Am Schlossplatz, auf dem 3000-Quadratmeter-Sockel des einstigen Kaiser-Wilhelm-Monuments, soll es stehen: Deutschlands „Einheits- und Freiheitsdenkmal“. Wie wird es aussehen? Und benötigt es überhaupt den staatstragenden Sockel? Exklusiv für dieses Heft entwarfen drei Berliner Kreativbüros Ideen – für einen Ort ihrer Wahl. Sie krönten etwa das Brandenburger Tor mit einer silbernen Banane. Ließen Autos durch ihre Abgase an Ballons aufsteigen, bedruckt mit Ost-West-Marken. Oder schufen am Pariser Platz eine Karambolage aus Autos der BRD und DDR, umkreist von Bankautomaten in der Zahl der Bundesländer. Hier die Vorschläge im Einzelnen.
Banane
Das Büro: osa_office for subversive architecture
Die Internet-Adresse:www.osa-online.net
Der Vorschlag:
"Die Banane als Form für das Ge-Denken an die Deutsche Einheit hat viele Lesarten und versteht sich im besten Sinne als Denkanstoß – und nicht als Denkmal. Als Einheitsdenkmal schlagen wir eine silberne Banane vor, die an einem geschichtsträchtigen Ort, der in einem Abstimmungsverfahren durch die Bürger bestimmt wird, aufgestellt werden soll. In keiner Weise beabsichtigt OSA, die friedliche Revolution von 1989 und deren Protagonisten aus der Bürgerrechtsbewegung zu diskreditieren. Im Gegenteil: Die Überhöhung der Banane im Denkmal für die Deutsche Einheit banalisiert jeden Versuch, den Prozess der Einigung durch irgendeine Art von Pathos vorzeitig für abgeschlossen zu erklären.
Die Einheit an sich ist noch kein Wert. Die Frage, was uns eint, wird täglich neu verhandelt und diskutiert. Es geht um Werte, die sich weiterentwickeln müssen. Dies bedarf, gerade in der augenblicklichen Krisenzeit, solcher Kräfte aus dem bürgerlichen Lager, die mit Herz und Verstand auftreten, um den allzu lauten, mit Ängsten polemisierenden Stimmen entgegenzutreten. Denn der großen Masse ging und geht es – tatsächlich und ganz banal – mehr um die Banane.
Wir schlagen deshalb einen Bürgerentscheid vor: Die silberne Banane wird den Bürgern als unverhandelbares Fixum vorgegeben. Die Bevölkerung soll in einem moderierten Abstimmungsverfahren lediglich entscheiden, an welchem Ort sie installiert werden soll. Dazu wird die Banane jeweils für einige Wochen probeweise an verschiedenen Orten aufgestellt: vor dem Reichstag, vor dem Hamburger Bahnhof, am Standort des Stadtschlosses oder auf dem Brandenburger Tor. Die Bürger können sich für oder gegen einen Standort aussprechen oder einen neuen vorschlagen, der bei ausreichender Zustimmung in die Reihe der Probestandorte aufgenommen wird. Die Reise der Banane hat so ein offenes Ende...
Auch die Größe der Banane ist vom Bürgerentscheid abhängig. Ob die Banane dann am Ende die Quadriga ersetzt oder verschämt klitzeklein in einem Hinterhof versteckt wird, ist weniger wichtig als vielmehr aufschlussreich – als Indikator für die in diesem Prozess angeschnittenen Diskussionen."
Karambolage
Das Büro: Raumtaktik
Die Internet-Adresse:www.raumtaktik.de
Der Vorschlag:
"Ein Denkmal für die Freiheit und Einheit Deutschlands ist keine einfache Aufgabe. Ein komplexes Thema. Die ganze interkulturelle Kompetenz unseres Büros war gefordert. Ost- und Westdeutsche, Italiener, Chinesen, Niederländer. Historiker, Architekten, Stadtplaner.
Verschiedene Ideen wurden entwickelt und geprüft. Heiß im Rennen war eine Dreiergruppe aus Bronze. In der Mitte Helmut Kohl, dreifache Lebensgröße, an der linken Hand Angela Merkel, doppelte Lebensgröße, an der rechten Hand Wolfgang Schäuble im Rollstuhl, ebenfalls zweifache Lebensgröße. Allerdings fanden unsere ostdeutschen Mitarbeiter, dass Ostdeutschland unterrepräsentiert sei. Auch der Hinweis, dass hier die Traditionen des sozialistischen Realismus und der sowjetischen Monumentalfigur aufgegriffen wurde, konnte sie nicht beruhigen. So wurde diese Idee verworfen.
Im bürointernen Wettbewerb setzte sich eine Collage durch. In der Mitte eine große Banane in Gold – als Zeichen für den ostdeutschen Freiheitswillen. Darum ein Kreis aus Autos – deutsche Identifikationsobjekte. Zur Hälfte schwarze Mercedes, zur anderen Hälfte rote Trabanten. Die Autos sind wie nach einem Autounfall ineinander verkeilt, um zu zeigen, dass a) Freiheit in Deutschland nur in automobiler Fortbewegung möglich ist, b) das Zusammenwachsen von Ost und West nicht problemlos verlief und c) dass Ost und West unzertrennlich verbunden sind. Farblich ergibt sich so der charmante Dreiklang Schwarz-Rot-Gold.
Doch das Denkmal soll nicht auf einer symbolischen Ebene verharren, sondern tatsächlich zum Sinn stiftenden Ort werden, insbesondere in Zeiten der Finanzkrise. Um die Autos wird deshalb ein Ring aus 16 Geldautomaten aufgestellt, der die Länder der Bundesrepublik verkörpert, schließlich ist Deutschland kein Zentralstaat. An diesen Automaten können in Zukunft wichtige Fördermaßnahmen ausgeschüttet werden. Zum Beispiel die aktuellen Konjunkturpakete der Bundesregierung: Bei einer Höhe von 250 Milliarden Euro könnte sich jeder Bundesbürger rund 3000 Euro abholen! Oder die 10 Millionen zur Errichtung des Denkmals: 10 Euro für eine Millionen Berlin-Besucher, auch in Erinnerung an das Begrüßungsgeld. Immer wieder finden sich so neue Gelegenheiten, der Deutschen Einheit zu Gedenken.
So wird das Denkmal über seine ästhetische Qualität und inhaltliche Präzision hinaus zum funktionalen Sinnstifter für das vereinigte Deutschland. Für Freiheit und Einheit."
Ballons
Das Büro: Skulpturenpark Berlin_Zentrum
Die Internet-Adresse:www.skulpturenpark.org
Der Vorschlag:
"Es handelt sich hier um ein dezentrales ortloses Monument, welches in ganz Deutschland in unterschiedlichsten Konstellationen auftauchen wird. An unzählige Autofahrer werden die speziell angefertigten Ballons verteilt, die am Auspuff befestigt mit den heißen Autoabgasen aufgeblasen werden können.
Alle Ballons sind mit der glücklichen Produktwelt aus Ost und West bedruckt und werden über diese Werbeeinnahmen auch mitfinanziert."