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Portugal Beeindruckend und gefährlich: Die riesigen Wellen von Nazaré

Die größten Wellen in Nazaré erlebt man zwischen November und Februar
Die größten Wellen in Nazaré erlebt man zwischen November und Februar
© Ingo Kutsche / imago images
Die gigantischen Wellen von Nazaré sind weltberühmt- und berüchtigt. Bigwave-Surfer und Schaulustige zieht es jedes Jahr auf der Suche nach spektakulären Wellenritten und neuen Rekorden an die Atlantikküste. Wie die Riesenwellen vor Portugals Küste entstehen und was sie so gefährlich macht

"Mach hier nicht die Welle" wird schon mal gesagt, wenn jemand eine Situation "flach" halten soll. Im portugiesischen Fischerdorf Nazaré ist genau das Gegenteil der Fall. Hier sind hohe Wellen vor der Küste mehr als erwünscht. Der Ort hat sich zum Hotspot für Surferinnen und Surfer entwickelt und die größten Wellen der Welt: bis zu 30 Meter und höher türmen sich die Wassermassen auf. Die Riesenwellen sorgen für lebensgefährliche Weltrekorde und ziehen Massen von Schaulustigen an.

Nazaré: Wellen waren einst ein Geheimtipp für Surfer

"Wittwenmacher" wird das Strandgebiet an der Atlantikküste von Portugal bereits seit Jahrhunderten genannt und das zu Recht. Hier sind zahlreiche Fischerboote den gigantischen Wellen zum Opfer gefallen. Trotz der offensichtlichen Ausnahmewellen war das Fischerdorf in der Gemeinde Praia Norte bis zur Jahrtausendwende jedoch ein Geheimtipp unter Surfern.

Bis dahin galten die Wellen vor Hawaii als das Non-Plus-Ultra und größte Herausforderung für Wellenreiter und Surferinnen – bis der bekannte Surfer Amerikaner Garrett McNamara auf den Wellen-Hotspot aufmerksam wurde oder besser gesagt: aufmerksam gemacht wurde. Der Legende nach soll es der Bürgermeister von Nazaré gewesen sein, der den Anstoß für den Rekordversuch gegeben hat.

Riesenwellen versprechen Rekorde an der Atlantikküste

McNamarra packt der Ehrgeiz und er selber sein Surfboard für den Flug nach Portugal ein. Bis zu 30 Meter hohe Wellen – das kann der Big-Wave-Surfer sich nicht entgehen lassen. Und tatsächlich schafft er einen neuen Weltrekord: Am 1. November 2011 reitet Garrett MacNamara eine 23 Meter hohe Welle vor der Küste von Nazaré ab. Er bekommt einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde und das bis dahin kleine Fischerdorf den Status als weltweites Surferparadies.

Seitdem locken die Wellenritte Schaulustige und Touristen aus der ganzen Welt in die Gemeinde Praia Norte – rund 120 Kilometer von Lissabon entfernt. Der örtliche Leuchtturm mit seiner vorgelagerten Steinplattform ist die perfekte Basis, um die Riesenwellen und die halsbrecherischen Manöver der Surferinnen und Surfer zu beobachten.

Die Nazaré Wellen sind weltweit berüchtigt
November 2022: Bei den Big-Wave-Events der World Surf League in Nazaré treten die besten Surferinnen und Surfer der Welt an
© NurPhoto / imago images

Immerhin wird das Gewicht einer solchen Welle auf rund 500.000 Tonnen geschätzt. Bis zu 80 Kilometer pro Stunde können die aufgetürmten Wassermassen schnell werden. Surfende beschleunigen teilweise auf mehr  als 100 Stundenkilometer.

