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Wochenende Fast schon beste Freunde: Ein Vater, ein Sohn und 48 Stunden Action

Pit und Jannis
Wenn Vater und Sohn in den Seilen hängen, sichern sie sich gegenseitig. Und kommen ebenso unbeschadet auf die Harzlochfelsen hinauf wie wieder herunter
© Andrea Gaspar-Klein
Ein Wochenende Zeit? Pit und Jannis Vaas haben ein paar abenteuerliche Ideen, was Vater und Sohn gemeinsam anstellen können – zu Lande, am Fels und in der Luft

Manchmal ist es gut, wenn im Leben nicht alles nach Plan läuft. Letzten Sommer hat Jannis Vaas sein Abitur gemacht. „Ich hab das mit dem Studienfach ein bisschen verpeilt“, sagt er. Jetzt muss er eben bis zum nächsten Herbst mit dem Studieren warten. Jannis findet das aber nicht weiter schlimm. Und sein Vater Pit sowieso nicht.

Ein Jahr geschenkt. Ein Jahr, in dem Jannis in der Firma des Vaters mitarbeitet. Gemeinsam kümmern sie sich um Gärten rund um Freiburg, mähen Rasen, schneiden Hecken. Vor allem haben sie ein Jahr Zeit miteinander. Viel Zeit für ihre gemeinsamen Hobbys. Und Zeit, sich nicht nur als Vater und Sohn näher zu kommen, sondern auch, um eine Männerfreundschaft zu schmieden.

Pit: „Jannis ist für mich oft wie ein guter Kumpel, ein Typ, mit dem ich gern meine Freizeit verbringe.“ Jannis: „Wenn wir unterwegs sind, gibt’s viel zu lachen, wir sind uns dann einfach ebenbürtig.“

Und so steigen sie dann an einem Spätsommertag in ihren rot-weißen Bulli, Baujahr 1966. Ein Feuerwehrauto im Ruhestand, das sie hegen und pflegen wie ein Familienmitglied. Bestens geeignet für sportliche Kurztrips in die Umge­bung. Im Fond haben Vater und Sohn Mountainbikes, ­Sicherungsseile, Gleitschirme und Helme verstaut.

Die Heimat von Pit und Jannis Vaas ist wie geschaffen für Abenteuer dieser Art. Sie wohnen im Städtchen Kirchzarten im Hochschwarzwald. „Dort, wo andere Urlaub machen“, sagt Pit. Eingebettet ins Dreisamtal, umgeben von den höchsten Bergen der Region: Feldberg, Kantel und Schauinsland.

Erster Stopp: Klettern

Erster Stopp: die sogenannten Harzloch­felsen im Münstertal. Eigentlich plagt Jannis ja Höhen­angst. Aber das ändert nichts daran, dass er einer sportlichen Herausforderung nur selten aus dem Weg geht.

Deshalb schlüpft er als Erster in den Klettergurt, setzt den Helm auf. Ein wenig skeptisch blickt er die schartige Felswand hinauf. Pit Vaas steht schon neben dem Bulli, das Sicherungsseil in der Hand. „Auf geht’s!“

Vater und Sohn sehen sich natürlich ähnlich. Sportliche Figur, dunkle, kurz geschnittene Haare. Beim Vater haben Wetter und Leben bereits einige Spuren mehr hinterlassen. Graue Schläfen, aber vor allem Lachfalten. Jannis, 21 Jahre, ist Pit, 55 Jahre, inzwischen ein wenig über den Kopf gewachsen.

„Ich war nicht mehr jung, als ich zum ersten Mal Vater wurde, hatte mir die Hörner ganz schön abgestoßen“, sagt Pit Vaas. Entsprechend entspannt ging er dann die neue Vater-Rolle an. Wenig Zwang, viel Freiheit. Ein paar Dinge möchte er seinen Kindern mit auf den Weg geben: „Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit.��� Und auch: „Eine Familie gibt dem Leben ein Stück weit Sinn.“

Pit und Jannis
Samstagnachmittag: Während Pit mit dem Gleitschirm kämpft, ringt Jannis noch ein wenig mit seiner Höhenangst
© Andrea Gaspar-Klein

Zweiter Stopp: Gleitschirmfliegen

Jannis hat seine Klettertour inzwischen beendet, nun hängt Pit Vaas in der Felsenwand, ein fast senkrechtes Teilstück mit nur schmalen Spalten, die Halt bieten. An Pits Waden treten die Muskeln hervor. Ein orangefarbenes Seil hält Vater und Sohn verbunden. Als Pit wieder am Boden ist, ein wenig außer Atem, zieht er sich erst einmal den Sohn an die Brust. Gut gemacht. Trotz Höhenangst

Der Bulli-Motor schnurrt wieder. Sie sind unterwegs zum zweiten Stopp: Gleitschirmfliegen. Da geht es zwar ebenfalls in die Höhe, aber Jannis ist dabei weniger mulmig zumu­te. Zum Fliegen begleitet er den Vater schon, solange er denken kann. Er war drei Jahre alt, als Pit anfing, ihn mitzunehmen, und gesichert mit Kindergurtzeug glitt Jannis bald darauf die ersten Mini­hügel hinab. Mit sechs oder sieben Jahren ging er zum ersten Mal so richtig in die Luft.

