Anzeige

Mit Kindern um die Welt Neuseeland - Eine Destination für die ganze Familie

Waikato, Neuseeland
Sattgrün wellt sich das Weideland bei te Rerenga auf Coromandel
© Justin Foulkes/Schapowalow
Drei Wochen am anderen Ende der Welt: Anna Wyatt war mit ihrer Familie auf Neuseelands Nordinsel unterwegs - zu menschenleeren Stränden, heißen Quellen, Orten mit unaussprechlichen Namen und Naturkulissen, die euphorisch machen

Es passierte mir etwa zur Halbzeit unserer Reise: Ich saß auf einem Berg auf der Coromandel-Halbinsel und heulte los. Unten, im weißen Sand der Opito Bay, spielte Nick mit den Kindern. Ich war den Küstenfelsen hochgeklettert, einen schmalen Trampelpfad entlanggelaufen und wollte nur mal eben die Aussicht genießen. Die endlose Weite, das schimmernde Meer, Grün in allen Schattierungen, blauer Himmel mit Wolken wie Badeschaum – da übermannte es mich. Ich hatte einfach nicht erwartet, dass es so schön ist.

Eigentlich wollten wir zum Otama Beach im Norden von Coromandel. Auf dem Wege dorthin waren wir in eine unspektakuläre Straße abgezweigt: Mal schauen, wo sie uns hinführt. Sie endete in einer Sackgasse mit ein paar Ferienhäusern, dort parkten wir unser Wohnmobil, schmierten Brote für alle – unser Kühlschrank reiste ja mit – und entdeckten diesen menschenleeren Strand, sogar mit einer Schaukel am Baum: Opito Bay. So habe ich Neuseeland wieder und wieder erlebt, bis wir uns alle daran gewöhnt hatten und es für selbstverständlich hielten: Du läufst einfach los, folgst einem Pfad, biegst um eine Kurve, es wird immer schöner, und du kannst es kaum fassen. Auch, dass fast keiner hier unterwegs zu sein schien – außer uns vieren: Anne, Nick, Oskar, 6, und Frieda, 2.

Ist Neuseeland etwas für kleine Kinder?

Für viele Familien ist Neuseeland derzeit das Traumziel für eine Elternzeitreise oder eine Auszeit vor der Schulzeit. Abenteuerlustige Leute aus aller Welt sind monatelang unterwegs auf der Nord- und der Südinsel, die zusammen ein Viertel kleiner als Deutschland sind, aber mit 4,9 Millionen nur etwa eine Million mehr Einwohner haben als Berlin. Es gibt 13 Nationalparks und unzählige Schutzgebiete, die oft nahtlos ineinander übergehen. Wir hatten nur gut drei Wochen Zeit und haben viel diskutiert: Lohnt es sich, dafür ans andere Ende der Welt zu fliegen? Meine Erwartungen hielten sich in Grenzen, außer: faszinierende Natur. Wir sind verrückt nach Tieren, dort ist die Fauna interessant, aber ungefährlich. Nick war nur schwer zu begeistern. Er liebt Australien und hielt Neuseeland für langweilig. Da kann man doch nur wandern, meinte er. Schließlich erkundigte ich mich bei Freunden, die seit Jahren auf der Nordinsel leben. Ist das was für Kinder? Zurück kam eine seitenlange E-Mail. Danach war es beschlossene Sache. Wir starteten im März, später Sommer auf der Südhalbkugel, Nachsaison, aber herrlich warm. Unser erster Urlaub im Wohnmobil: Bisher hatten wir eher Strandhütten in Thailand oder Indonesien gemietet oder eine Ferienwohnung in Sydney. Diesmal also ein Campervan im Linksverkehr. Das kleinste Modell schien uns genau richtig für die kurvigen Landstraßen Neuseelands. Ich war skeptisch, ob uns die Enge nicht auf den Keks gehen würde. Aber das einzig Nervige waren Blinker und Scheibenwischer, die wir anfangs immer verwechselten.

Glückliche Kinder und unaussprechliche Namen

Whangarei war unsere dann erste Station; unsere erste Wanderung bis zur Küste dauerte rund eine Stunde, der denkbar beste Einstieg: kein Strand, an den du direkt mit dem Auto ranfährst, immer ein Stück zu laufen. Baumfarne veredeln die Landschaft, ich hab mich vor lauter Grün gar nicht mehr eingekriegt, die Kinder rannten glücklich über die Wiesen. Unterwegs zur Smugglers Bay haben wir etwa fünf Leute getroffen und viel mehr Kühe. Spätestens seit Tutukaka avancierten die sensationellen, unaussprechlichen Ortsnamen zum Running Gag bei unseren Kindern. Wir waren erst nachmittags auf dem Campingplatz gelandet, hatten uns nach einem Spaziergang erkundigt und waren zum Leuchtturm losgezogen: über einen grünen Berg bis an den Strand, vom Strand in den Dschungel, die Sonne stand schon tief, das Licht war grandios, Wolken plusterten sich auf und färbten sich orange und violett … Bei Matapouri legten wir dann den nächsten Badetag ein – im Schutz der Whale Bay, im Schatten immergrüner Pohutukawa-Bäume. Den Wechsel zwischen Wander- und Strandtagen haben wir konsequent durchgezogen.

