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Meteoriten 300 Einschläge pro Jahr: Warum der Mars von Kratern übersät ist

Meteoriteneinschläge auf der Marsoberfläche
Aufnahmen von Meteroiteneinschlägen auf dem Mars, die die NASA-"InSight"-Mission entdeckt hat. Die Luftaufnahmen stammen von der NASA-Raumsonde "Mars Reconnaissance Orbiter"
© NASA/JPL-Caltech/University of Arizona
Der Mars weist zahlreiche Krater auf. Aber wie viele Meteoriten schlagen aktuell auf seiner Oberfläche ein? Daten der "InSight"-Raumsonde liefern nun überraschende Erkenntnisse. Sie könnten helfen, das Alter von Planeten noch exakter zu berechnen – und sind für die sichere Planung künftiger Marsmissionen überlebenswichtig

Schlägt ein größerer Meteorit ein, lassen sich die Erschütterungen mit Seismometern messen: Das gilt nicht nur auf der Erde, sondern auch auf dem Mars. Ein internationales Forschungsteam hat nun erstmals Daten spezieller Messgeräte der "InSight"-Raumsonde genutzt, um die Zahl der Einschläge zu ermitteln. Etwa 300 Mal pro Erdjahr treffe ein Meteorit den Roten Planeten, der einen mindestens acht Meter breiten Krater hinterlasse, heißt es im Fachblatt "Nature Astronomy".

Die 2018 gestartete Mission "InSight" (Interior Exploration using Seismic Investigations, Geodesy and Heat Transport) der US-Raumfahrtbehörde Nasa hatte vorrangig das Ziel, mehr über den Aufbau des Nachbarplaneten und seine Entstehung in Erfahrung zu bringen. Mit an Bord waren auch Seismometer (SEIS; Seismic Experiment for Interior Structure), die per Roboterarm auf den Marsboden gehoben wurden. So konnte bereits gezeigt werden, dass der Mars selbst seismisch aktiv ist. Aber nicht nur deswegen wackelt dort der Boden.

Marsbeben und Bilder passen zusammen

Die Forschenden schreiben, dass es ihnen gelungen sei, neu entstandene Krater in der Gegend rund um "InSight" zweifelsfrei bestimmten Marsbeben zuzuordnen. "Bis zum Ende der Mission konnten acht seismische Ereignisse, die von SEIS aufgezeichnet wurden, als Einschläge identifiziert werden, da sie anhand von Bildern, die aus der Umlaufbahn aufgezeichnet wurden, mit neu gebildeten Kratern in Verbindung gebracht wurden."

Die Einschlagsbeben gehörten alle zu einer Kategorie mit ungewöhnlich vielen sehr hohen Frequenzen, nämlich zwischen 5 und 30 Hertz (Hz; VF, very high frequency events). Anhand weiterer Charakteristika wie etwa der Länge der Beben kamen die Fachleute zu dem Schluss, dass wahrscheinlich alle Beben dieser Art auf Einschläge von Meteoriten zurückgingen. Dabei schlossen sie aber die Möglichkeit nicht aus, dass zum Beispiel sehr oberflächennahe Marsbeben ähnliche Frequenzmuster zeigen könnten.

Das Team berechnete anhand der Messungen und weiterer Annahmen alle Meteoriteneinschläge auf dem Mars, die wohl Krater von mindestens acht Metern Durchmesser erzeugt haben. Pro Jahr seien das etwa 280 bis 360 Stück, schreiben die Fachleute um Géraldine Zenhäusern von der ETH Zürich und Natalia Wójcicka vom Imperial College London - also bezogen auf das Erdjahr grob ein größerer Einschlag pro Tag. Das Marsjahr (die Zeit, in der der Planet die Sonne umkreist) umfasst übrigens 668 Marstage, ein Marstag (also die Zeit, in der sich der Planet einmal um die eigene Achse dreht) entspricht etwa einem Tag auf der Erde.

Wójcicka und Zenhäusern waren auch an einer Studie beteiligt, die fast zeitgleich in "Science Advances" erschienen ist. Darin werden die Marsbebendaten mit anderen Daten verglichen, welche mit der Context-Kamera der Raumsonde "Mars Reconnaissance Orbiter" (MRO) aufgenommen wurden. Beide Untersuchungen kommen auf ähnliche Einschlagsraten - und stützen sich somit gegenseitig.

"Hören" ist zuverlässiger als "Schauen"

Co-Autor Gareth Collins, der an beiden Studien beteiligt war, hält die seismische Erfassung trotzdem für eine bessere, weil direktere Methode. "Es scheint effektiver zu sein, auf Auswirkungen zu hören als nach ihnen zu schauen, wenn wir verstehen wollen, wie häufig sie auftreten."

Die Erkenntnisse könnten Einblicke in die Vergangenheit des Mars geben, führte Wójcicka aus. "Wenn wir seismische Daten nutzen, um besser zu verstehen, wie oft Meteoriten auf dem Mars einschlagen und wie diese Einschläge die Oberfläche verändern, können wir damit beginnen, eine Zeitleiste der geologischen Geschichte und Entwicklung des Roten Planeten zu erstellen."

"Kosmische Uhr" für den Mars und andere Planeten

Bisher war es nach Angaben der ETH Zürich aus mehreren Gründen schwierig, die Zahl der Einschläge auf dem Mars zu bestimmen. Auf der einen Seite werde der Mars von mehr Meteoriten getroffen als der gut untersuchte Mond, da er näher am Asteroidengürtel liegt und eine größere Anziehungskraft habe. Auf der anderen Seite seien die Krater wegen der vielen Sandstürme oft weniger gut erhalten und könnten nicht so gut entdeckt werden.

Die Ergebnisse können Wissenschaftlern helfen, auch andere Planetenoberflächen genauer zu verstehen, meinte Wójcicka. "Man könnte es als eine Art "kosmische Uhr" betrachten, die uns hilft, die Marsoberfläche zu datieren, und später vielleicht auch andere Planeten im Sonnensystem."

Ergebnisse wichtig für die Marsforschung

Denn Fachleute nutzen die Zahl der Krater auf Planeten, um ihr Alter abzuschätzen - mehr Krater bedeutet normalerweise ein höheres Alter. Dabei wurden nach Angaben des Imperial College bisher Modelle verwendet, die als Basis die Mondoberfläche verwenden, und dann die jeweilige Atmosphäre, die vor kleineren Einschlägen schützt, und die Position im Sonnensystem berücksichtigen.

Die neuen Untersuchungen deuten aber darauf hin, dass die Zahl der tatsächlichen Einschläge zumindest auf dem Mars viel höher liegt als bisher oft angenommen. Die Autoren der Studie in "Nature Astronomy" merken dazu an: "Die höhere Gesamtzahl der Einschläge und die höhere relative Zahl kleinerer Einschläge in unserer Studie zeigen, dass Meteoriteneinschläge eine erhebliche Gefahr für die künftige Erforschung des Mars und anderer Planeten ohne dichte Atmosphäre darstellen könnten."

Doreen Garud, dpa

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