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Wildtiere Wie der Wisent in Europa verschwand – und wo er zurückkehren könnte

Zwei Wisente stehen in einem Waldgebiet
7300 Wisente leben in Europa derzeit in freier Wildbahn
© Rafał Kowalczyk / picture alliance
Einst zogen Wisente durch große Teile Europas, doch im Lauf der Zeit verschwanden die Großsäuger komplett. Woran das lag, rekonstruiert ein internationales Forschungsteam – und wo Wiederansiedlungen erfolgversprechend wären

Vor Zehntausenden von Jahren zogen Wisente durch weite Teile Europas – sogar südlich der Alpen war der Europäische Bison (Bos bonasus) verbreitet. Doch bis 1927 war die Art in freier Wildbahn ausgestorben, in Gefangenschaft lebten damals noch rund 60 Tiere. Ein internationales Forscherteam hat nun ergründet, wie die bis zu eine Tonne schweren Kolosse verschwanden. Aus der Analyse zieht die Gruppe im Fachblatt "Proceedings of the Royal Society B" Rückschlüsse, wo in Europa eine Ansiedlung von Wisenten am erfolgversprechendsten wäre.

Zunächst rekonstruierte die Gruppe um July Pilowsky von den Universitäten Kopenhagen und Adelaide die Ursachen für das Verschwinden der Tiere über den Zeitraum von 21 000 Jahren. Dazu wurden fossile Funde von Überresten mit Zehntausenden von Computersimulationen kombiniert, die verschiedene Klima- und Umweltbedingungen sowie Einflüsse durch den Menschen nachstellten.

In Deutschland gibt es nur eine freilebende Wisent-Herde

Demnach schrumpfte der Lebensraum der Tiere ab vor etwa 14 700 Jahren mit dem sich damals erwärmenden Klima. In der Folge zogen sich die Populationen auf ein Kerngebiet in Mittel-, Ost- und Südosteuropa zurück. Später setzte zunächst im Norden und Osten die Jagd durch den Menschen den Beständen zu, während es im Westen und Süden vor allem eine veränderte Landnutzung war, wie das Team berichtet. Ab dem 15. Jahrhundert beschleunigte die Einführung von Schusswaffen den Niedergang der Wisente.

"Die Geschichte der Vergangenheit wiederholt sich in der Gegenwart", sagt Ko-Autor Rafał Kowalczyk von der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Auch heute bedrohten klimatische Veränderungen, Wilderei und verstärkte Landnutzung die Wisente. 

Nach ehrgeizigen Wiederansiedlungsprogrammen leben in Europa derzeit wieder 7300 Tiere in freier Wildbahn – in so unterschiedlichen Lebensräumen wie den Niederlanden oder den französischen Alpen. Die einzige freilebende Herde in Deutschland mit etwa 40 Tieren lebt im Rothaargebirge in Nordrhein-Westfalen.

Dem Forschungsteam zufolge umfassen nur 8 der 47 wilden Wisentpopulationen mehr als 150 ausgewachsene Individuen – bei diesen Herden wird teilweise zugefüttert. Die meisten Herden leben ohne Kontakt zu anderen Gruppen. Laut der Umweltorganisation WWF leben die weitaus meisten Tiere in Polen, Belarus, Russland und der Ukraine.

Streit um die Wisente

Aus der Studie folgert das Team um Pilowsky, dass in genau diesen Regionen eine Wiederansiedlung der Tiere am erfolgversprechendsten wäre. Aber auch in Teilen des Balkans und Deutschlands gebe es geeignete Areale, heißt es.

Hierzulande sorgen jedoch schon die etwa 40 Tiere in Südwestfalen für viel Streit. Erst im September war bei Gesprächen der Beteiligten an einem Runden Tisch vorgeschlagen worden, deren Zahl auf 20 bis 25 zu verringern. Hintergrund sind Klagen von Waldbauern, dass Wisente Schäden an Bäumen anrichteten.

Tatsächlich wird gerade diese Eigenschaft in der Studie als Vorzug der "Ökosystem-Ingenieure" benannt: "Durch das Entrinden der Bäume und das Abgrasen von Baumsetzlingen stellt der Europäische Bison bedrohte Grasland-Habitate wieder her und verhindert das Vordringen von Wäldern."

dpa

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