Te Pare Point, Neuseeland
Im Spot der Morgensonne eröffnet Te Pare Point im Osten der Coromandel-Halbinsel den Ausblick auf Inseln, Küste und Pazifik
© mauritius images / David Noton Photography / Alamy

Den Plan einhalten funktioniert als Familie nicht

Wir hatten uns viel vorgenommen: Die ganze Nordinsel wollten wir bereisen. Mit ihren 114 000 Quadratkilometern ist sie im Vergleich zur Südinsel die kleinere, landschaftlich weniger extrem, dafür dank ihres milderen Klimas umso grüner. Dennoch schrieben wir unseren Plan bald in den Wind. Bei den Strecken verschätzt man sich schnell. Von A nach B geht es fast immer auf Landstraßen, reich an Kurven und Serpentinen. Wir beschlossen, keine Hektik aufkommen zu lassen, und wählten das nächste Ziel aus dem Bauch heraus, nie länger als einen Tag im voraus. Wir ließen uns treiben vom Tempo der Kinder und blieben auch mal drei Tage am selben Ort.

Gern wären wir bis zum Cap Reinga gekommen, an die äußerste Nordspitze, wo die Wellen der Tasmanischen See und des Pazifiks spektakulär aufeinandertreffen. Die lange Fahrt wollten wir den Kindern aber nicht zumuten. Frieda wird spätestens nach einer Stunde unleidlich, dann braucht sie eine Tobepause. Selten sind wir mehr als drei Stunden an einem Tag gefahren. Gerade das erwies sich als besonderes Glück: Schön langsam erlebten wir alles viel intensiver. Die meiste Zeit haben wir in der Bay of Islands und auf der Coromandel-Halbinsel zugebracht, entdeckten einsame kleine Buchten, eine herrlicher als die andere. Unsere längste, nördlichste und schönste Tour absolvierten wir auf Urupukapuka, der größten von rund 140 Inseln in der Bay of Islands, von Russell aus in rund vierzig Minuten mit der Fähre zu erreichen. Ein Geheimtipp unserer Freunde – und ein Traum, sogar bei schlechtem Wetter. Normalerweise gehe ich gar nicht erst raus, wenn es regnet. Hier mussten wir am Fähranleger in Otehei Bay erst mal Capes kaufen, mit Kiwis drauf. Im warmen Regen stiefelten wir los, und schon für die erste Strandpause schien wieder die Sonne. Wir haben die ganze Insel umrundet, sechs Stunden dauerte das, immer in Etappen, über Klippen, von Bucht zu Bucht, mit Picknick, Ingwerkeks-Pausen, vielen Badestopps an geschützten Stränden – Indico Bay war der schönste, fanden wir. Frieda mit ihren zwei Jahren lief ohne zu maulen die ganze Tour, kein Stück mussten wir sie tragen! Auf Urupukapuka fahren keine Autos, nicht mal Straßen gibt es. Mit uns auf der Fähre kam eine Familie mit drei Kindern und Kinderwagen, die wollten auf der Insel zelten – das erschien uns dann doch recht sportlich …

Wäre das ohne Kinder schöner?

Manche Überraschung lag einfach am Wege. Kurz hinter Kawakawa stand so ein Schild an der Straße, »Kawiti Glow Worm Caves«. Natürlich bogen wir ab. Über einen Holzsteg spazierten wir ein paar Hundert Meter weit in die stalaktiten- und stalagmitengespickte Kalksteinhöhle, erleuchtet von Glühwürmchen, die in milchstraßenähnlichen Formationen die Felswände überzogen. Der Guide aus der Maorifamilie, der Land und Höhle gehören, erklärte uns das Phänomen. Der erste richtige Touristen-Hotspot – im wahrsten Sinne des Wortes – war dann der Hot Water Beach auf Coromandel. Der Strand ist riesig und gut besucht: Bei Ebbe kann man heiße Quellen finden und sich direkt im Sand einen Pool buddeln, der sich umgehend mit warmem Wasser füllt, eine Gaudi für groß und klein. Es war schon dunkel, als wir mit dem Wohnmobil ankamen. Geht bloß nicht gleich schlafen, meinte der Typ vom Campingplatz und empfahl uns die Nachtwanderung: Also packten wir Schaufeln und Taschenlampen ein, sogar Glühwürmchen leuchteten uns den Weg zum Strand. Es war schon nach zehn, als wir schließlich im heißen Wasser saßen und aufpassten, dass sich keiner die Füße verbrennt. Oskar und Frieda waren begeistert. Und wir guckten verzückt in den Sternenhimmel. Wäre das ohne Kinder schöner?

