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Migration Tödliche Flucht: Warum so viele Senegalesen trotz Lebensgefahr nach Europa aufbrechen

Abdou Aziz Niang ist 42 Jahre alt, er hat zwei Frauen, sechs Kinder, eine Piroge und große Pläne. Er spart Geld für eine Fahrt über den Atlantik, nach Spanien
Abdou Aziz Niang ist 42 Jahre alt, er hat zwei Frauen, sechs Kinder, eine Piroge und große Pläne. Er spart Geld für eine Fahrt über den Atlantik, nach Spanien
© Christian Bobst
Keine andere Route über das Meer ist so gefährlich wie diese: 6000 Menschen starben im vergangenen Jahr bei dem Versuch, von Senegal aus die Kanarischen Inseln zu erreichen - und damit Europa. Warum versuchen es so viele trotzdem? Ein Besuch bei dem Fischer Abdou Niang

Auf halbem Weg zum Horizont stechen die Scheinwerfer der Patrouillenschiffe in die Nacht. Abdou Niang drückt den Gashebel seiner Piroge nach rechts, weg von den Schiffen. Sein Onkel Moustapha Kane blickt ihnen mürrisch nach. Vor den beiden sitzt ein Freund auf der Bordwand, Kanes Bruder lehnt dagegen, am Bug hocken Niangs Sohn und ein Nachbarjunge. 831 Seemeilen sind es zu den Kanarischen Inseln, um den Zipfel von Dakar herum, dann nur noch nach Norden, fünf, sechs Tage auf See, wenn man Kurs hält. Doch schon nach ein paar Minuten stellt Niang den Motor ab, und sie treiben auf die Boje zu, an der ihr Fischernetz hängt. Sie wollen nicht nach Europa, nicht heute. Wenn er könnte, sagt Niang, würde er sich noch heute in eine der Pirogen setzen, die nach Spanien schaukeln. Bevor er gehen kann, muss er noch viele Fische fangen. Bislang hat er nicht einmal das Geld für einen Platz an Bord, er braucht zwei, für sich und seinen ältesten Sohn.

Niang ist 42 Jahre alt, er hat zwei Frauen, sechs Kinder, eine Piroge.

Wenn er wollte, sagt Kane, könnte er noch heute in ein Flugzeug steigen, das nach Spanien fliegt. Seit er vor knapp zwei Jahren von dort zurückgekehrt ist, muss er keine Fische mehr fangen.

Kane ist 52 Jahre alt, er hat drei Frauen, sechs Kinder, vier Pirogen.

Niang träumt von Kanes Leben.

Kane träumt von Niangs Tod.

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