Haltern nur schwer kontrollieren oder steuern.

Mit der Kombination aus Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsiviät ähneln die beobachteten Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden eher denen von Erwachsenen als von Kindern. Denn während bei Kindern impulsives Verhalten und Hyperaktivität mehrheitlich gemeinsam auftreten und deshalb nicht getrennt erfasst werden, zeigt die Forschung, dass bei Erwachsenen die Hyperaktivität eher nachlässt, während die Impulsivität jedoch anhält.

Bei ihrer Entwicklung des "Dog ADHD and Functionality Rating Scale", einer neuartigen Form des Fragebogens für Hundehalter, stieß das Team um die Biologin Barbara Csibra noch auf eine vierte Dimension bei Hunden: die sogenannte Vokalisation, also das Bellen, Winseln und Jaulen. Diese Art der Lautsprache deuten die Forscherinnen jedoch nicht als Symptom, sondern als Folgeerscheinung von ADHS – ähnlich dem Verhalten von hyperaktiven Kindern, die ohne Pause reden, anderen nicht zuhören und ihnen stattdessen ständig ins Wort fallen.

Ob Hunde tatsächlich an einer Form der ADHS leiden können, konnte diese Studie zwar noch nicht abschließend klären. Doch der neuartige "Dog ADHD and Functionality Rating Scale" konnte bereits wichtige Erkenntnisse dazu liefern, ob Hunde unter verwandten Verhaltensauffälligkeiten wie der Mensch leiden oder nicht. Ein guter Schritt in die richtige Richtung, um in Zukunft die Diagnose und Behandlung von ADHS-ähnlichen Symptomen bei den Vierbeinern zu verbessern. Und wenn sich in weiteren Studien bestätigen sollte, dass Hunde unter dem Syndrom ähnlich leiden wie wir Menschen, könnte das für den Forschungszweig der Hundepsychologie wegweisend sein.

Ähnliche Studie zu ADHS bei Hunden bereits 2021

Forschende der Universität Helsinki hatten sich bereits vor drei Jahren mit ähnlichen Fragen beschäftigt. Damals dokumentierten Hundehalterinnen und Hundehalter von mehr als 10.000 jungen und männlichen Tieren häufig ADHS-ähnliche Symptome, vor allem dann, wenn die Tiere sehr viel allein gelassen wurden. Die Hunde zeigten weitere Folgeerscheinungen wie Aggressivität, Angst oder den Hang zu Zwängen – Auffälligkeiten, die auch bei Menschen mit ADHS bekannt sind.

Und wie bei uns Menschen vermuteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Finnland auch bei den Tieren eine genetische Komponente. Ein Vergleich von 15 Hunderassen zeigte damals: Hyperaktivität und Impulsivität ließen sich besonders häufig bei Mischlingen und dem Deutschen Schäferhund beobachten, bei Zwergschnauzern hingegen kaum. Unaufmerksamkeit trat am häufigsten bei Mischlingen und Finnischen Lapphunden auf, selten aber bei Spanischen Wasserhunden.

Dass sich verschiedene Verhaltensweisen so klar bei den Hunderassen beobachten lassen, ist menschengemacht: Durch gezielte Zucht wurden Rassen hervorgebracht, die sich durch einen hohen Bewegungsdrang und eine klare Reizempfindlichkeit auszeichnen. Solange die Tiere ihren Charaktereigenschaften und Bedürfnissen entsprechend gehalten und ausgelastet werden, bringen solche Rassemerkmale keine Probleme mit sich. Anders sieht es aus, wenn sehr aktive Hunderassen in kleinen Stadtwohnungen gehalten und wenig beschäftigt werden. Besonders intelligente Hunde wie Border Collie oder Schäferhund brauchen beispielsweise nicht nur körperliche, sondern auch geistige Auslastung.

Menschen, die einen neuen Hund bei sich einziehen lassen möchten, sollten sich daher unbedingt im Vorfeld mit den Rasseporträts beschäftigen und ihre Entscheidung nicht nur nach dem Aussehen der Tiere treffen. Bei der Suche nach dem richtigen Vierbeiner kann unser Artikel "Welcher Hund passt zu mir?" helfen. Dann steht einem schönen, ausgeglichenen und problemfreien Zusammenleben zwischen Mensch und Tier nichts mehr im Wege.

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