Nick und ich werden oft als Egoisten bezeichnet, weil wir Oskar und Frieda von klein auf in ferne Länder schleppen statt auf heimische Bauernhöfe. Aber was wäre die Alternative, wenn man Kinder hat und die Welt sehen möchte – 20 Jahre warten? Unsere Kinder sind schon ziemlich herumgekommen, von Thailand bis Barbados. Fremde Kulturen, exotisches Essen und vor allem Menschen, die anders aussehen als wir, kennen sie aus eigenem Erleben – immer waren sie offen und neugierig. Und wir? Klar müssen wir auf manches verzichten: Stundenlang mit einem Buch an den Strand legen können wir uns nicht. Wir sind ständig mit den Kindern beschäftigt. Aber immer draußen, in freier Natur. Spielzeug brauchen die gar nicht. Höchstens mal einen Spielplatz. Zu zweit würden wir weiter wandern, abenteuerlichere Dschungeltouren unternehmen. Zu viert halten wir Maß: bisschen wandern, bisschen klettern, baden … länger bleiben, wo es uns gefällt. Unsere Kinder machen eine Menge mit und finden das cool. Wir inzwischen auch: Slow travel.

Cathedral Cove, Neuseeland
Wie eine Skulptur ragt der Te-Hoho-Felsen am Strand von Cathedral Cove auf. Wind und Wasser haben ihn geformt
© mauritius images / robertharding / Ian Trower

Erinnerungen an einen unvergesslichen Familienurlaub

Rotorua war unsere letzte Station. Die Gegend ist bekannt für blubbernde Schlammtümpel und geothermische Aktivitäten. Die haben wir im Wai-O-Tapu Thermal Wonderland studiert, zwischen wassergefüllten Vulkankratern und dampfenden Teichen, die Champagne Pool, Rainbow Crater oder Devil’s Bath heißen. Von blau bis giftgrün schillern die Seen, orange, rot, braun, schwarz oder weiß die Uferterrassen und Felsen – je nachdem, welche chemischen Verbindungen hier den Farbton angeben und wie das Licht gerade fällt. Die Kinder fanden das spannend, bis ihnen der allgegenwärtige Schwefelgeruch auf den Wecker ging. Unser Lager haben wir direkt am Lake Tikitapu aufgeschlagen, dem kleinsten der Seen dieser Region – glasklar und leuchtend blau. Da waren wir schon derart verwöhnt von all den Stränden, Küsten und Felsen, dass wir uns fast wie in Brandenburg fühlten. Nach einer Runde um den See gab es ein Barbecue am Ufer, und die Kinder konnten noch lange draußen spielen.

Frieda redet noch heute vom Meer, dort möchte sie bald wieder baden. Oskar schwärmt vom Wohnmobil, das war für ihn wohl das größte Abenteuer. Die Kinder fanden es toll, morgens die Tür aufzumachen, rauszuspringen und loszulaufen, möglichst noch im Schlafanzug. Oder gleich nach dem Frühstück auf dem Trampolin vom Campingplatz herumzuturnen. Abends, wenn sie in der Koje schliefen, stellten wir unsere Klappstühle unter den Sternenhimmel und probierten unbekannte Biersorten, bis wir auch da unseren Favoriten gefunden hatten: Das mit dem Wolfskopf auf dem Etikett, Mac’s Three Wolves Craft Beer Pale Ale.

Nächster Urlaub: Neuseelands Süden

Neuseeland ist einfach mega entspannt. Natur zu durchstreifen ist dort eine Lebens- und Daseinsform. Man kommt schnell mit den Leuten ins Gespräch, sie geben Supertipps, ob der Koch am Imbiss, Einheimische und Mitreisende. Für Reisende wie uns bietet das Land zu seinen überwältigenden Schauplätzen auch alle Annehmlichkeiten. Jedes Dorf hat einen kleinen Supermarkt, jedes Kaff Takeaways, überall bekommt man guten Kaffee. Unser Porta Potti, die tragbare Toilette, haben wir nicht einmal benutzt. Auf jedem Campingplatz waren die Waschräume in Schuss, nie fehlte auch nur das Toilettenpapier.

Wir haben die Weite genossen, die menschenleeren Strände, die Freiheit, einfach irgendwo hinzufahren, ohne lange zu planen. Die Nordinsel hat uns schon sehr überzeugt. Jetzt sind wir gespannt auf die Südinsel, da wollen wir möglichst bald hin. Nur eine Erwartung wurde enttäuscht: Viel zu selten haben wir auf all den grünen Hügeln Schafe weiden sehen, stattdessen jede Menge Kühe. Dass Neuseeland mehr Schafe als Einwohner hat, ist längst nicht mehr offensichtlich. 27,6 Millionen verzeichnete die Statistik 2016, knapp sechs pro Einwohner. Anfang der 1980er-Jahre waren es noch 22 pro Mensch. Seitdem sanken die Wollpreise, in China erstarkte die Konkurrenz, immer mehr Farmer gaben auf oder setzen auf Milchvieh. Tagelang haben wir Schafe gesucht und die Kinder vertröstet. Bis uns ein Schild an der Straße den Weg zur nächsten Schaffarm wies. Dort haben wir eine Vorführung besucht und Lämmchen gefüttert. Oskar durfte helfen, ein Schaf zu scheren. Die Wolle liegt heute bei uns in der Küche. Oskar hütet sie wie das Goldene Vlies.

Geo Saison Extra Nr. 01/2019 - Reisen mit Kindern 2019

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel