Sie werden „Geisterteilchen“ genannt, und kein anderer Ausdruck wäre wohl passender. Denn Neutrinos sind weder zu sehen noch zu spüren, und ihre Eigenschaften sind so unglaublich, dass sie unseren Verstand an seine Grenzen bringen. Kann man sich Geschosse vorstellen, die wie Neutrinos eine dicke Felswand durchdringen, als sei sie eine Nebelbank? Mehr noch: Sie können unseren Planeten passieren, als sei er nicht vorhanden. Und fliegen selbst durch die Millionen Grad heiße und ungeheuer stark zusammengepresste Materie im Inneren eines Sterns, ohne Schaden zu nehmen. Es scheint, als könnte nichts sie aufhalten oder auch nur ablenken.
Neutrinos rasen auf ihrem Weg durchs All annähernd so schnell wie das Licht, und ihre Massen sind viel, viel kleiner als selbst die der winzigen Elektronen, die den Kern von Atomen umschwirren. Zudem sind sie so zahlreich, dass es die Vorstellungskraft sprengt: Pro Sekunde durchschießen mehr als 60 Milliarden Geisterteilchen jeden Quadratzentimeter unseres Körpers, ohne dass wir etwas davon spüren. Diese seltsamen, rätselhaften Teilchen gehören zweifellos zu den verblüffendsten Erscheinungen des Weltalls.
Geisterpartikel? Einige sind so alt wie das Universum
Und das Besondere: Sie bieten Forschern Einblicke in kosmische Vorgänge, die sonst verborgen blieben. Denn Neutrinos erreichen uns auch aus Regionen des Alls, von denen aus nie ein Lichtstrahl zu uns dringen wird – etwa von weit entfernten Sternen-Explosionen oder den Materiestrudeln massereicher Schwarzer Löcher, die sich im Zentrum vieler Galaxien befinden. Studieren Forscher Neutrinos, gewinnen sie also auch wertvolle Erkenntnisse über andere Phänomene. Doch damit nicht genug: Manche Geisterpartikel sind gerade eben erst gebildet worden, während andere so alt sind wie das Universum: Sie entstanden mit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren und durcheilen seither in einer nie endenden Reise die gigantischen Weiten des Raumes.