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Sächsische Schweiz Die spinnen, die Sachsen! Auf den Spuren der ersten Kletterer

Überhangmandate: Bernd Arnold und Günter Lamm klettern "unten ohne" nach ganz oben, etwa an den Affensteinen
Überhangmandate: Bernd Arnold und Günter Lamm klettern "unten ohne" nach ganz oben, etwa an den Affensteinen
© SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Frank Richter
Das Elbsandsteingebirge gilt als Wiege des Freikletterns. Aus purer Lust am Abenteuer wagten sich hier schon vor über 150 Jahren sächsische Kletterer in die Vertikale. Unser felsenfester Autor stieg ihnen nach – und lernte in der Sächsischen Schweiz eine alte, neue Perspektive aufs Klettern kennen

Klettern, dachte ich, das sind tänzerische Choreografien in der Vertikalen. Nun jedoch verkeile ich meinen Kör­per in einem schmalen Spalt zwischen zwei feuchten Felswänden. Meine Knie presse ich in die modrige, von Moosgeflechten bewucher­te Wand vor mir, mein Rücken schrammt über den rauen Sandstein hinter mir. Zentimeter für Zentimeter krieche ich so nach oben, der wund gescheuerte Rücken schmerzt, die blau angelaufenen Knie pochen.

"Alles in Ordnung?", brüllt eine raue Männerstimme von oben den Schacht hinunter. "Ja, ja", keuche ich. Und frage mich, wie der Mann, dem die Stimme gehört, das wohl geschafft hat.

Matthias Krell ist 48 Jahre alt, trägt eine eckige Brille in silbernem Gestell und ein ausgebleichtes, langärmeliges T-Shirt, unter dem sich ein Wohlstandsbäuchlein abzeichnet. Er steht auf einem schmalen Vorsprung über dem "Kamin", wie solche Felsschächte von Bergsteigenden genannt werden. In seiner Rechten hält er ein Sicherungsgerät und das Seil, an dessen Ende mein Klettergurt eingebunden ist.

Matthias führt mich auf die Gipfel jener Felsen, an denen einst eine Bande, nun ja, Bekloppter eine neue Sportart erfunden hat: das Freiklettern. Denn schon vor mehr als 150 Jahren kraxelten hier, in den dichten Wäldern der Sächsischen Schweiz, junge Männer in die Vertikale, "gesichert" allein durch ein lose um den Bauch gebundenes Hanfseil, das ab und an über hervorstehende Felszacken gelegt wurde.

Und tatsächlich sichern die sächsischen Kletterer der Gegenwart kaum anders: Sie popeln Reepschnüre durch Löcher im Gestein oder friemeln Stoffknoten in Felsspalten. Metallene Klemmkeile oder in den Fels gebohrte Sicherungshaken? Ein Tabu! Ich muss Matthias fragen, warum das so ist, denke ich, als ich mich aus dem Schacht quäle und mir ungelenk einen Felsenplatz neben ihm suche. "Ging doch ganz gut", feixt er. Ich atme. Und hebe mir die Frage für später auf.

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