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Die Pest: Das Wesen der Plage

Pest in London
Als der Tod die Welt beherrscht: Die Europäer sind Mitte des 14. Jahrhunderts von Hungersnöten geschwächt, haben keine Antikörper gegen die Pest. Wohl auch deshalb trifft die Seuche den Kontinent so hart
© mauritius images / Classic Image / Alamy
Der Schwarze Tod, die größte Katastrophe des Mittelalters, rafft Millionen Menschen hin. Doch wie die Seuche übertragen wird, wissen Forscher erst seit einigen Jahrzehnten

Die Pest ist eine der tödlichsten Infektionskrankheiten der Geschichte. Menschen, die der Erreger befällt, sterben ohne passende Medikamente und je nach Verlauf mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 bis 100 Prozent. Die Inkubationszeit kann von wenigen Stunden bis zu sieben Tagen betragen, die Seuche sich in mehreren Formen zeigen.

Am häufigsten ist die Beulenpest. Sie beginnt wie eine Grippe: mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. Anschließend schwellen die Lymphknoten an, füllen sich mit Blut, eitrigem Sekret und sich massenhaft vermehrenden Erregern zu dunklen, mehrere Zentimeter großen Blasen. Gelangt diese Entzündungsflüssigkeit in die Blutbahn, häufen sich Störungen des zentralen Nervensystems sowie Halluzinationen und Schwächeanfälle bis hin zu Kreislaufversagen. Tritt eine Pestsepsis ein, eine Blutvergiftung, kollabieren innere Organe, etwa die Niere.

Alexandre Yersin entdeckte Pest-Erreger

Befällt der Erreger die Lunge, kann sich die Beulen- zur Lungenpest entwickeln, der Erkrankte hustet hochinfektiöses Sekret und Blut. Wer sich mit dieser Krankheit ansteckt, hat im schlimmsten Fall keine 24 Stunden mehr zu leben.

All das ist noch nicht sehr lange bekannt. 1894 entdeckte der französische Arzt Alexandre Yersin während eines schweren Pestausbruchs in Hongkong den Erreger. Dass das Bakterium durch Flöhe verbreitet wird, die zuvor erkrankte Ratten gestochen haben, wurde erst 1914 abschließend bewiesen. Noch viel länger dauerte es, die Infektionskette aufzuklären. Und noch heute erforschen Wissenschaftler die Evolution von Yersinia pestis.

So viel steht bisher fest: Die Pest ist im Ursprung eine Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragen wird. Vor maximal 20.000 Jahren hat sich das Pestbakterium aus einem weniger gefährlichen Darmbazillus wilder Nagetiere entwickelt. Aktuell kommt der Erreger in weiten Teilen Asiens, Afrikas und Amerikas vor; noch 2015 haben sich Menschen im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien mit der Pest infiziert.

Mehrere Hundert Nagetierarten können das Bakterium in sich bergen. Auf den Menschen übertragen wird es durch deren Flöhe, vor allem durch den Rattenfloh Xenopsylla cheopis. Hat er mit einer Blutmahlzeit den Pesterreger aufgenommen, vermehrt sich der Bazillus in seinem Verdauungstrakt und verstopft schließlich als Bakterienpfropfen die Stechwerkzeuge des Insekts. Ein derart blockierter Floh hungert, ist aggressiv, sticht sehr oft und schleudert mit jedem Fressversuch Zehntausende Bakterien in die Blutbahn seines Wirts. Stirbt die Ratte, sucht sich der Floh einen neuen Versorger.

Ein Ausbruch der Beulenpest droht daher immer dann, wenn Menschen in die Nähe von infizierten Nagern oder deren blutsaugenden Parasiten gelangen. Ob und wie schnell sich die Seuche dann verbreitet, hängt von mehreren Faktoren ab – unter anderem von der Enge, in der die Menschen zusammenleben. Bei Temperaturen von unter zehn Grad Celsius sind Flöhe kaum noch mobil, im Winter verbreitet sich die Pest daher nur langsam.

Doch ein Floh vermag mindestens einen Monat lang ohne Nahrung auszukommen und so, etwa in Getreidesäcken, weite Distanzen zurückzulegen. Pestverseuchte Ratten können in Schiffen reisen, infizierte Menschen und Flöhe den Erreger noch Tage nach der Ansteckung weitertragen.

Pest ist heute durch Antibiotika heilbar

Die Lungenpest dagegen wird nicht durch Parasiten verbreitet. Sie überträgt sich durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Rechtzeitig erkannt, ist die Pest heute durch Antibiotika heilbar. Mitte des 14. Jahrhunderts aber waren die Menschen Europas der Seuche hilflos ausgeliefert.

Dass für das große Sterben tatsächlich Yersinia pestis verantwortlich war, haben mehrere Untersuchungen an Toten aus dem späten Mittelalter bestätigt. Und 2011 konnten Forscher das vollständige Genom des Erregers aus Zähnen von Verstorbenen rekonstruieren, die zwischen 1348 und 1350 auf einem Londoner Friedhof bestattet worden waren – in jenen Jahren also, in denen die Pest Europa verheerte.

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