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Mitteleuropa Artenvielfalt der Schmetterlinge leidet vor allem unter zwei Faktoren

Schmetterling auf einer lila Blüte
Die Bestände des Hochmoor-Gelblings (Colias palaeno) sind seit mehr als 100 Jahren durch die Zerstörung von Hochmooren rückläufig
© Senckenberg/Schmitt
Die Vielfalt und Menge der Insekten in Mitteleuropa ist seit langem rückläufig. Woran das liegt, zeigt eine Studie zu Schmetterlingen in Österreich. Demnach setzen den Tieren vor allem zwei Faktoren zu

Die Vielfalt an Schmetterlingen in Mitteleuropa ist seit langem rückläufig. Einer Studie zufolge verschwanden diese Insekten während der vergangenen 100 Jahre vor allem in zwei großen Wellen. Das berichtet ein Forschungsteam aus Österreich, Deutschland und Polen nach der Analyse von Beobachtungsdaten im österreichischen Bundesland Salzburg über einen Zeitraum von 100 Jahren. Demnach sanken die Bestände der Tagfalter zunächst vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dann in den 1960er Jahren. Ursachen waren insbesondere Veränderungen der Landschaften und die Intensivierung der Landwirtschaft. Die Analyse zeigt auch, dass der Artenschwund seit Mitte der 1990er Jahre stoppt, offenbar infolge von Maßnahmen zum Naturschutz.

Viele Studien zeigen, dass sowohl die Artenvielfalt als auch die Masse der Insekten in Mitteleuropa während der vergangenen Jahrzehnte drastisch geschrumpft sind. Um die Ursachen dieser Entwicklung über einen längeren Zeitraum zu ermitteln, werteten die Forscher um Jan Christian Habel von der Universität Salzburg fast 60 000 Beobachtungsdaten zu 168 Tagfalter-Arten aus.

Ergebnisse lassen sich auch auf andere Arten übertragen

Sowohl die Gruppe der Tagfalter als auch die Untersuchungsregion - das Land Salzburg - seien gut geeignet, die generelle Entwicklung zu Insekten in Mitteleuropa widerzuspiegeln. Da Schmetterlinge viele unterschiedliche Lebensräume besiedeln, gehen die Forscher davon aus, dass die ermittelten Trends auch für andere Gruppen von Insekten gelten. "Unser Studiengebiet steht beispielhaft für die allgemeine Intensivierung der Landwirtschaft in großen Teilen Mitteleuropas, mit all ihren negativen Effekten auf die Artenvielfalt", schreiben die Autoren im Fachblatt "Science of the Total Environment".

"Als Basis für unsere Arbeit haben wir Daten und Aufzeichnungen vom Haus der Natur Salzburg herangezogen, die bis in das Jahr 1920 zurückreichen", sagt Ko-Autor Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg bei Berlin. "Sie zeigen, dass bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts zahlreiche Arten in ihren Beständen rückläufig waren. Ein zweites großes Aussterbeereignis fand dann in den 1960er Jahren statt."

Artensterben zeigt sich in zwei Wellen

Demnach verschwanden in der ersten Welle des Artensterbens vor allem jene Schmetterlinge, die in sensiblen Ökosystemen wie etwa Mooren lebten. "Solche Lebensräume wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts, in der Zeit des intensivsten Bevölkerungswachstums in Europa, durch die starke Ausweitung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zerstört", sagt Erstautor Habel. "In diesem Zeitraum wurden beispielsweise viele Moore und Feuchtwiesen entwässert, aber auch ehemaliges trockenes Ödland in die Bewirtschaftung überführt." Dies schade bis heute vor allem jenen Arten, die auf diese Ökosysteme spezialisiert seien, etwa dem Hochmoorgelbling (Colias palaeno).

Die zweite Welle begann demnach Mitte des 20. Jahrhunderts. Damals - insbesondere in den 1960er Jahren - schwand die Vielfalt an Schmetterlingen vor allem durch die schwindende Qualität der Lebensräume. "Verantwortlich scheint hier die zu diesem Zeitpunkt einsetzende Industrialisierung der Landwirtschaft mit intensiven Einsätzen von Pflanzenschutzmitteln und künstlichen Düngemitteln zu sein", sagt Schmitt. "Hierdurch verschwanden viele naturnahe Elemente der Kulturlandschaft wie blütenreiche, magere Talwiesen mit ihrer hohen Artenvielfalt. Dieser Trend ist bis heute ungebrochen negativ."

Ab den 1970er Jahren erreichte der Artenschwund dann auch die alpinen Bergregionen, wo damals viele Landschaften zerstört wurden - etwa durch regelmäßiges Mähen, intensivere Viehhaltung, Düngung und Aussäen von ortsfremden Pflanzen. Generell, so das Team, verschwanden insbesondere jene Arten, die auf spezielle Landschaften spezialisiert waren. Gerade diese Arten müssten durch einen stärkeren Erhalt ihrer Lebensräume vorrangig geschützt werden.

Die Studie enthält auch eine gute Nachricht: Seit etwa 1994 nehmen die gefährdeten Arten demnach nicht weiter ab. "Auch das Aussterben der auf Feuchtgebiete spezialisierten Arten wurde, aufgrund der dort ausgewiesenen Schutzgebiete, gebremst", sagt Habel. "Die Vielfalt verharrt allerdings seither auf niedrigem Niveau."

Walter Willems, dpa

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