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Weltraum Deutsches Raumfahrt-Start-up will erste Rakete in dieser Woche starten

60 Kilometer in die Höhe will das Unternehmen HyImpulse die Trägerrakete SR75 schicken. Foto: HyImpulse/dpa
60 Kilometer hoch will das Unternehmen HyImpulse seine Trägerrakete SR75 schicken – den Weltraum allerdings wird sie vorerst noch nicht erreichen
© HyImpulse/dpa
Erstmals seit Jahrzehnten könnte eine deutsche kommerzielle Trägerrakete abheben. Das Unternehmen sieht trotz starker Konkurrenz eine Chance für Raumfahrt "Made in Germany"

Schillernde Figuren wie Elon Musk und Jeff Bezos haben die private Raumfahrt bekannt gemacht. Doch auch kleinere Privatunternehmen wollen Richtung Weltraum abheben – auch solche aus Deutschland. Der erste Start einer Trägerrakete eines deutschen Start-ups ist für Donnerstag, 2. Mai, im australischen Koonibba geplant. Die zwölf Meter lange Rakete soll mit Kerzenwachs und Sauerstoff fliegen, die Grenze zum Weltraum allerdings nicht überschreiten. 

60 Kilometer in die Höhe will das Unternehmen HyImpulse die Trägerrakete SR75 schicken. Sie könne eine Nutzlast von 250 Kilogramm transportieren und sei auch in der Lage, ins All zu fliegen, sagt Co-CEO und Mitgründer Christian Schmierer. Im Rahmen der vorliegenden Genehmigung sei das diesmal jedoch nicht geplant. 

Die Ingenieure wollen das Triebwerk der Rakete testen, deren Antriebskonzept sei etwas Besonderes, denn sie fliegt mit Paraffin, also Kerzenwachs, und flüssigem Sauerstoff. An der Technik, die schon bekannt war, sich bisher aber bei Startraketen nicht durchgesetzt habe, arbeite man mittlerweile seit mehr als zehn Jahren, sagt Martin Tajmar, Experte für Raumfahrttechnik an der TU Dresden. "Es gibt keine kommerzielle Rakete, die so eine Technologie in Groß verwendet." 

Die vergleichsweise kleine Rakete SR75 soll demonstrieren, dass die neue Technologie prinzipiell funktioniert. Ist der Start erfolgreich, plant das Unternehmen den Bau einer größeren
Die vergleichsweise kleine Rakete SR75 soll demonstrieren, dass die neue Technologie prinzipiell funktioniert. Ist der Start erfolgreich, plant das Unternehmen den Bau einer größeren
© HyImpulse/dpa

Mit Kerzenwachs in den Weltraum

Die Idee sei, mit der Trägerrakete ein besseres Angebot für Kleinsatelliten zu machen, sagt Christian Schmierer. "Bisher gibt es vor allem Raketen auf dem Markt, die man sich wie Busse oder Züge vorstellen kann. Sie laden die Satelliten nur an bestimmten Orten im Orbit ab – wie an einer Haltestelle. Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi." 

Das hybride Triebwerk für festen und flüssigen Treibstoff mache sie günstiger, da weniger Bauteile nötig seien als bei herkömmlichen Antrieben. Die nächsten Starts seien bereits geplant, so der 36-Jährige. 

Die Rakete sei das erste Produkt von HyImpulse. Man arbeite an einer zweiten, größeren Version mit größerer Ladekapazität. In etwa eineinhalb Jahren sollen sie Satelliten ins Weltall transportieren.

Holt Deutschland im Wettlauf ins All auf?

Im Ganzen betrachtet sei es ein Nischenmarkt, sagt Raumfahrtexperte Tajmar. Die Welt schaue daher nicht auf den Start. Aber für Deutschland sei er ein wichtiges Event. Schließlich steht Europa in der Raumfahrt zurzeit blank da. Bislang haben die Raketen des Unternehmens Arianespace Satelliten in den Orbit transportiert. Ein Ariane-Launcher, der etwas ins All bringen könne, sei aber gerade nicht im Betrieb. 

Die Raketen von Tech-Milliardär Elon Musk seien in diesem Jahr für rund 90 Prozent aller weltweiten Raketenstarts zuständig, erklärt Tajmar. Der SpaceX-Gründer habe den Maßstab hochgelegt. "Da schauen alle nur ehrfürchtig zu und die Chinesen versuchen es zu kopieren." In China gebe es  jede Menge privater Start-ups, die auch schon ins All geflogen seien. Europa hinkt hinterher. 

Das Ziel: Billigflüge in den Orbit

Dass es in den USA und China bereits Anbieter von kleinen Raketen gibt, ist Schmierer bewusst. Die seien aber viel zu teuer, sagt er. Seine Firma wolle preislich deutlich attraktiver sein. 

Ein Start ihrer geplanten größeren kommerziellen Rakete werde etwa sechs Millionen Euro kosten. Pro Kilogramm Nutzlast berechne man etwa 6500 Euro. Dafür gebe es bereits viele Kundenanfragen, die Auftragsbücher seien gefüllt. Auch die Politik hofft auf Kostensenkungen durch die Nutzung privater Anbieter.

Wer braucht solche Satelliten-Taxis?

Zu den Kunden gehören laut Schmierer etwa Unternehmen der Automobilindustrie, die Satelliten für Navigation und autonomes Fahren ins All bringen wollen. Diesen Markt wolle man nicht China und den USA überlassen. "Wir brauchen auch als Europäer Unabhängigkeit von den Amerikanern, auch wenn sie unsere Partner sind."

Auch der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller kleinerer Raketen. Satelliten werden nach seiner Einschätzung immer kleiner werden. Die neuen Kleinraketen-Anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man schon zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, so der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München. Deshalb halte er die Ideen der Start-ups für richtig.

Der geplante Raketenstart wird nicht der erste einer privaten Trägerrakete aus Deutschland. Bereits in den späten 1970er-Jahren hatte eine deutsche Firma laut Walter eine Privatrakete als kostengünstigere Alternative entwickelt. Die Firma Otrag (Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft) habe damals einige Raketentests in Afrika durchgeführt. "Nach heutigem Sprachgebrauch würde man Otrag als Start-up bezeichnen." Die Firma wurde jedoch in den 1980er-Jahren liquidiert. 

Welche deutschen Firmen stehen noch in den Startlöchern? 

HyImpulse mit Sitz in der Nähe von Heilbronn ist nicht das einzige deutsche Start-up, das an der Entwicklung sogenannter Microlauncher arbeitet. Im Nachbarbundesland Bayern gibt es zwei Mitbewerber: Rocket Factory in Augsburg und Isar Aerospace nahe München. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren gegründet, arbeiten an Trägerraketen, mit denen Satelliten ins All befördert werden können, und planen demnächst erste Testflüge.

Allzu viele deutsche Anbieter werden sich trotz des Marktpotenzials dennoch nicht behaupten können, ist sich Walter sicher. 

dpa

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