Wagner denkt immer häufiger an den Tod, und so langsam, findet er, könnte der auch mal an ihn denken. Noch immer wandert er mit seiner Tochter auf Berggipfel, spielt Schach mit seinen Söhnen, debattiert mit der Frau darüber, welches Goethes bestes Werk sei. Doch allmählich reicht’s.
Gerhart Wagner steht an einem Tag im Mai 2023 auf dem Fernsehturm, am Geländer der Aussichtsterrasse, auf dem Gipfel des 947 Meter hohen Bantiger, eines Bergs unweit von Bern. Er hat 154 Stufen erklommen, die Ohrenklappen seiner Mütze sind hochgeschnürt. Er hält sich die Hand an die Stirn, wie um weiter sehen zu können, doch Quellwolken verschlucken die Alpen. Sein Rücken ist gekrümmt, als würde ihm das Alter wie ein Stein um den Hals hängen, ab und zu tropft es von seiner Nasenspitze, obwohl er immer wieder die Stofftaschentücher aus der Hose zieht. Wagner ist alt wie ein Baum, dennoch wirkt er hier oben wie ein Kind, das den Samen einer Pusteblume hinterherrennt.