Familie Vaas wohnt in einem alten Landhaus aus den 1930er Jahren, ein Hektar Land drumherum, ein Bach und knorrige Bäume. Sehr nah am Paradies. Zur Familie gehören nicht nur Vater und Sohn. Da sind auch noch die Mutter, eine Tochter und die Oma. Jeder hat ein sportliches Hobby, und jeder teilt es. Als Jannis vor ein paar Jahren nicht mehr so häufig beim Fliegen abhob, ging er golfen – zusammen mit der Oma.

Und nun also doch wieder Gleitschirm statt Golfschläger. Die Flugberge liegen quasi vor der Haustür. Wenn es mal schnell gehen soll, packt die Fami­lie die Rucksäcke, fährt mit dem Linien­bus den Berg hinauf und fliegt nach Hause bis in den Garten. An diesem Tag haben Jannis und Pit mehr Zeit. Die beiden hängen im Tandemgurt, der Sohn vorn, hinten der Vater. Der Hang ist flach und der Wind unstetig. Trotzdem probieren sie es immer wieder, gleiten, lachen, bremsen. Jeder ein bisschen vogelfrei, dabei fest miteinander verbunden.

Als sie endlich prustend die Rucksäcke ablegen, ist es Zeit für eine Pause. Ein frisch gebrühter Kaffee aus gelben Plastikbechern. Eine Campingküche und ­Klappsessel hat natürlich der Bulli an Bord. Die Aussicht über den Schwarzwald entschädigt für die fehlenden Höhenmeter beim Fliegen.

Pit und Jannis
Sonntagmittag: Zum Finale des Vater-Sohn-Wochenendes gönnen sich Pit und Jannis auf ihren Mountainbikes noch ein paar Kilometer downhill
© Andrea Gaspar-Klein

Dritter Stopp: Mountainbiken

Die letzte Aktion: Mountainbiken. Jetzt ist Jannis obenauf. Was der Ältere beim Klettern und Fliegen an Erfahrung voraus hat, macht der Jüngere bei der Bergabfahrt auf zwei Rädern über Stock und Stein mit Kraft und Wendigkeit wett. „Ich glaube, da stecke ich den Papa in die Tasche“, sagt Jannis. Pit lacht nur. Er weiß ja, dass er bald nur noch das Hinterrad von Jannis’ Bike sehen wird.

Klar, bei den gemeinsamen Ausflügen geht es auch um Wettkampf. Das gehört zum Spaß dazu. Vater und Sohn reiben sich aneinander, mit Worten und mit Taten. Aber einen Moment später legen sie wieder den Arm um die Schulter des anderen, lehnen sich an. Pit sagt: „Ich freue mich, wenn Jannis besser ist als ich.“ Natürlich versucht er trotzdem, ihn bei der nächsten Abfahrt zu überholen.

Der Tag endet auf dem Hof der Familie Vaas. Mit einem Bier und einem heißen Bad im gezimmer­ten Außenpool. „So verplempern wir unsere ­gemeinsame Zeit“, sagt Pit Vaas. Aber so wie er es sagt, scheint er ge­nau zu wissen, dass sie die Zeit in Wahrheit nicht vergeuden. Es sind vielleicht ihre besten gemeinsamen Monate. Ein etwas älterer und ein junger Mann, die entdecken, dass sie noch mehr sein können als Vater und Sohn.

Jannis will ab dem Herbst Elektronik studieren, in Furtwangen. Das liegt zwar nur ungefähr 30 Kilometer entfernt von Kirchzarten, aber Jannis wird wohl dennoch bei den Eltern ausziehen. Pit sagt, er wünsche Jannis, dass er den Spagat schafft: eine Arbeit finden, die ihn erfüllt, Geld verdienen, aber dabei das Leben genießen. Jannis sagt: „Ich will es später mindestens genauso machen wie der Papa.“

Pit und Jannis
Ruhepo(o)l: Während Pit und Jannis ihre Muskeln im selbst gebauten Zuber entspannen, planen sie direkt ihr nächstes Vater-Sohn-Wochenende
© Andrea Gaspar-Klein
Walden Nr. 02/2019 - Väter

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