Anzeige

Hirnforschung Können Oktopusse träumen wie ein Mensch?

Oktopus am Great Barrier Reef
Ein Oktopus am Great Barrier Reef vor Australien: Blitzschnell ändern die Kopffüßer die Hautfarbe, um sich zu tarnen oder zu kommunizieren. Auch im Schlaf: Das hat das Team einer japanischen Universität bei einer verwandten Art nachgewiesen
© imageBROKER | Norbert Probst / picture alliance
Oktopusse sind fremdartige Geschöpfe: Sie haben drei Herzen, acht Arme, und schmecken mit den Saugnäpfen. Im Schlaf aber ähneln sie dem Menschen – und vielleicht träumen sie sogar. Das zeigt eine neue Studie

Menschen und Oktopusse schlafen auf ähnliche Weise: Sie wechseln zwischen einer aktiven und einer Ruhephase. Die Ähnlichkeit ist umso erstaunlicher, als der letzte gemeinsame Vorfahre von Kopffüßern und Wirbeltieren vor etwa 550 Millionen Jahren lebte. Daraus folgern Forscher des Okinawa Institute of Science and Technology im Fachjournal "Nature", dass dieses Schlafmuster bei den Tiergruppen unabhängig voneinander entstanden ist. Anscheinend erfülle es für Lebewesen mit hoher Intelligenz eine wichtige Funktion.

"Alle Tiere scheinen eine Art Schlaf zu haben, sogar einfache Organismen wie Quallen und Fruchtfliegen", sagt Studienleiter Sam Reiter. "Aber lange Zeit wusste man nur bei Wirbeltieren, dass sie zwischen zwei verschiedenen Schlafphasen pendeln."

Bunte Haut – wilder Traum?

Dass dies auch für Oktopusse gilt, hatte vor zwei Jahren schon ein brasilianisches Team berichtet. Demnach wird bei den Tintenfischen der Art Octopus insularis eine längere ruhige Schlafphase regelmäßig unterbrochen von einer sehr kurzen aktiven Phase, in der die Tiere ihre Hautfarbe plötzlich ändern, die Augen bewegen oder ihre Saugnäpfe zusammenziehen.

Diese aktive Schlafphase ähnelt dem sogenannten REM-Schlaf des Menschen, bei dem die meisten Träume auftreten. Die Bezeichnung REM - Rapid Eye Movement - stammt daher, dass sich in dieser Phase die Augen unter den geschlossenen Lidern rasch bewegen.

Die Forscher aus Okinawa bestätigten nun im Labor zunächst, dass die Tiere der Art Octopus laqueus in beiden Schlafphasen deutlich schwächer auf physikalische Reize reagierten als im Wachzustand - sie schliefen also tatsächlich. Dann analysierte das Team ihre Hirnaktivität. Und entdeckte verblüffende Parallelen.

In der ruhigen Phase wies sie Wellenmuster auf, die "Schlafspindeln" ähneln. Sie sind beim Menschen ein charakteristisch für den Non-REM-Schlaf. Ihre genaue Funktion ist zwar nicht geklärt, vermutlich hängt sie aber mit dem Gedächtnis zusammen. Dazu passt, dass solche Wellenmuster bei den Oktopussen in jenen Hirnarealen auftraten, die mit Lernen und Erinnerungsvermögen zusammenhängen.

Etwa jede Stunde wechselten die Tiere für grob eine Minute aus der ruhigen in die aktive Schlafphase. Die dabei entstehenden Farbmuster auf der Haut ähnelten denen, die die Oktopusse zeigen, wenn sie wach sind:  Sie wechseln blitzschnell die Farbe, um sich zu tarnen, Feinde zu warnen oder miteinander zu kommunizieren. Möglicherweise, so spekuliert die Gruppe, könnten die Tiere in dieser Schlafphase Ereignisse aus dem Wachzustand erleben und dabei die damit verbundenen Hautreaktionen abrufen.

Dies sei zwar nicht sicher, könnte aber auf Träume hindeuten. "Während Menschen nach dem Aufwachen verbal über ihre Träume berichten können, bietet das Hautmuster bei Oktopussen eine visuelle Anzeige ihrer Hirnaktivität beim Schlafen", mutmaßt Reiter. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wissen die Forschenden nicht.

Zeichen für Intelligenz

Dennoch ziehen sie Rückschlüsse auf die Funktion des Schlafs. "Der Zwei-Phasen-Schlaf hat sich unabhängig voneinander bei zwei entfernt verwandten Lebewesen entwickelt. Oktopusse haben große Hirnstrukturen, die sich jedoch völlig von denen von Wirbeltieren unterscheiden", sagt Ko-Autor Leenoy Meshulam. "Das legt nahe, dass ein aktiver Schlaf, der dem Wachzustand ähnelt, ein allgemeines Merkmal einer komplexen Wahrnehmung ist."

Oktopusse sind eine Gattung innerhalb der Familie der Echten Kraken und gelten als sehr intelligent. Sie können Schraubverschlüsse von Gläsern lösen oder abschätzen, ob ihr Körper durch eine Öffnung passt oder nicht.

Walter Willems, dpa

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel