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Fischerei Sie reißen Kohlendioxid-Speicher auf: Grundschleppnetze treiben Klimawandel an

Luftaufnahme: Ein Schleppnetz wird durch die Lukin
Ein Fischer zieht ein Schleppnetz durch das Wasser
© Westend61/imago
Dass die Grundschleppnetz-Fischerei Ökosysteme am Meeresboden gefährdet, ist längst bekannt. Nun zeigt eine Studie, dass diese Praxis zudem riesige Mengen Kohlendioxid freisetzt

Die Fischerei mit Grundschleppnetzen stört nicht nur das empfindliche Ökosystem des Meeresbodens, sie führt durch das Aufwühlen des Bodens auch zur Freisetzung erheblicher Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). In einer Untersuchung haben Wissenschaftler um Trisha Atwood von der Utah State University in Logan ermittelt, dass die CO2-Menge bis zu 370 Millionen Tonnen pro Jahr betragen dürfte. Das ist etwa doppelt so viel, wie die CO2-Emissionen aus den Motoren aller vier Millionen Fischereischiffe weltweit und etwa halb so viel wie der Ausstoß des globalen Flugverkehrs. Die Studie ist im Fachmagazin Frontiers in Marine Science erschienen.

"Erst kürzlich haben wir herausgefunden, dass die Grundschleppnetz-Fischerei auch Kohlenstoff-Fahnen freisetzt, die anderenfalls sicher über Jahrtausende im Meeresboden gespeichert wären", wird Atwood in einer Mitteilung des Projekts "National Geographic Pristine Seas", das an der Studie beteiligt war, zitiert. Denn wenn Teile des Netzes den Boden durchpflügen, werden Überreste biologisch abgebauter Lebewesen aufgewirbelt, und der enthaltene Kohlenstoff verbindet sich teilweise unter Wasser mit Sauerstoff zu CO2. Atwood und Kollegen ermittelten nun, wie viel von diesem CO2 über den Gasaustausch zwischen Wasser und Luft in die Atmosphäre gelangt.

Auch Ost- und Nordsee sind der Studie zufolge besonders betroffen

Die Forscher*innen verwendeten Daten der Organisation "Global Fishing Watch" zur weltweiten Grundschleppnetz-Fischerei. Diese Daten gaben sie in zwei Computer-Ozeanmodelle ein, die die komplexen Prozesse im Ozeanen simulieren, etwa Strömungen, waagerechter und senkrechter Transport, biologische Vorgänge und Oberflächengasaustausch. Die Ergebnisse beider Modelle waren ähnlich: Von 1996 bis 2020 gelangten demnach 55 bis 60 Prozent des durch Grundschleppnetz-Fischerei entstandenen CO2 innerhalb von sieben bis neun Jahren in die Atmosphäre. Das übrige CO2 trug zur Versauerung der Meere bei, die viele Meereslebewesen bedroht, darunter Korallen.

Der Studie zufolge sind das Ostchinesische Meer, die Ostsee, die Nordsee und das Grönlandmeer besonders von den Folgen der Grundschleppnetz-Fischerei betroffen. Allerdings gebe es zu wenige Daten über diese Fischereimethode in den Meeren Südostasiens, im Golf von Bengalen, im Arabischen Meer und im Golf von Mexiko. 

Von 2000 bis 2020 sei die Ozeanversauerung im Süd- und Ostchinesischen Meer durch Grundschleppnetz-Fischerei ähnlich hoch gewesen wie die Versauerung infolge des Klimawandels, schreibt das Team. "Ähnlich wie die Zerstörung von Wäldern verursacht das Aufkratzen des Meeresbodens irreparablen Schaden für das Klima, die Gesellschaft und die Tierwelt", betont Atwood.

Die Europäische Union hat 2016 die Grundschleppnetz-Fischerei in Tiefseeregionen des Atlantik und in den Gewässern der EU verboten. Bis zu einer Tiefe von 800 Metern dürfen die Netze aber noch eingesetzt werden. Bisher können Fischereibetriebe, die Grundschleppnetze nutzen, noch das Nachhaltigkeitssiegel des "Marine Stewardship Council" (MSC) erhalten, allerdings mit Einschränkungen: "Grundschleppnetz-Fischereien, die das marine Habitat irreversibel schädigen, erhalten keine MSC-Zertifizierung", schreibt der MSC auf seiner Website.
 

Stefan Parsch dpa

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