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Eiderstedt Diese friesische Halbinsel steckt voller Highlights

St. Peter-Ording
Mächtig aufgehübscht hat sich in den vergangenen Jahren St. Peter-Ording, mit seinem breiten, zwölf Kilometer langen Sandstrand und den markanten Pfahlbauten am Meer
© reichdernatur / Fotolia
Schmucke Dörfer, alte Höfe, ein historischer Hafen, Pfahlbauten und tief fliegende Kugeln: Horizonterweiternde ­Erkundungen auf der friesischen Halbinsel Eiderstedt

Inhaltsverzeichnis

Zugegeben, ich war weltfremd. Bis ich die kleine Gemeinde auf der Halbinsel Eiderstedt entdeckte: Welt, gut 200 Einwohner, Ortsschilder, die gerne fotografiert und zuweilen geklaut werden, und auf der Anhöhe die schlanke St.-Michael-­Kirche mit der wertvollen Orgel des königlich-preußischen Hoforgelbaumeisters Sauer. Hinter dem Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr liegt der Bolzplatz, Austragungsort der Welt-Meisterschaften. Vor allem aber gilt Welt als Zentrum des Boßelns, jener bei den Friesen sehr beliebten Sportart, bei der Holz- oder Gummikugeln über Felder und Straßen geschleudert werden.

Mit Torge Meister ist ein Welt-Bürger Deutscher Boßelmeister in der Disziplin Gummi, er schaffte mit zehn Würfen 2216 Meter. Torges Vater Kai, Wirt im Kirchspielskrug Welt, zeigt mir im Vereinszimmer des BV Eider­bund stolz die Trophäen, zu denen auch Kugeln der Gegner gehören. Ansonsten geht es in Welt eher ruhig und gelassen zu. Ach ja, im Jahr 2020 fliegen verstärkt Boßelkugeln über das flache Land, es finden die Boßel-Europameisterschaften der Frauen und Männer statt – mit dem Ruf: »Lüch up un fleu herut!« (Hebe auf und fliege weit hinaus!).

Was es auf Eiderstedt zu entdecken gibt

Dass Eiderstedt eine kleine Welt für sich ist, kann man leicht übersehen, wenn es nur eilig auf der B5 nach Föhr, Amrum oder Sylt geht. Im Laufe von Jahrhun­derten wurde die Halbinsel dem Meer abgerungen, durch Eindeichungen zusammengefügt aus den drei Inseln Everschop, Eiderstedt und Utholm. Seit 1973 schützt das gigantische Eidersperrwerk an der Flussmündung die Menschen vor Sturmfluten: 250 Tonnen schwere, bewegliche Stahltore stemmen sich der Nordsee entgegen oder lassen die Eider ins Meer fließen.

Für Fischer und Segler öffnet sich eine Schleuse, in der Küstenseeschwalben nisten. Dahinter eine von Meer, Wind und Menschenhand geprägte Landschaft: Vom Wind gebeugte Bäume säumen die Straßen, auf höher liegenden Warften thronen Kirchen und Gutshäuser, Wolkengebilde ziehen über Äcker und Wiesen. Die Sonne spiegelt sich in Wassergräben wie am Leuchtturm Westerheversand.

Westerheversand
Die Sonne spiegelt sich in Wassergräben wie am Leuchtturm Westerheversand
© imageBROKER / Alamy Stock Photo

Die interaktive Erlebnisausstellung im Multimar Wattforum in Tönning beschert ein Wie­dersehen mit den Small Five des Wattenmeers: Wattschnecke, Sandgarnele, Strandkrabbe, Herzmuschel und Wattwurm. In Aquarien tummeln sich kleingefleckte Katzenhaie und Fleck­rochen. Ich staune, dass es mit der Toten Mannshand sogar eine Korallenart in der Nordsee gibt.

Ein wuchtiges Packhaus, in dem Waren umgeschlagen wurden, erinnert am Tönniger Hafen an die Zeiten, als die Stadt bis zum Bau des Nord-Ostsee-Kanals ein bedeutender Handelsplatz war. Mit seiner Zugbrücke, dem Glockenturm und weißen Giebelhäusern bietet der Hafen einen behaglichen deutsch-dänisch-niederländischen Stil-Mix, den die ehemalige Fischereigenossenschaft, jetzt Krabben und Fisch Tönning, mit so preiswerten wie leckeren Schollen, Fischbrötchen oder -suppen noch schmackhafter macht (Am Eiderdeich 12). Es ist das Besondere an Eiderstedt, dass sich dort, wo man nichts außer Wiesen und Felder vermutet, Schmuckstücke verbergen. Tetenbüll etwa, für mich das schönste Dorf der Halbinsel. Kopfsteinpflaster-Gassen umgeben die um 1400 gebaute Kirche St. Anna.

