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Mikrobiom Joghurt gegen Depressionen? Neue Erkenntnisse über die Wirkung von Probiotika

Milchprodukte: Käse, Joghurt, Butter und Milchkanne
Nahrung für die Seele: Bestimmte Milchsäurebakterien unterstützen das Immunsystem bei der Regulierung von Ängsten und Stress
© DEEPOL by plainpicture
Forschende haben herausgefunden, wie ein Bakterium, das in fermentierten Lebensmitteln und Joghurt vorkommt, dem Körper bei der Stressbewältigung hilft – und möglicherweise Depressionen und Angstzuständen vorbeugt. Diese Erkenntnisse wecken Hoffnung auf neuartige Therapien zur Behandlung seelischer Leiden

Unser Darm ist die natürliche Heimat unzähliger Mikroorganismen, die – so haben Forschungen der letzten Jahre enthüllt – entscheidende Schlüssel für unsere seelische und körperliche Gesundheit bereithalten. Vor allem die geschätzt rund 40 Billionen Bakterien, die im menschlichen Verdauungstrakt leben und das Mikrobiom bilden, sind offenbar entscheidend für unser Wohlergehen. Sie gehören in der Regel rund 500 verschiedenen Arten an. 

Gerät ihre Zusammensetzung aus der Balance, etwa durch schlechte Ernährung, Krankheit oder andere Ursachen, kann dies zur Entstehung etlicher Leiden beitragen und sogar die Ausbreitung von Krebs fördern. Ein Grund: Gewinnen zu viele schlechte Bakterien die Oberhand, führt dies mitunter zu kleinen Rissen in der Darmschleimhaut. Dadurch sind Krankheitserreger und Giftstoffe in der Lage, in unseren Blutkreislauf zu gelangen und eine Vielzahl chronischer Leiden auszulösen. Sogar psychische Erkrankungen wie Depressionen gehören dazu.

Probiotika scheinen die Stimmung aufzuhellen

Umgekehrt hat sich in einigen Studien gezeigt: Verändert man die Darmflora gezielt mit gutartigen Bakterien, sogenannten Probiotika, wirkt sich das bei manchen Menschen stimmungsfördernd aus. Probanden, die über einige Wochen hinweg etwa Bifidobakterien oder Laktobazillen (das sind Milchsäurebakterien, die etwa in Joghurt oder fermentierten Lebensmitteln vorkommen) zu sich nahmen, waren danach oftmals besser gelaunt oder reagierten auf negative Reize weniger stark als Vergleichspersonen.

In einem anderen Versuch fühlten sich Probanden, die für mehrere Wochen probiotische Milchprodukte schluckten, anschließend fröhlicher und gelassener. Und in ihrem Blut zirkulierten gegen Ende der Kur weniger Stresshormone als zu Beginn. 

3D - Illustration: Darm Mikrobiom und Mikrobiotika
Zahllose im Darm lebende Mikroben sorgen dafür, dass die Darmschleimhaut intakt bleibt und beugen so Erkrankungen vor
© Oleksandra Troian / Alamy Stock Photos / mauritius images

Bekannt ist, dass die probiotischen Mikroben sogenannte Interleukine produzieren. Das sind entzündungshemmende Botenstoffe, die helfen, die kleinen Risse der Darmschleimhaut zu reparieren. Außerdem fördern Probiotika die Entstehung von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und GABA – allesamt Substanzen, die maßgeblich an unserem Glücksempfinden beteiligt sind.

Laktobazillen beenden Depressionen bei Mäusen

Angesichts der schieren Menge unterschiedlichster Mikroorganismen, die sich im Darm tummeln, ist es allerdings sehr schwierig zu verstehen, welche Funktion bestimmte Bakterien genau übernehmen – und wie sie interagieren. Einem Team der University of Virginia ist nun ein beachtlicher Schritt gelungen. Schon frühere Experimente der Forschungsgruppe deuteten darauf hin, dass Laktobazillen Depressionen bei Labormäusen beenden können. In der aktuellen Untersuchung versuchte das Team herauszufinden, worauf dieser Effekt basiert und wie genau die Mikroorganismen zur Verbesserung von Stimmungsstörungen beitragen.

Dafür verwendeten die Fachleute eine besondere Mikrobensammlung, die zwei Laktobazillus-Stämme und sechs weitere Bakterienstämme umfasst. Unter Laborbedingungen gelang es ihnen, den Darm von Mäusen so zu manipulieren, dass eine Gruppe den entsprechenden Bakterien-Cocktail in sich trug, eine andere wiederum nicht. Dieser innovative Ansatz erlaubte es den Wissenschaftlern, den Wirkmechanismus konkret zu studieren.

Immun-Botenstoff ist auf Darmbakterien angewiesen

Es stellte sich heraus, dass Laktobazillen einer bestimmten Familie den Spiegel eines speziellen Immun-Botenstoffes namens Interferon gamma aufrechterhalten. Dieser reguliert die Reaktion des Körpers auf Stress und trägt zum Schutz vor Depressionen bei, führt das Forschungsteam in der im Fachblatt "Brain, Behavior, and Immunity" veröffentlichten Studie aus. Sei der Stoff in zu geringen Dosen vorhanden, könne dies etwa Angstzustände triggern.

Die Resultate sind insoweit bemerkenswert, als sie die immunologische Rolle von Laktobazillen erstmals genau identifizieren und die Wirkung des Bakteriums von anderen Mikroorganismen unterscheiden. Die Hoffnung der Forschenden: Maßgeschneiderte Probiotika auf Basis von Laktobazillen für den Darm könnten schon bald gängige Therapien zur Linderung von Ängsten und Depressionen standartmäßig ergänzen. Oder im besten Fall: mit dazu beitragen, dass behandlungsbedürftige Stimmungsstörungen bei vielen erst gar nicht entstehen.

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