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Interview: Rendezvous mit Victoria

Fotograf Harf Zimmermann durfte auf dem Berliner Allerheiligsten fotografieren: auf dem Brandenburger. Im Gespräch erzählt er von weichen Knien und den Stunden mit der Siegesgöttin

GEO Special: Das Brandenburger Tor hat wohl schon jeder Tourist in Berlin betrachtet, doch die wenigsten schauen von dem Monument auf die Touristen. Ein erhabener Anblick?

Harf Zimmermann: Auf dem Brandenburger Tor zu stehen, ist ein großes Privileg. Die Kriegsfotografen aller Siegermächte, berühmte Kollegen, haben von dort fotografiert. Beim Aufstieg fühlte ich mich aber eher wie ein Schornsteinfeger. Man klettert über eine immer kleinere Treppe auf einen Dachboden, zwängt sich durch eine Luke – und dann guckt man mit dem Kopf aus dem Tor. Mit weichen Knien.

Auf der heiligen Kuh der Berliner Behörden: GEO-Special-Fotograf Harf Zimmermann
Auf der heiligen Kuh der Berliner Behörden: GEO-Special-Fotograf Harf Zimmermann
© Jacques Canton-Larcher
Der Zufall spielte Fotos eines unbekannten DDR-Grenzers in die Hände. Harf Zimmermann nahm die Motive nun aus gleicher Perspektive auf – wie die Sicht vom Brandenburger Tor auf den Pariser Platz
Der Zufall spielte Fotos eines unbekannten DDR-Grenzers in die Hände. Harf Zimmermann nahm die Motive nun aus gleicher Perspektive auf – wie
die Sicht vom Brandenburger Tor auf den Pariser Platz
© Harf Zimmermann

GEO Special: Wie sind Sie überhaupt nach oben gelangt – haben Sie einfach beim Pförtner geklingelt und sind dann hochgestiegen?

Harf Zimmermann: Von wegen. Das Brandenburger Tor ist die heilige Kuh bei allen Berliner Behörden. Der Senat musste die Aufnahmen Monate im Voraus genehmigen. Am großen Tag aber habe ich dann zwei Stunden dort oben fotografieren dürfen, sogar nach Feierabend des Verwalters.

GEO Special: Waren Sie gesichert? Das Brandenburger Tor ist immerhin 26 Meter hoch.

Harf Zimmermann: Gesichert war ich nicht. Deshalb durfte ich bei schlechtem Wetter auch nicht auf das Dach: Wenn es nass und windig ist, rutscht man leicht aus. Wir haben ein halbes Jahr auf die Aufnahmen gewartet, auch weil es seit Oktober immer wieder geregnet und geschneit hat.

GEO Special: Sie sind der Siegesgöttin Victoria ganz nah gekommen. Wie gut erhalten ist die Dame?

Harf Zimmermann: Sie ist sehr schön und eine gute Bekannte von mir. Ich habe schon vor acht Jahren die Restaurierung des Brandenburger Tors fotografiert.

GEO Special: Für GEO Special fotografierten Sie Orte in Berlin, an denen die Mauer verlief - aus der gleichen Perspektive wie ein unbekannter Grenzer zu DDR-Zeiten.

Harf Zimmermann: 900 Bilder aus dem Mauer-Archiv habe ich durchgeschaut – da zieht eine unheimliche Kälte in einem ein. Man darf auch nicht vergessen: Für die alten Aufnahmen hat jemand von oben den Todesstreifen fotografiert, aus der Perspektive konnte sonst niemand die Mauer sehen.

Checkpoint Charlie an der Friedrichstraße: Anfangs nur eine Baracke, an der US-Soldaten beim Übergang nach Ostberlin kontrollierten
Checkpoint Charlie an der Friedrichstraße: Anfangs nur eine Baracke, an der US-Soldaten beim Übergang nach Ostberlin kontrollierten
© Harf Zimmermann
Heute fällt der Blick vom Reichstagsufer auf die Glas- und Betonfassade des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, des Informationszentrums des Bundestages. Zu Mauerzeiten überragte im Osten ein Wachturm den Spreebogen
Heute fällt der Blick vom Reichstagsufer auf die Glas- und Betonfassade
des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, des Informationszentrums des Bundestages.
Zu Mauerzeiten überragte im Osten ein Wachturm den Spreebogen
© Harf Zimmermann

GEO Special: Haben Sie es als befreiend empfunden, diese Fotos von Berlin heute - ohne „antifaschistischen Schutzwall“ und Wachtürmen - zu machen?

Harf Zimmermann: Berlin ohne Mauer ist immer wieder eine Befreiung. Früher war sie die unüberwindliche Grenze meines Reiches oder das, was ich dafür hielt. Das war so grausam – und ist gar nicht so lange her.

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