"Noch nie habe ich in so viele faszinierende Vogelgesichter geblickt wie in diesem Buch. Wir sehen sprechende Gesichter, Charakterköpfe: Rechtsanwälte, Mafiosi, Hausfrauen, Charmeure, Betrüger und Naive – wie im richtigen (Menschen-)Leben –, wir sehen den Punk und den strengen Gelehrten. Und wir begreifen die Individualität jedes einzelnen dieser Tiere wie die jedes einzelnen Menschen", schreibt Elke Heidenreich in diesem ganz besonderen Fotobuch.
Tatsächlich erinnern einen die eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Fotografien der Vögel, die mit durchdringendem Blick aus ihren großen, scharfen Augen den Betrachter zu durchleuchten scheinen, an menschliche Portraits. Mal wirken die Vögel unnahbar und distanziert, mal vornehm oder demonstrativ selbstbewusst. Wieder andere umgibt eine fröhliche Leichtigkeit, ihnen scheint der Sinn nach einem kleinen Spaß zu stehen. Alles sehr menschliche Interpretationen, vielleicht auch ein Zufall, aber doch immer auch Ausdruck der Faszination.
Um die sensiblen Vogelporträts des Fotografen Tom Krausz herum gruppiert sich ein Gesamtkunstwerk: die humorvoll kritischen Geschichten von Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni, ein Essay zur Physiognomie der Vögel von Literaturwissenschaftler Dietmar Schmidt sowie biologische Kurzmerkmale und Silhouetten aller rund 60 Vogelarten.
Nicht umsonst boomt in Deutschland seit einigen Jahren die Hobbyornithologie. Vielleicht, weil Vögel verkörpern, was für uns Menschen immer stärker eingeschränkt wird – die Freiheit. Oder weil sie uns Menschen hin und wieder den Spiegel vorhalten.
Ob Andenkondor, Harpyie, Spatz oder Schuhschnabel – die Porträts in diesem Bildband zeigen Vogelgesichter von großer Würde, skeptisch, verletzlich, kämpferisch und merkwürdig im besten Sinne. Sie zeigen exotische Arten, die wir oft nur noch in Tierparks erleben können, aber auch scheinbar vertraute Vögel in noch nie erlebter Nähe. Und plötzlich finden wir uns wieder auf Augenhöhe mit diesen zerbrechlichen Geschöpfen…