Wassermassen türmen sich zu Monsterwellen auf

Wie aber kommt es nun ausgerechnet an diesem schmalen Küstenstreifen in Portugal zu der außergewöhnlichen Wellenbildung? Die Erklärung ist ebenso so einfach wie logisch. Man könnte sogar sagen geo-logisch:

  • Direkt vor der Küste ist der Nazaré Canyon, eine mehr als 230 Kilometer lange und bis zu fünf Kilometer tiefe Meeresschlucht.
  • Der Unterwasser-Canyon endet erst wenige Hundert Meter vor dem Strand.
  • Über dem Canyon laufen die Wellen schneller als über dem flachen Festlandsockel. Sie überlagern sich deshalb und wachsen an.
  • Am Kopf und damit Ende des Canyons werden die Wellen abrupt gestoppt.
  • Die Folge: der sogenannte Shoaling-Effekt: Die Länge der Wellen wird kleiner. Stattdessen entlädt sich ihre Energie woanders – in die Höhe.
  • Zusätzlich kommt den Wellen vor dem Strand durch einen vorgelagerten Felsensockel eine Meeresströmung entgegen. Das bringt den finalen Anschub in die Höhe – fertig ist die Monsterwelle.

Kein Wunder also, dass die weltweit einzigartigen Wasserwände seit dem ersten Weltrekord durch Garrett McNamara die internationale Surfelite geradezu magnetisch anlockten. Die größten Wellenhöhen gibt es windbedingt im Herbst und Winter.

Sebastian Steudtner wird Weltmeister

So hat der Brasilianer Rodrigo Koxa am 8. November 2017 eine rund 24 Meter hohe Welle abgeritten und damit den bestehenden Weltrekord eingestellt. Allerdings durfte Koxa diese Ehre nur bis zum 29. Oktober 2020 für sich in Anspruch nehmen. Der deutsche Sebastian Steudtner setzte mit einer gut 26 Meter hohen Welle eine neue Bestmarke und ist seitdem amtierender Weltmeister im Big-Wave-Surfen.

Wellenenergie in Nazaré birgt Lebensgefahr

Trotz der optischen Leichtigkeit, mit der die Surferinnen und Surfer vor dem Wellenberg hergleiten, sind die Wassergiganten lebensgefährlich. Es gab schon Verletzungen und auch Profisurfer, die bewusstlos aus dem Wasser gezogen wurden – was die Frage aufwirft, wie die Wellenreiter eigentlich in die Nähe der Wasserberge kommen, ohne schon vorher in Grund und Boden gewirbelt zu werden.

Wer an Surfer denkt, hat automatisch ein typisches Bild vor Augen: Wellenreiter sitzen entspannt auf ihren Brettern, paddeln langsam mit den Händen auf die Welle ihre Träume zu, bevor sie aufs Board steigen und entspannt lossurfen. In Nazaré geht das aus verständlichen Gründen nicht. Bevor auch nur ein Handpaddelschlag getan wäre, hätten die Surferinnen und Surfer angesichts der Wellengewalt mehr damit zu tun, ihr Leben und das Board zu retten.

Monsterwellen für Surfer nur mit Motor erreichbar

Schaulustige bei den Wellen von Nazaré
Vor Nazaré brechen sich im Winter die größten Wellen der Welt – lange galten sie für Surferinnen und Surfer als unbezwingbar
© Wirestock / imago images

Tatsächlich ist das Wellenreiten in Nazaré ein bisschen wie Segelfliegen. Die Big-Wave-Surfer sind per Seil mit einem Jetski-Fahrer verbunden. Sie werden bis auf eine gewisse Höhe in die heranrollende Welle hochgezogen, ausgeklinkt und dann ihrem halsbrecherischen Ritt überlassen – das sogenannte "Tow-In"-Surfen, das ohne Motorhilfe gar nicht möglich wäre, weil die Wellenenergie viel zu groß ist.

Am 5. Januar 2023 wurde diese Wellengewalt dem Brasilianer Mácio Freire zum Verhängnis. Der 47-Jährige stürzte beim Surfen in einer Riesenwelle. Wiederbelebungsversuche am Strand waren erfolglos. Die nationale Seefahrtsbehörde konnte nur noch den Tod des erfahrenen Big-Wave-Surfers durch Atem- und Herzstillstand bekanntgeben. Dem Wettlauf um die höchste Welle hat das in Nazaré keinen Abbruch getan. Im kommenden Winter werden dort wieder bis zu 30 professionelle Big-Wave-Surfer auf ihren Brettern dem nächsten Weltrekord hinterher jagen.

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