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Peter Wohlleben Waldbrände nützen der Natur? Eine gefährliche Sichtweise!

Nach einem extrem regenarmen Winter und geringer Schneedecke haben die Waldbrände im dürregeplagten Kalifornien in diesem Jahr ungewöhnlich früh angefangen
Nach einem extrem regenarmen Winter und geringer Schneedecke haben die Waldbrände im dürregeplagten Kalifornien in diesem Jahr ungewöhnlich früh angefangen
© Noah Berger/AP/dpa
Jedes Jahr neue Schreckensmeldungen: Tausende Quadratkilometer Wald stehen in Flammen! Solche Feuersbrünste, sagen einige, gehörten zum natürlichen Ökosystem. Förster Peter Wohlleben hält dies für eine gefährlich falsche Sichtweise

Wir alle haben noch die verheerenden Waldbrände der letzten Jahre vor Augen. Ob Sibiriens rauchende Taiga, ob Kaliforniens Feuer, denen auch Tausende Häuser zum Opfer fielen, Australiens Buschbrände, die sich auf einer Fläche von über 120000 Quadratkilometern ausdehnten oder Brasiliens Regenwälder, bei denen Profitgier von Großgrundbesitzern im Vordergrund stand: Immer wurden riesige wertvolle Ökosysteme zerstört. Und auch momentan stehen wieder Wälder in Flammen, in Italien, in Griechenland und in der Türkei.

In die Meldungen mischen sich jedoch immer wieder auch mahnende Stimmen, die bemerkten, dass Waldbrände bis zu einem gewissen Ausmaß zum Ökosystem Wald dazugehörten. Mit Ausnahme des Regenwaldes sei ganz im Gegenteil der Brandschutz der letzten Jahrzehnte, bei dem jedes Feuer unterdrückt worden sei, Ursache für die derzeitigen Megabrände. Es hätte sich so viel Reisig am Boden angesammelt, dass die Flammen nun viel zu viel Nahrung gefunden hätten.

Ich muss diesen Theorien heftig widersprechen. Natürlich gibt es Baumarten, deren Samen nach einem Feuer besser keimen.

Sie gehören zu den Pyrophyten, also den feuerliebenden Pflanzen. So etwa der nordamerikanische Mammutbaum, dessen Rinde dick, weich und vor allem flammhemmend und hitzeisolierend ist. Der Baum selbst mag nämlich gar keine Brände; lediglich seine Samen finden bessere Bedingungen zum Keimen, wenn zuvor ein Bodenfeuer durch den Wald gezogen ist.

Mit dem Menschen kamen die Waldbrände

Ohne Brand würde es allerdings auch funktionieren, und so stellt sich die Frage, ob der Mammutbaum tatsächlich ein Feuerökosystem braucht oder nur in einem Worst-Case-Szenario überleben kann. Sicher gibt es auch Waldbrände mit natürlichen Ursachen, wie etwa Blitzeinschlag. Doch in aller Regel herrscht dann ein Gewitter mit heftigen Regenfällen, die große Feuer unwahrscheinlich machen.

Womöglich haben wir Menschen die Pyrophyten durch unser Zündeln erst so stark gefördert, dass sie mittlerweile große „feuerliebende“ Ökosysteme bilden. Australien ist dafür das beste Beispiel.

Vor der Besiedelung durch den Menschen waren Brände dort eine Rarität. Doch seit der Ankunft der ersten Siedler vor rund 50000 Jahren gerieten Feuer nicht nur immer wieder außer Kontrolle, sie wurden sogar ganz gezielt eingesetzt, um die Landschaft zugunsten der Menschen zu verändern. Abgebrannter Busch wurde übersichtlicher und ließ sich leichter bejagen. Nicht nur die Vegetation, sondern auch die Tierwelt passte sich dieser Praxis an.

Feuervögel können weitere Brände ent­fachen

So sengen auf dem fünften Kon­tinent drei Greifvogelarten selber, wie etwa der Schwarzmilan: Er kann zwar nicht aktiv Feuer machen, aber durch den Transport glimmender Holzstücke weitere Brände ent­fachen. An deren Rändern patrouilliert er anschließend auf der Suche nach aufgescheuchtem Getier.

Weil unsere Vorfahren schon seit rund 1,5 Millionen Jahren rund um den Globus zündeln, ist eine strikte Trennung zwischen natür­lichen Feuern und Brandstiftung kaum noch möglich. Gehört der Mensch nicht auch zur Natur, zumindest bis zum Beginn des Ackerbaus, als wir begannen, ganze Landschaften umzubauen?

Für Australien lässt sich dies bejahen, für Kanadas Westküste nicht. Auch hier toben regelmäßig riesige Brände, auch hier wird dem gezielten, kleineren Feuer das Wort geredet. Doch in diesen Urwäldern gibt es kaum brennbares Material am Boden. Die Bäume schaffen sich ihr eigenes, feuchtes Lokalklima, in dem Humus und dicke, tote Stämme als Wasserspeicher eine große Rolle spielen.

Hinwendung zu feuchten Laubwäldern

Wenn Forstwirtschaft allerdings massiv eingreift, ändert sich die Lage: Sie produziert große Kahlschläge und lässt dann die Reste, tonnenweise Äste und Kronenteile, schutzlos in der Sonne trocknen. Da wundert die Zunahme an brennbarem Material nicht. Ein Funke: Schon lodern ganze Bergmassive auf. Ein untrügliches Zeichen für unnatürliche Waldbrände ist es, wenn die Bäume komplett verbrennen.

Das ist ein Ereignis, was in dem oft 1000-jährigen Baumleben sicherlich nicht eingeplant ist. Wir sollten also daran arbeiten, Wälder wieder so zu stärken, dass in ihnen Flammen keine Chance haben. In Mitteleuropa bedeutet dies die Abkehr von leicht brennbaren Nadelplantagen und die Hinwendung zu stabilen, feuchten Laubwäldern.

Dieser Beitrag stammt aus Wohllebens Welt Nr. 06/2020. Das Naturmagazin von Peter Wohlleben und GEO erscheint viermal im Jahr. Verpassen Sie keine Ausgabe mehr! Lesen Sie Wohllebens Welt im Abo und genießen Sie viele Vorteile.

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