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Verhalten Spinnen können offenbar träumen

Typisch für "schlafende" Springspinnen: die eingezogenen Beine
Typisch für "schlafende" Springspinnen: die eingezogenen Beine
© Daniela Rößler
Das Träumen ist im Tierreich weiter verbreitet als lange angenommen. Nun hat ein Konstanzer Forschungsteam Hinweise auf Träume auch bei Springspinnen gefunden

Wir alle träumen – auch wenn wir uns morgens selten daran erinnern. Und nicht nur Menschen: Auch Tiere erleben im Schlaf die seltsamsten Dinge. Von Hunden und Katzen wissen wir, dass auch sie während der nächtlichen Erholungsphase träumen – zu erkennen an den Bewegungen ihres Körpers, vor allem am Zucken der Beine im Schlaf.

Besonders intensiv ist das Traumerleben in den sogenannten REM-Phasen des Schlafs, für den starke Augenbewegungen typisch sind (Rapid Eye Movement). Nachgewiesen wurden diese Schlaf-Phasen bislang bei Säugetieren, aber auch bei Vögeln, Reptilien und Kopffüßern. Doch damit nicht genug.

Jetzt hat ein Team von Forschenden um die Konstanzer Biologin Daniela Rößler Springspinnen ins Schlaflabor geschickt – und Anzeichen dafür entdeckt, dass auch Achtbeiner in der Nacht REM-Phasen durchlaufen.

Als Probanden für ihre im Fachblatt PNAS erschienene Studie wählten die Forschenden den Dunklen Sichelspringer aus, wissenschaftlich Evarcha arcuata. Die Spinnenart wird bis zu acht Millimeter groß und kommt – mit Ausnahme von Island und Irland – in ganz Europa vor.

Augenbewegung im Schlaf korreliert mit Körperbewegungen

Das Team beobachtete 34 Spinnen nachts, wenn sich die Tiere an einem Spinnfaden zur Ruhe betteten, beziehungsweise aufhängten, mit einer Infrarotkamera.

Springspinnen der Art Evarcha arcuata träumen offenbar. Was sie träumen, ist bislang unbekannt
Springspinnen der Art Evarcha arcuata träumen offenbar. Was sie träumen, ist bislang unbekannt
© lukjonis / Adobe Stock

Eine besondere Schwierigkeit stellten die Augen dar. Denn Spinnen verfügen nicht, wie Säugetiere, über bewegliche Augen, und sie können die Linsen ihrer Punktaugen nicht aktiv verstellen. Sie können aber, um ihren Blick anzupassen, die darunter liegenden, sogenannten Netzhautröhren bewegen. Um per Kamera einen Blick in die tieferen Schichten des Auges werfen zu können, wählten die Forschenden junge, frisch gehäutete und fast transparente Spinnen als Probanden aus.

Das Ergebnis: "Die Spinnen zeigten Phasen deutlicher Netzhautbewegungen, die in sehr regelmäßigen Abständen auftraten", wie es in einer Pressemitteilung der Universität heißt. "Die Länge dieser Phasen nahm im Laufe der Nacht zu."

Dabei traten die Bewegungen der Netzhaut zeitgleich mit Körperbewegungen auf, wie etwa dem Zucken oder Einrollen der Beine: eine "erstaunliche" Ähnlichkeit zum REM-Schlaf anderer Tiere. Auch bei Erwachsenen Spinnen derselben Art konnten Rößler und ihre Kolleg*innen dieses Verhalten beobachten. In kurzen Wachphasen dagegen, etwa wenn sich die Tiere putzen oder ihren "Schlaf-Faden" nachjustieren, blieb die REM-typische Augenbewegung aus.

REM-Schlaf könnte im Tierreich "universell" sein

"Die Kombination aus periodischen Gliederzuckungen und Augenbewegungen während des schlafähnlichen Zustands sowie die Zunahme der Dauer der Phasen entspricht den zentralen Verhaltenskriterien des REM-Schlafs bei Wirbeltieren, einschließlich des Menschen", schreiben die Forschenden.

"Die grundlegenden Verhaltensweisen von Schlaf und eventuell auch REM-Schlaf sind vielleicht deutlich basaler, als wir bisher angenommen haben", erklärt Daniela Rößler gegenüber GEO.de. Es sei anzunehmen, dass der REM-Schlaf eine überlebenswichtige Funktion erfülle, die im Tierreich weit verbreitet oder gar universell sei.

Es stimmt also nicht, dass Spinnen nachts in unseren Mund krabbeln, wie ein moderner Mythos uns weismachen will: Sie schlafen – und träumen.

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