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Raumfahrt Mit Kerzenwachs Richtung Weltraum: Start deutscher Rakete geglückt

Raumfahrt: Mit Kerzenwachs Richtung Weltraum: Start deutscher Rakete geglückt
© HyImpulse
Ausgerechnet von der anderen Seite der Erdkugel, von Australien aus ließ das deutsche Start-up HyImpulse seine neue Rakete erfolgreich abheben
Bislang zählt Deutschland nicht zu den großen Weltraumnationen. Doch nun ist der erste Flug einer neuen deutschen Rakete gelungen. Ungewöhnlich ist vor allem der Antrieb, der auf ein ganz alltägliches Brennmaterial setzt

Zwölf Meter hoch, 2,5 Tonnen schwer: Die Rakete SR75 erinnert höchstens in ihrer Form an eine Kerze. Doch wenn ihr Antrieb zündet, läuft in ihrem Inneren das ab, was wir vom Kerzendocht kennen: Paraffin und Sauerstoff verbrennen und setzen dabei viel Energie frei. Doch hier soll keine Dunkelheit vertrieben werden: Die Rakete soll abheben. 

Dies ist nun zum ersten Mal geglückt: Die Rakete des Start-ups HyImpulse startete am Freitag gegen 7:10 Uhr deutscher Zeit in Koonibba in Australien, wie ein Sprecher des Unternehmens mitteilte. Zwar ist sie nach Angaben von Co-CEO und Mitgründer Christian Schmierer auch in der Lage, ins All zu fliegen. Diesmal war jedoch nur eine Höhe von 60 Kilometern geplant, die Grenze zum Weltraum wurde damit nicht überschritten. 

Mit ihrem neuartigen Antrieb aus festem Paraffin und flüssigem Sauerstoff will sich HyImpulse gegen Konkurrenten auf dem weltweiten, heiß umkämpften Markt der Satellitentransporte durchsetzen. Bestehende Brennstoffe haben stets Nachteile. Viele Treibstoffe, unter anderem Verwandte von Kerosin, sind giftig für Mensch und Umwelt. Andere sind sauberer – beispielsweise ein Gemisch aus flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff, das zu Wasser verbrennt –, doch der Umgang mit diesen Stoffen auf der Startrampe ist äußerst komplex, zeit- und kostenintensiv. 

Um 14:40 Uhr australischer Ortszeit beziehungsweise 7:10 Uhr mitteleuropäischer Zeit startete die HyImpulse SR75 in Koonibba, Australien, zu ihrem Jungfernflug
Um 14:40 Uhr australischer Ortszeit beziehungsweise 7:10 Uhr mitteleuropäischer Zeit startete die HyImpulse SR75 in Koonibba, Australien, zu ihrem Jungfernflug
© HyImpulse

Preisschlacht mit der Konkurrenz

Der neue Treibstoff aus Paraffin ist zwar nicht klimafreundlich – auch Kerzen setzen Kohlendioxid frei –, aber immerhin ungiftig. Vor allem ist er sehr simpel zu handhaben, ähnlich einer Kerze, da er nicht explodieren kann. Die Rakete kann mitsamt Brennstoff transportiert werden und auch mit ihm längere Zeit auf einer Startrampe stehen. 

HyImpulse hofft, zukünftig vergleichsweise günstige Raketenflüge anbieten zu können. Nicht nur ist Paraffin ein billiger Treibstoff, es bedarf auch weniger Sicherheitsvorkehrungen beim Transport, zudem sinken die Kosten, um den Start zu versichern. 

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© HyImpulse

Der Raketenstart aus der Nähe

00:25 min

Die neue Rakete wirbelt viel Staub auf – und macht ordentlich Krach (Vorsicht: mit Ton!)

Die Idee für den Antrieb reicht bis in die Studienzeit zurück, erzählt Mitgründer Mario Kobalt gegenüber GEO. Erste Versuche Paraffin als Raketen-Brennstoff zu verwenden, habe es zwar bereits in den 1930er Jahren gegeben, wurden jedoch aufgrund der hohen Komplexität verworfen.

Von der Uni in den Orbit

Kobalt studierte wie seine drei Mitgründer Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart. In einem Studierendenprojekt, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gefördert wurde, konnte das Team schließlich die bisherigen Schwierigkeiten mit Paraffin lösen. Danach wagten sie, ihr Start-up zu gründen, das mittlerweile 65 Mitarbeitende in Neuenstadt bei Heilbronn, München und Glasgow hat. 

Die nun gestartete Rakete SL75 ist die erste von HyImpulse. Das Ziel des Unternehmens ist eine zweite, größere Rakete namens SL1 zu bauen, die eine Fracht von bis zu 600 Kilogramm in eine Erdumlaufbahn transportieren soll und ebenfalls einen Hybridantrieb aus Paraffin und flüssigem Sauerstoff hat. Die Rakete sollen in etwa eineinhalb Jahren beginnen, Satelliten in den Orbit zu transportieren.

Laut Kobalt will HyImpulse mit der Trägerrakete ein besseres Angebot für Kleinsatelliten machen. Bisher glichen Raketen - beispielsweise beim Konkurrenten SpaceX – eher Bussen, die Satelliten nur an bestimmten Orten in der Umlaufbahn abladen. "Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi." Zwar gilt auch im All: Eine Taxifahrt ist teurer als eine Fahrt mit dem Bus, aber während man das Taxi jederzeit bestellen kann, ist man beim Bus von Anderen abhängig. 

Bei SpaceX geben die größten Mitfahrer, also die teuersten Satelliten, vor, wann und wohin die Reise geht. Wer einen kleinen Satelliten in den Orbit schicken will, hat wenig Mitspracherecht, erklärt Kobalt: "SpaceX sagt dann: Im nächsten Jahr fliegen wir in diesen oder jenen Orbit, wollt ihr mit oder nicht?" 

Ein Start der größeren kommerziellen HyImpulse-Rakete solle etwa sechs Millionen Euro kosten. Pro Kilogramm Nutzlast wolle das Unternehmen etwa 6500 Euro berechnen. Zu den Kunden könnte etwa die Automobilindustrie gehören, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren braucht. 

Nicht der erste deutsche Versuch Richtung Weltraum

Auch der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Satelliten werden nach seinen Aussagen immer kleiner. Die neuen Kleinraketen-Anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man schon zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagte der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München. 

Bereits in den späten 1970er-Jahren hatte die deutsche Firma Otrag eine Privatrakete entwickelt, die eine günstigere Alternative sein sollte. Es gab einige Raketentests in Afrika. "Nach heutigem Sprachgebrauch würde man Otrag als Start-up bezeichnen", sagte Walter. Die Firma Otrag (Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft) hatte Ende 1984 nach eigenen Angaben Produktion und Forschung eingestellt.

HyImpulse ist nicht das einzige Start-up in Deutschland, das an der Entwicklung sogenannter Microlauncher arbeitet. In Bayern gibt es zwei Mitbewerber: Rocket Factory in Augsburg und Isar Aerospace nahe München. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren gegründet. Zudem gibt es etwa das wissenschaftlich orientierte Projekt "Moraba" beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), bei dem regelmäßig Texus-Trägerraketen in Kiruna (Schweden) starten.

mit Material der dpa

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