Seit Jahrtausenden ranken sich Sagen und Mythen um die Mistel: Schon keltische Druiden hielten das Sandelholz-Gewächs für ein All- heilmittel gegen Krankheiten und Dämonen. Naturärzte preisen bis heute seine segensreiche Wirkung — bei Krämpfen, zu niedrigem Blutdruck, Schwindel, Herzstörungen.
Dass der krautigen Pflanze besondere Kräfte zugeschrieben werden, hat wohl auch damit zu tun, dass sie hoch oben in den Zweigen von Bäumen wächst und auch dann noch grünt, wenn in der Natur schon alles kahl ist. Daher fällt sie uns eigentlich nur jetzt in den Wintermonaten auf: buschartige Gewächse mit einem Durchmesser von einem Meter und mehr, an denen erbsengroße weiße Kugeln hängen.
Vögel verbreiten die Früchte von einem Baum zum anderen. Hat ein Samen ausgetrieben, nutzt die nun entstehende Pflanze den Baum, auf dem sie lebt, rigoros aus, um an lebenswichtige Mineralstoffe und Wasser zu kommen. Dazu treibt sie tiefe Wurzeln ins Holz ihres Wirts und zapft auf diese Weise dessen Leitungsbahnen an: Die Säfte des Baums nähren nun auch die Mistel.
Da sie aber selbstständig Photosynthese betreibt, also das Licht der Sonne zu nutzen weiß, um energiereichen Zucker herzustellen, zählen Biologen die Mistel nicht zu den Voll-, sondern zu den Halbschmarotzern.Auch kann sie ihrem Wirt in der Regel nicht viel anhaben; es bleibt für ihn genug zum Leben übrig.
Allerdings: Je milder die Winter sind, desto mehr können sich die immergrünen Aufsitzer ausbreiten. Sind die Äste eines Baums mit sehr vielen Büschen bestückt, besteht die Gefahr, dass er schwächer wird, eingeht und schließlich zu Fall kommt.
Das aber wäre auch das Ende der Mistel. Denn auf dem Boden kann sie nicht sprießen.