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Hirnforschung Warum wir im Schlaf viel mehr lernen, als wir glauben

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© mauritius images / Mint Images Ltd
Dr. Hennig Beck arbeitet als Neurobiologe und kommentiert für GEO jeden Monat die neuesten Ideen aus der Neuro-Szene. Diesmal: Lernen wir im Schlaf?

Wer ist noch nicht abends vorm Fernseher eingeschlafen und nach einigen Stunden wieder aufgewacht, um festzustellen, wie erschreckend das Programm während der Nacht sein kann? "Macht ja nichts!", werden Sie sagen. "Während des Schlafs kriegt man ja nicht mit, was im Fernsehen läuft."

Das stimmt auch – wenn es um das bewusste Erleben geht. Doch während wir schlafen, liegt das Gehirn keineswegs auf der faulen Hirnhaut. Es nutzt vielmehr den Schlaf, um die Tagesinformationen zu ordnen. So schneiden bei Problemlösungsaufgaben die Personen besser ab, die nicht nur über eine Aufgabe nachdenken, sondern auch darüber schlafen dürfen.

Probleme löst man am besten nachts im Bett

Erstaunlicherweise kann das Gehirn aber noch mehr, denn selbst im Schlaf hört es noch aktiv zu - und das kann man sogar messen. Dazu wurden Probanden zunächst trainiert, auf gehörte Wörter unterschiedlich zu reagieren: Hörten sie etwa einen Tiernamen (wie beim Wort "Pferd"), drückten sie mit der linken Hand einen Knopf. Bei einem Gegenstand (zum Beispiel "Buch"), drückten sie mit rechts.

Wort hören, einordnen und dann drücken, das automatisiert man schnell. So schnell, dass man dabei einschläft. Und das war durchaus gewünscht, denn die Probanden befanden sich für den Versuch extra in einem abgedunkelten Zimmer. Während die Probanden schliefen, konnte man per EEG ihre Hirnaktivität weiterverfolgen.

Interessanterweise machte das Gehirn in traumlosen Schlafphasen weiter mit der Einordnung der Wörter: Gab man den Schlafenden Tiernamen auf die Ohren, zeigte das Gehirn eine Aktivität, als wollte es die linke Hand bewegen, und simulierte so das Lernen im Wachzustand.

Leider erinnerten sich die Probanden nach dem Aufwachen nicht an die im Schlaf gehörten und eingeordneten Wörter. Lernen, indem man im Schlaf zuhört, gelingt also nicht so leicht. Doch selbst ohne Bewusstsein kann das Gehirn noch aktiv auf neue Informationen reagieren – und besonders gut verarbeitet es deswegen die Informationen, die wir unmittelbar vor dem Zubettgehen gehört oder uns angeschaut haben.

Auch im Schlaf hören wir zu

Ein Tipp daher an alle Lernenden: Wenn man etwas nicht vergessen möchte, schaut man es sich direkt vor dem Einschlafen noch mal kurz an - und knipst dann das Licht sofort aus. Ein solches geistiges Betthupferl wirkt im Schlafe nach, denn das Gehirn denkt, auch wenn wir denken, dass wir nichts denken.

Dies mag ein Grund sein, weswegen wir auf Reize in der Nacht präzise reagieren können. Wenn wir das Geräusch des Weckers "gelernt" haben, weckt es uns leichter auf als ein vergleichbar lautes, aber belangloses Geräusch. Eltern von neugeborenen Babys reagieren sogar besonders sensibel und wachen schon bei dessen kleinsten Lauten auf.

Merke also: Selbst im Schlaf hören wir zu. Und selbst wenn Sie sich nicht ans TV-Programm erinnern - wer weiß, welche Spuren es im Hirn hinterlässt?

GEO Nr. 02/2017 - Atmen

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