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Kuriose Forschung Wonach riechen alte Bücher? Dieser Forscher kennt die Antwort

Alte Bücher im Regal
Vanilleduft oder Essiggestank: Am Geruch lässt sich der Zustand alter Bücher und Dokumente erkennen
© rcfotostock / Fotolia
Professor Matija Strlič vom University College London leitet das Institut für Nachhaltiges Kulturerbe. Dort erforscht er Duftmarken der Vergangenheit. Warum das nützlich ist, verrät der Forscher im Interview

GEO: Was fasziniert Sie an Gerüchen?

STRLIČ: Ich bemerkte, dass einige Bibliothekare an alten Büchern rochen, um deren Alter festzustellen. Als Chemiker wollte ich den Zerfall von Büchern analytisch beschreiben – anhand des Geruchs, also der flüchtigen organischen Verbindungen, die das Papier abgibt. Wir untersuchten mehr als 70 Papiersorten. Die instabilen Papiere rochen durch die Essigsäure sauer. Andere rochen durch Vanillin, das sich gebildet hat, sehr süß, eben nach Vanille.

Gilt das auch für andere Gegenstände?

Ich denke schon. Wir haben auch altes Plastik untersucht. Manche Plastikpuppen riechen nach Essig – ein Hinweis darauf, dass sie schnell erodieren und einen hohen Anteil von Essigsäure enthalten.

Hat die Studie denn auch einen praktischen Nutzen?

Durch unsere Einordnung können Restauratoren Werke aufstöbern, die einer Konservierung bedürfen. Zudem hat Geruch einen Einfluss bei Ausstellungen: Wenn wir eine Bibliothek oder ein historisches Gebäude betreten, erwarten wir bestimmte Düfte – und wenn die fehlen, ist irgendetwas verkehrt. Das ist auch das Problem vieler Museen, in deren steriler Umgebung es oft keinen alten Geruch gibt.

Ist es denn möglich, Gerüche der Vergangenheit zu rekonstruieren?

Wir haben das einmal im Birmingham Museum ausprobiert. Die meisten Besucher erkannten den Geruch wieder, viele hatten tolle Beschreibungen parat. Um also alte Gerüche wieder lebendig zu machen, brauchen wir nicht nur die chemische Zusammensetzung, sondern auch die persönlichen Eindrücke und Erinnerungen der Menschen.

Geruchstechnisch gesehen: In welche Epoche würden Sie gern einmal reisen?

Wohin auch immer die Reise gehen würde: Ich würde mich sicher in einer ziemlich stinkenden Umgebung wiederfinden. Denn erst in den letzten 150 Jahren verbesserte sich die Hygiene merklich. Davor rochen die Straßen ziemlich streng nach Urin und Exkrementen.

Welches Ihrer Bücher riecht am besten?

Wahrscheinlich das Kochbuch meiner Großmutter. Ehrlich gesagt aber nicht wegen des Papiers, sondern weil ich ihre Kochkünste immer sehr zu schätzen wusste. Zum Geruchserlebnis gehört eben auch viel Erinnerung.

GEO NR. 08/2017 - Lob der Unvernunft

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