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Raus aufs Land! So entspannt ist die Uckermark

Uckermark, Warnitz, Oberuckersee
Wenn die Sonne bei Warnitz im Oberuckersee versinkt, hat sie bei warmem Wetter ein sehr andächtiges Publikum
© Hardy Mueller
Im Norden von Brandenburg endet der Asphalt und statt Ampeln geben Wiesen grünes Licht. In Fergitz in der Uckermark genießt man das Dorfleben, die Natur und schönste Badeseen

Der Oberuckersee: Ein See mit Geschichte

Er plätschert, rauscht und blubbert – vielleicht erzählt mir der Oberuckersee gerade seine Geschichte. Eine Insel mit einer slawischen Burgruine kommt garantiert darin vor und ein Schwarm Gründlinge. Ich lasse mich auf dem Rücken treiben, die Beine und Arme gestreckt. Schaue lange in den Himmel, bis eine kleine Welle über mein Gesicht schwappt.

Eine Böe kräuselt das Wasser, und während meine Arme Kreise ziehen, sehe ich am gegenüberliegenden Ufer eine Handvoll Häuser neben dunkelgrünen Baumkronen und Feldern, die sich bis zum Horizont wölben. Mit jedem Zug rücken sie näher – und die Großstadtbilder in meinem Kopf verziehen sich.

Endlich, nach Tagen, an denen mir die Berliner Sonne schon am Vormittag den Schweiß auf die Stirn trieb! Während ich an meinem Schreibtisch über Texten brütete, waren meine Gedanken längst in Brandenburg, beim Wind, der Kornfelder kämmt, bei den kühlen Seen, bei Spaziergängen barfuß: beim langen Wochenende im Landkreis Uckermark, kaum eine Autostunde nördlich.

Die Uckermark: geschichtsreicher Kulturraum in Brandenburg

Auf der uckermärkischen Landstraße, die gut zehn Kilometer vor dem Ziel von der Autobahn abzweigt, ist außer einem radelnden Postboten in der Ferne kein Mensch zu sehen. Dafür kommen Maisfelder in Sicht, Kuhwiesen und wie Kaugummi lang gezogene Dörfer mit hübschen Backsteinkirchen. So sieht auch Fergitz aus, wo mein Freund und ich auf „Gut Fergitz“ wohnen werden. Als wir aus dem Auto steigen, rascheln die Kronen der Akazien-, Pflaumen- und Walnussbäume im fünf Hektar großen Garten.

Der Besitzer Ferdinand von Hohenzollern, Architekt in Berlin, hat zwei Pavillons auf die Wiese in Brandenburg gesetzt, Kuben, die traditionelle Mauern und moderne Fassaden versöhnen. Drum herum hat er einige Natursteinwände der ehemaligen Scheunen und Stallungen stehen lassen, als Riesenskulpturen erinnern sie an eine Vergangenheit als Adelslandsitz. In den Ferienwohnungen gibt es Kamine, minimalistische Möbel und abstrakte Kunst an den Wänden.

Würden wir durch die bodentiefen Fenster nicht Kormorane über den uckermärkischen Oberuckersee fliegen sehen, könnte das hier auch ein Loft in Berlin sein. Über pudrige Sandwege spazieren wir ins Dorfzentrum. Schön restaurierte Bauernhäuser blinzeln auf die einzige gepflasterte Straße. In Vorgärten blühen Rosen und Margeriten. Das Brummen in der Luft stammt von Bienen, weit und breit fährt kein Auto. Auch den letzten Bus für heute haben wir verpasst, er hat das 60-Seelen-Dorf gegen Mittag verlassen.

Neben der Haltestelle steht unter Baumriesen die mittelalterliche Backsteinkirche mit ihrer wuchtigen Pyramidenturmkappe. Wann waren wir zuletzt in einer Kirche? Aus dem Portal weht es uns angenehm kühl entgegen. Protestantisch schlicht sieht der Raum aus, trotzdem staunen wir: Im Hauptschiff steht ein mit weißem Tuch bedeckter Tisch, darauf ein Kaffeekessel, Teller, Servietten, ein Haselnusskuchen, eine Kassenschatulle und eine Grußkarte: "Lassen Sie es sich gut schmecken! Die Fergitzer Bäckerinnen".

Uckermark
Felder voller Sonnenblumen verwandeln die Uckermark in den Sommermonaten in einen farbenreichen Ort
© Hardy Mueller

Fergitz: Natur pur in der Uckermark

Gisela Escher ist eine der Bäckerinnen und Mitglied des uckermärkischen Vereins Kirchenhus Fergitz. Die 75-Jährige wohnt im Bauernhaus nebenan. Über den Gartenzaun erzählt sie uns, dass sie heute bereits gebacken habe. Einen Kuchen pro Tag und drei am Wochenende spendeten die Vereinsfrauen, erfahren wir weiter, und dass jeder Euro in der Kasse in die Restaurierung der Kirche flösse, dies sei Ziel des Vereins. 60 Mitglieder hat er, fast ganz Fergitz.

"Derzeit backen wir für eine Kirchenglocke", sagt sie und: "Mohnkuchen mit Stachelbeerschicht geht am besten." Als neulich am Sonntagabend der Tagesspendenrekord mit 189,52 Euro gebrochen wurde, ist sie zu der Bäckerin geradelt, um ihr zu gratulieren. "Das gemeinsame Engagement schweißt zusammen", sagt Gisela Escher. "Die Menschen hier brauchen eigentlich sehr lange, bis sie mal einen Schnack halten. Aber es klappt." Das können wir bestätigen.

Am Abend grillen wir im Garten. Stare sammeln sich in den Pappeln am Ufer, es sind Hunderte, vielleicht Tausende Sänger. Auf dem Heimweg in die Ferienwohnung hatte uns eine Frau erzählt, dass sie die Wäsche nicht mehr auf der Leine trocknen könne, weil die Vögel alles mit Holunder- und Kirschflecken übersäten.

Die Natur im brandenburgischen Landkreis markiert ihr Revier, auch in unserem Wohnzimmer: Nach dem Essen fliehen wir vor dem aufziehenden Gewitter von der Terrasse ins Trockene, wo das Licht der Lampen Scharen von Schnaken angelockt hat. Sie tupfen die Rahmen der Kunstwerke mit schwarzen Pünktchen. Mit Blitz und Donner verabschiedet sich der Tag. Wir schauen dem Himmelskrawall zu, beobachten, wie der Regen in Strippen auf den See fällt, horchen auf die Bäume, die im Wind knarren.

Der Morgen beginnt im Pflaumenbaum, mit Früchten, die wir in den Kronen pflücken. Nach der Kletterpartie radeln wir auf krummen Pfaden ins Blaue. Über uns kreist ein Bussard. Wir halten an, um, wie als Kinder, Springkrautfrüchte zu schnipsen. Wenn man die prallen Kapseln berührt, platzen sie auf, eine erbsenkleine Kugel schießt heraus und kitzelt die Fingerspitzen. Ein Traktorfahrer, der uns entgegenkommt, hebt die Hand zum Gruß, als wären wir Bekannte.

Uckermark
Eingebettet in Weiden und Felder liegt Fergitz; Spaziergänger werden hier allerhöchstens von neugierigen Rindern beäugt
© Hardy Mueller

Zu Besuch im uckermärkischen Dorf Kaakstedt

Im uckermärkischen Dorf Kaakstedt steht eine Frau mit grauen welligen Haaren und Kittelschürze hinter einer Gartentür und mustert uns lächelnd. „Wo wollt ihr hin?“, fragt sie. Eigentlich hätten wir kein Ziel, antworte ich, darauf bittet sie uns kurzerhand auf ihren Hof. Marlene Bork heißt unsere spontane Gastgeberin.

Ihr Mann Hubert mit beigefarbener Schiebermütze und blauem Unterhemd sitzt in der Hollywoodschaukel und wedelt mit einer Fliegenklatsche. Hinter ihm, an der Wand eines Schuppens, reihen sich ein gutes Dutzend Hirschgeweihe: „Die habe ich alle auf Äckern in der Nähe gefunden.“

Wie viele alteingesessene Uckermärker arbeiteten die Borks zu DDR-Zeiten in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, er als Traktorist und seine Frau im Stall. Die Erinnerung der 80-Jährigen klingen frisch, etwa, wenn sie vom Kneipier Erich Otto erzählen, bei dem die Kaakstedter einst ihr Bier tranken und plauderten. „Auch einen ‚Konsum‘ gab es früher“, sagt Marlene Bork. Beide bedauern, dass ihr Dorf immer mehr schwindet.

Zum Abschied zeigen die Borks uns die roten Tomaten im Gewächshaus und ihre Zuchttauben. Das Freiluftgehege ist selbst gebaut aus Holzleisten und Hühnerdraht. In dem gut mannshohen Quader sitzen zehn Vögel auf Stangen, gurren und blinzeln schläfrig. „Es macht mir Freude, Zeit bei ihnen zu verbringen.“ An einem Ort ohne Schwund – in den Nestern schlüpft immer neues Leben.

Auf dem Rückweg nach Fergitz radeln wir die Hauptstraße entlang durch Flieth und Suckow, die aus aneinandergereihten Bauerngärten bestehen. Darin sind kleine Verkaufsstände aufgebaut, mit Gemüse, selbst gemachten Marmeladen und Eiern. In Sukow treffen wir auf eine Frau mit wehenden, langen braunen Haaren, die zwei Esel an der Leine führt. Als Katrin van Zwoll stellt sie sich vor. Sie bietet Eselwanderungen an, eine der Attraktionen im Landkreis Uckermark.

Wir folgen ihr zur nahen Koppel, wo uns Elli, Esmeralda, Edda, Emil und Elias, ihre Zwerg-, Haus- und Großesel, entgegentrotten. „Sie tragen aber nur das Gepäck und sind keine Reittiere“, erklärt sie streng und fügt hinzu: „Recht stur sind sie und eigenwillig, was aber gute Eigenschaften sind.“ Das sehen wir Hauptstädter ganz genauso.

Friedrichswalde, Krummer See, Uckermark
590 Seen gibt es im Naturpark Uckermärkische Seen. Autorin Julia und ihr Freund sind am Krummer See bei Friedrichswalde gestrandet
© Hardy Mueller

Uckermark: Die besten Tipps und Adressen rund um Fergitz

Ansehen und Erleben

  • Karl Flach: Kahl und flach war die Fergitzer Badestelle am Oberuckersee einst, daher der Name. Jetzt säumen Pappeln und Schilf den Sandstrand und die Liegewiese.
  • Liesje Trecking: Ein Pferd zieht den Planwagen mit vier Betten, Essplatz, aber ohne Kühlschrank und Toilette. Man macht sich nach einer Einweisung allein auf den Weg. Gerswalde, Friedenfelde Dorf, Tel. 0152-36 64 61 64, www.liesje-trecking.de, 4-Tage-Tour ab 560 €
  • Eselwandern: Mit Packeseln geht’s durch das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, übernachtet wird auf Höfen. Flieth-Stegelitz, Suckow 41, Tel. 0170-245 00 55, www.celine-aktiv-reisen.de, 3-Tage-Tour inkl. Ü/F ab 228 € p. P.
  • Radeln und Seefahren: Schon wegen der einsamen Landstraßen lässt sich die Region prima per Rad erkunden. Otto-Mobils vermietet ganzjährig, auch Kanus und Kajaks. Flieth-Stegelitz, Pfingstberg 5, Tel. 039887-57 03, www.kanuverleih-uckermark.de, Rad ab 10 €/Tag, 2er-Kajak ab 25 €/Tag

Essen und Trinken

  • Gaststätte Kastanienhof: Die Bratkartoffeln, die Inhaberin Elke Voß serviert, schmecken fantastisch. Und braucht das Schnitzel etwas länger, kann man in der gut sortierten Bücherecke schmökern. Flieth-Stegelitz, Gartenstr. 3, Tel. 039887-513, www.kastanienhof-uckermark.de
  • Café zum Löwen: Uckermärker und Exilberliner treffen sich im ehemaligen Dorfgasthof, wo es heute zu Cappuccino und Espresso zum Beispiel Cheesecake und japanische Reisbällchen gibt, Lieblingsspeise der japanischen Besitzer. Gerswalde, Dorfmitte 7, www.ayumisaito.com/zumlowen

Schlafen rund um Fergitz

  • Gut Netzow: Vor den Fenstern der fünf Ferienwohnungen kann man Kraniche und mit etwas mehr Glück Fischotter beobachten. Nicht nur Minihausschwein Horst Schlemmer fühlt sich hier wohl. Templin, Gut Netzow, Tel. 03987-20 16 84, www.gutnetzow.de, ab 65 €, bis 6 P.
  • Straussenhof Berkenlatten: Die bis zu 180 Kilogramm schweren Vögel laufen das ganze Jahr lang über die Wiesen. Nahe am Gehege stehen zwei Ferienhäuser und eine Hütte mit Outdoor-Dusche. Gerswalde, Berkenlatten 7, Tel. 039887-50 87, www.ferienhaus-uckermark.net, ab 80 €, bis 3 P.
  • Gut Fergitz: Bis 1945 gehörte das Anwesen der Adelsfamilie von Arnim, zu DDR-Zeiten züchtete die LPG Kaakstedt hier Kälber, und seit 2001 ist das große Grundstück am Oberuckersee ein kleiner Architektur- und Kunstpark: Das Ensemble dominieren zwei zu modernen Kuben umgebaute historische Siedlerhäuser mit vier Ferienwohnungen. Gerswalde, Fergitz 1–4, Tel. 0171-261 77 47, www.gut-fergitz.de, ab 85 €, bis 3 P.
  • Rote Scheune: Der ehemalige Kuhstall, überragt von alten Kastanien im wilden Garten, ist heute ein Ferienheim; die Besitzer vermieten eine cool designte Gästewohnung. Gerswalde, Fergitz 7, www.rote-scheune.com, ab 110 €, bis 4 P.
GEO Saison Nr. 05/2017 - Raus aufs Land

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