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Meeresmüll Mikroplastik weiter verbreitet als gedacht: "Problem betrifft das gesamte Ökosystem Ozean"

Eine Plastiktüte im Meer, umgeben von einem Fischschwarm
Größere Plastikteile im Meer zersetzen sich unter dem Einfluss von Sonnenlicht in immer kleinere Teile. Und schließlich zu Mikroplastik
© Magnus Lundgren / Clear the Ocean / Wild Wonders of China / mauritius images
Kunststoffteile treiben in großen Mengen auch abseits der berüchtigten "Großen Müllstrudel" im Ozean. Das ist das alarmierende Ergebnis einer deutschen Forschungsfahrt im Nordpazifik

Plastikmüll findet sich nicht nur an Stränden – die größten Mengen treiben im offenen Ozean. Fast schon berüchtigt sind fünf gigantische "Müllstrudel" mit einer Ausdehnung von jeweils weit über eine Million Quadratkilometern. Doch wie viel Kunststoff treibt abseits davon? Gibt es überhaupt noch unverschmutzte Meeresregionen?

Offenbar nicht. Auf einer fünfwöchigen Expedition im Nordpazifik konnte ein deutsches Forschungsteam nachweisen: Mikroplastik ist überall. Und es ist überall häufig. Das ist das alarmierende Ergebnis der im Fachblatt "Environmental Science & Technology" veröffentlichten Studie.

Das Team des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) sammelte auf der Fahrt von Vancouver (Kanada) nach Singapur mit einem sogenannten Neustonnetz Proben des Oberflächenwassers. Als Neuston bezeichnen Forschende die Gesamtheit der Organismen, die an der Wasseroberfläche leben. Mit einer Maschenweite von nur 0,3 Millimeter gingen dem Team nicht nur größere Plastikteile, sondern auch Mikroplastik von weniger als fünf Millimeter Größe ins Netz. Zusätzlich hielten Zweierteams an Deck Ausschau nach sichtbaren, im Wasser treibenden Plastikteilen und dokumentierten die Sichtungen nach Form und Größe.

Die Punkte für die Bestandsaufnahme hatten die Forschenden zuvor anhand eines Vorhersagemodells der University of Hawaii bestimmt. Mit dem Modell lässt sich die Dichte von Müllteilen im Ozeanwasser für beliebige Meeresregionen berechnen. Neben dem Großen Pazifischen Müllstrudel nahmen die Forschenden auch Proben in vermeintlich müllarmen Regionen.

"Plastikproblem betrifft das gesamte Ökosystem Ozean"

Wie erwartet, fanden die Forschenden im Großen Pazifischen Müllstrudel die größten Mengen Plastikmüll: 452.800 Teile pro Quadratkilometer. Überraschend viele, meist kleine Kunststoffteile fanden sich allerdings auch abseits des Müllstrudels. So registrierte das Team im Meeresschutzgebiet Papahānaumokuākea Marine National Monument, fernab aller Festlandsküsten, 285.200 Teile pro Quadratkilometer – eine Konzentration, die dort zuvor nicht nachgewiesen und vom Computermodell auch nicht vorhergesagt wurde.

Mit einem Katamaran im Schlepp und einem sogenannten Neustonnetz sammelten die Forschenden auf ihrer Fahrt Plastikteile an der Wasseroberfläche auf
Mit einem Katamaran im Schlepp und einem sogenannten Neustonnetz sammelten die Forschenden auf ihrer Fahrt Plastikteile an der Wasseroberfläche auf
© Philipp Klöckner / UFZ

"Mikroplastik ist höchstwahrscheinlich viel weiter über die Ozeane verteilt als bislang angenommen", sagt die UFZ-Umweltchemikerin Annika Jahnke in einer Pressemitteilung. "Wir haben tatsächlich an allen unseren Probenahmestationen Plastik nachweisen können." Man könne also nicht davon ausgehen, dass Plastik vor allem in den bekannten Ansammlungsgebieten zu Problemen führt. "Das Plastikproblem ist deutlich größer und betrifft tatsächlich das gesamte Ökosystem Ozean", sagt Jahnke.

Die Forschenden räumen zugleich mit einer vereinfachenden Vorstellung vom Meeresmüll auf:  Selbst bei den besonders plastikreichen Müllstrudeln handle es sich nicht um "Müllteppiche mit Plastikteilen dicht an dicht", erklärt Robby Rynek, der Erstautor der Studie. Das sei wichtig, um zu verstehen, dass Plastikbeseitigungssysteme wie die des Niederländers Boyan Slat riesige Meeresgebiete abfahren müssten, um nennenswerte Mengen von Plastik einzusammeln. Zudem würden mit den erforderlichen feinmaschigen Netzen auch erhebliche Mengen tierischer Beifang eingesammelt.

Die Forschenden betonen darum, dass Plastik gar nicht erst in die Ozeane gelangen darf: Einer neueren Studie zufolge gelangt mit 500.000 Tonnen zwar eine deutlich kleinere Menge ins Meer als bislang angenommen. Allerdings, so ein weiteres Ergebnis der Studie, häuft er sich dort stärker an. Vor allem auf dem Meeresboden.

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