Im Haus Peters, einem Kolonialwarenladen von 1820, kaufe ich »Snoopkraam«, Süßigkeiten, und tauche – der niedrigen Decken wegen – gebeugt in das dörfliche Wohnen und Arbeiten von damals ein. Monika und Redlef Volquardsen wandelten den elterlichen Rindermastbetrieb in die Friesische Schafskäserei um, brachten ökologischen Landbau und Naturschutz in Einklang: Ihre 120 Milchschafe teilen sich Grünflächen mit Kiebitzen, Feldlerchen und Uferschnepfen. Rund 200 versteckte Schätze präsentiert der Verein Eiderstedter Kultursaison in der letzten Augustwoche.

Dann öffnen sich sogar Haubarge, die noch landwirtschaftlich genutzt werden: Diese typischen Bauernhäuser, von denen noch rund 45 existieren, ragen wie Inseln aus der Landschaft hervor. Vier oder acht hohe Kiefern­ständer tragen das riesige Dach, unter dem Heu und Getreide gelagert wurde, umringt von Ställen, Wirtschafts- und Wohnräumen. Als Restaurant und Mu­seum lässt sich der Rote Haubarg in Witzwort jederzeit besichtigen – allerdings ist er nicht rot, sondern weiß ge­tüncht.

Mächtig aufgehübscht hat sich in den vergangenen Jahren St. Peter-Ording, mit seinem breiten, zwölf Kilometer langen Sandstrand und den markanten Pfahlbauten am Meer. Den etwas sperrigen Ortsnamen verkürzten Trendsetter auf SPO, seit Wind- und Kitesurfer den Altersdurchschnitt senken und legere Hotels wie das StrandGut-Resort oder das Beach Motel jüngere Gäste an­locken. Im noch immer beschaulichen Ortsteil Dorf gehe ich im Museum Landschaft Eiderstedt auf Zeitreise: Die Entwicklung »Vom Armenhaus zum Bade­paradies« lässt sich eindrucksvoll nachvollziehen (Olsdorfer Str. 6).

Die besten Orte zum Einkehren

Ein Frühstück unter Apfelbäumen serviert Clare Döhring-Schogs in ihrem Landcafé éclair, mit hausgemachten Marmeladen und Chutneys, köstlichem Käse und würziger Wurst. Wer Eiderstedter Spezialitäten wie Mehlbeutel (ein Serviettenkloß aus Kartoffeln und Mehl) mit Kassler und Kirschsoße oder Wiensupp (Graupen-­Rosinen-Weinsuppe) probieren will, ist im Kohstall der Familie Bohns in Poppenbüll richtig.

Mit einem üppigen Stück Pflaumenkuchen verwöhnt mich das Schweizer Haus in Tating, ein Spaziergang durch den angrenzenden Hochdorfer Garten, eine ­barocke Oase mit Linden und Apfelbäumen, ist dann Pflicht. Kreativ kombiniert Axel Kirchner in seiner auf Pfählen erbauten Strandhütte in SPO Internationales mit Heimischem, zum Beispiel Gelbschwanzmakrele mit Ziegenkäse, dazu Meerblick »sieben Meter über dem Alltag«.

Schöne Unterkünfte auf Eiderstedt

Den Charme eines Dorfgasthofs erhalten und mit 20 individuell eingerichteten Apartments zu einem schmucken Gästehaus ausgebaut haben Nicole und Assmus Buttge ihren Wellenreiter in Tating: Hinter der sorgsam restaurierten Fassade findet sich die alte Gaststube; der Saal, bis 1975 als Turnhalle genutzt, dient als großzügiges Wohnzimmer der Gäste. Historische Balken wurden frei­gelegt, moderne Bäder eingebaut, Komfort trifft auf Retro-Chic. »Wir wollten ein authentisches Stück Eiderstedt erhalten und zugleich moderne Wohlfühl-Räume schaffen«, sagt Architekt Assmus Buttge – und das ist mehr als gelungen (Apartment ab 128 €, Mindestaufenthalt zwei Nächte).

Statt Zimmernummern tragen die Stuben im Strandhotel Zweite Heimat die Namen von alteingesessenen Eiderstädter Familien, der Stil nordisch-warm, der Strand ganz nah (DZ/F ab 198 €). Hotels und Ferienwohnungen vermittelt auch die Tourismuszentrale.

GEO Saison Nr. 06/2019 - Im, am & unter Wasser

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