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Endlich verstehen Warum merken wir nichts davon, dass die Erde mit mehr als 100.000 km/h durchs All rast?

Die Geschwindigkeit der Erde
Die Erde dreht sich um die Sonne und sie rotiert um sich selbst. Doch von beiden Bewegungen spüren wir nichts
© kaipong / Fotolia
Die Erde fliegt mit 107.000 km/h um die Sonne – und wir mit ihr. Dennoch merken wir nichts davon. Warum ist das so und was würde passieren, wenn die Erde plötzlich still stünde?

Wenn wir auf dem Fahrrad strampeln, bläst uns der Wind ins Gesicht und zeugt von Geschwindigkeit. Reiten wir im Galopp auf einem Pferd, spüren wir das Tempo mit jeder Bewegung, die das Tier macht. Im Auto werden wir beim Beschleunigen in die Sitze gedrückt, in der Kurve zur Seite geneigt, beim Bremsen nach vorn gezogen. Und im ICE zeigt uns der Blick aus dem Fenster, wie rasant wir durch die Landschaft flitzen.

Die Erde aber ist noch sehr viel schneller. Jedes Jahr legt sie bei ihrer Umrundung der Sonne rund 940 Millionen Kilometer zurück. Sie fliegt demnach mit 107.000 km/h, das entspricht der 30-fachen Geschwindigkeit einer Pistolenkugel. Dennoch merken wir nichts davon.

Um eine Bewegung spüren zu können, ist egal, wie schnell wir uns absolut bewegen. Entscheidend ist, wie stark wir beschleunigen oder abbremsen. Sitzen wir etwa als Passagiere im Flugzeug, dann drückt es uns in die Polster, wenn der Jet über die Startbahn rollt und in den Himmel zieht – also während er beschleunigt. Doch hat das Flugzeug seine Reisegeschwindigkeit erreicht, merken wir kaum mehr, dass wir uns bewegen, auch wenn wir mit bis zu 900 km/h durch die Atmosphäre fliegen. 

Bezogen auf die Erde bedeutet das: Würde sie immer gleich schnell pfeilgerade nach vorne fliegen, hätten wir prinzipiell keine Chance zu unterscheiden, ob die Erde rast oder stillsteht. Beides würde sich gleich anfühlen. 

Allerdings wird die Erde immerzu zur Sonne beschleunigt – dadurch ergibt sich die ellipsenförmige Bahn unseres Planeten. Die Erde liegt also in der Kurve, allerdings in einer extrem extrem weiten Kurve. Der Effekt auf die Erde ist daher minimal. Vergleichbar ist dies mit einem Karussell: Wenn es sich schnell im Kreis dreht, scheint uns die Zentrifugalkraft nach außen zu ziehen. Doch bei einem langsamen Karussell, das ein Jahr braucht, um sich zu drehen, läge die Zentrifugalkraft weit unterhalb unserer Wahrnehmungsschwelle. 

Weil kein Wind unsere Haare verwirbelt, glauben wir im Innenraum eines Flugzeugs stillzustehen

Es gibt noch weitere Gründe, warum wir die Drehung nicht merken. In einem Flugzeug spüren wir die rasante Geschwindigkeit nicht, weil sich die Luft um uns herum im Innenraum des Flugzeugs mitbewegt – genauso schnell wie wir. Säßen wir auf einer Tragfläche, wäre das etwas ganz anderes: Dort würden wir durch Luft sausen, die sich nicht mitbewegt, die uns durch ihren Reibungswiderstand bremsen – und uns vom Flügel herunterdrücken würde.

So ist es auch mit der Erdbewegung. Weil alles um uns herum – Bäume, Meere und selbst die Atmosphäre – ebenfalls mit der Erde reist, nehmen wir die Bewegung nicht wahr. Sogar die Atmosphäre schmiegt sich aufgrund der Erdanziehung um unseren Planeten, während der durchs All rast. Nichts stört diese Gashülle oder zerrt an ihr, denn die Erde fliegt durch den leeren Raum.

So gesehen gleicht sie dem Flugzeug, das die Luft im Innenraum mit sich transportiert. Und daher verspüren nicht mal einen richtigen Fahrtwind.

Allein die Gestirne am Himmel sind nicht Teil des Systems "Planet Erde" und verändern ihre Position, während die Erde sich bewegt. Doch weil sie enorm weit weg sind und unser Heimatplanet ein ganzes Jahr braucht, um die Sonne zu umrunden, kann man dessen Geschwindigkeit an ihnen ohne genaue Untersuchungen kaum erfassen.

Käme die Erde zum Stillstand, würden die Ozeane aus ihren Becken schwappen

Dass wir Sterne, Planeten und Sonne dennoch in jeder klaren Nacht am Firmament auf- und untergehen sehen, liegt an einer zweiten Bewegung der Erde: Sie dreht sich einmal am Tag um sich selbst. Die Eigenrotation spüren wir ebenfalls nicht direkt, da sich auch hier unsere Umgebung mit uns dreht und weil die Drehung immer noch recht langsam ist. Dennoch ist sie messbar. Anders als in Flugzeug und Bahn, wo wir in der Kurve zur Seite weggedrückt werden, führt die Rotation dazu, dass wir am Äquator scheinbar nach oben wegbeschleunigt werden. Der Effekt ist klein, aber messbar: Wer sich am Äquator auf eine Waage stellt, bekommt ein minimal kleineres Gewicht angezeigt, als wenn er oder sie die Messung an den Erdpolen wiederholt. 

Käme unser Planet allerdings plötzlich zum Stillstand – gleichgültig, ob er nun seine Rotation beenden würde oder die Wanderung um die Sonne –, würden wir das sehr wohl bemerken und zwar drastisch. Denn wie ein Autofahrer, der bei einem Auffahrunfall nicht angeschnallt ist, würden sich die Menschen – und alles, was nicht fest mit der Welt verankert ist – erst einmal noch weiterbewegen.

Das heißt: Autos würden durch die Gegend fliegen; Meere aus ihren Becken schwappen. Und alle Erdbewohner würden meilenweit durch die Luft geschleudert.

Erschienen in GEOkompakt Nr. 35

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