Frau Wieschalla, Sie beraten Menschen, die mit ihren Eltern in Streit geraten. Warum entzünden sich so oft Konflikte, wenn Mutter und Vater alt werden?
Wenn die Eltern in die Jahre kommen, gibt es grundsätzlich zwei Konfliktherde: Zum einen können sowohl Kinder als auch Eltern im Angesicht des letzten Lebensabschnitts den Drang verspüren, Themen anzusprechen, die ihnen schon lange zu schaffen gemacht haben; etwa eine empfundene Vernachlässigung in der Kindheit, eine Bevormundung in der Jugend oder erlittene Kränkungen.
Zum anderen sind die gegenseitigen Erwartungen konfliktträchtig. Die erwachsenen Kinder etwa meinen, die Eltern müssten sich mehr um ihre eigene Gesundheit bemühen, vorsorgen, Vorbereitungen für die letzten Fragen treffen. Die Eltern erwarten womöglich umgekehrt, dass sich die Kinder uneingeschränkt und klaglos für sie einsetzen, endlich "zurückgeben", was man für sie zu früheren Zeiten getan hat. Auch wenn beide Seiten viele Jahre ihr eigenes Leben gelebt haben, entwickelt sich, wenn die Eltern alt werden, häufig das Gefühl: Jetzt müssen wir wieder aufeinander zugehen.
Verkehrt sich dann, wie es oft heißt, das Verhältnis? Werden die Eltern allmählich zu Kindern, die Kinder zu Eltern?