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Mit Haken Studie: Meeresschutzgebiete beeinträchtigen die Fischerei nicht

Thunfisch im Meer
Seit November 2017 ist Fischerei im Revillagigedo-Archipe komplett untersagt
© nicolas - Adobe Stock
Bis 2030 sollen 30 Prozent der Ozeane unter Schutz stehen, ein Drittel davon nutzungsfrei. Daran gibt es Kritik unter anderem von der Fischerei, die Einbußen befürchtet. Dem widerspricht nun eine Studie. Allerdings hat die Analyse einen Haken, wie ein Experte zu bedenken gibt

Umweltschutz und Wirtschaftsinteressen lassen sich oft nicht unter einen Hut bringen, heißt es. Stichwort Meeresschutzgebiete: Bis zum Jahr 2030 – so hat es die Weltnaturkonferenz (COP15) vergangenen Dezember in Montreal beschlossen – sollen mindestens 30 Prozent der Weltmeere unter Schutz stehen, zum Schutz der Artenvielfalt und zur Regeneration von Beständen. Zwei Drittel davon – also 10 Prozent der Ozeane – sollen demnach nutzungsfrei sein, also auch ohne Fischerei. Bis Oktober 2022 standen weniger als 3 Prozent der Ozeane unter einem solchen Schutz.

Seit einigen Jahren streiten zwei Lager intensiv über Meeresschutzgebiete. Befürworter argumentieren, solche Zonen erhöhten die Artenvielfalt. Zudem könnten sie sogar die Fangmengen von Fischern steigern, weil der Populationsdruck in diesen Gebieten die Zahl der Fische auch in benachbarten Arealen erhöhe. Kritiker sind davon nicht überzeugt: "Dass Meeresschutzgebiete die Artenvielfalt erhalten, versteht sich von selbst", sagte Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock. "Aber Meeresschutzgebiete sind nur eine Methode, die offensichtlichen Fischereiprobleme anzugehen."

Ob solche Schutzgebiete tatsächlich Fangmengen erhöhen, sei bislang nicht belegt, so Zimmermann. Zwar deuteten in der Vergangenheit Studien wiederholt darauf hin. Doch immer wieder gab es Kritik an ihren Methodiken, ein Paper im Fachblatt "PNAS" wurde 2021 sogar zurückgezogen.

Gesamtmenge angelandeter Fische trotz Meeresschutzgebiet stabil

Nun berichtet ein Forschungsteam im Fachblatt "Science Advances" über die Auswirkungen des Meeresschutzgebietes um den unbewohnten Revillagigedo-Archipel im Pazifik etwa 500 Kilometer vor der Westküste von Mexiko. Das Gebiet umfasst 147.000 Quadratkilometer - das entspricht mehr als der doppelten Größe Bayerns - und ist reich etwa an Haien, Rochen, Thunfischen, Walen und Meeresschildkröten. Wegen des Artenreichtums wird es auch "mexikanisches Galapagos" genannt.

Seit November 2017 ist das Areal, das in mexikanischen Hoheitsgewässern liegt, ein Nationalpark, Fischerei ist komplett untersagt. Gut fünf Jahre nach Schaffung des Schutzgebietes berichtet ein Team um Fabio Favoretto von der University of California in San Diego nun über die Auswirkungen der Einrichtung der Schutzzone, die bezüglich der Größe weltweit auf Platz 13 liegt, auf die Fischerei in den Jahren 2008 bis 2022.

Demnach ging die Fischerei im Nationalpark um 82 Prozent zurück, wie die Gruppe nach Auswertung von Satellitendaten zu 212 Schiffen mit Lizenzen zum Fang etwa von Thunfischen, Haien und Schwertfischen schreibt. Auch wenn das Fischereiverbot überwiegend eingehalten wurde, sanken für die zuvor in der Region aktiven Schiffe weder die Dauer der Fischerei noch die Gesamtmenge der angelandeten Fische.

"Die gesamte Fläche, die die Fischereiflotte von 2014 bis 2021 (vier Jahre vor und vier Jahre nach Einrichtung des Schutzgebietes) nutzte, betrug 6.289.643 Quadratkilometer", schreibt das Team. "Davon deckt das Schutzgebiet nur 2,3 Prozent ab." Zur Erklärung: Der Nationalpark betrifft nur gut 4 Prozent der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der mexikanischen Meeresgewässer. Die Fangflotte sei ohnehin überwiegend in internationalen Gewässern aktiv gewesen, konstatiert die Gruppe.

"Die Einrichtung des Revillagigedo-Nationalparks hatte weder negative Auswirkungen auf die Fangmengen noch führte sie dazu, dass Mexikos Industrieflotte ihr Fangareal erweitern musste", schreibt die Gruppe. "Unsere Resultate tragen zu den zunehmenden Belegen dafür bei, dass gut geplante Meeresschutzgebiete den Ökosystemen der Meere nützen und langfristig auch der Fischerei."

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Genau letzteren Schluss lassen die Ergebnisse nach Ansicht von Zimmermann nicht zu. "Das wesentliche Problem dieser Studie ist, dass sie eine Fischereiflotte untersucht, die sehr weit operiert", sagte der Experte. Wenn das Schutzgebiet mit lediglich 2,3 Prozent nur einen winzigen Fangbereich der Flotte abdecke, könne es statistisch kaum zu Buche schlagen. "Das ist der wesentliche Knackpunkt."

Hinzu komme: Weil der Nationalpark rund 500 Kilometer vor der Küste liege, gebe es hier nur größere Fangschiffe - und keine Kleinfischer, die mit ihren Booten nur schwer auf andere Meeresareale ausweichen könnten. Die Ergebnisse der Studie ließen sich daher nur auf wenige andere Meeresschutzgebiete übertragen, so Zimmermann.

Generell setze das Ziel, 30 Prozent der Ozeane unter Schutz zu stellen und ein Drittel davon nutzungsfrei, für Regierungen vor allem den Anreiz, nur auf die Größe zu achten, nicht aber auf den ökologischen Wert von Meeresgebieten. Zimmermann plädiert für aneinandergrenzende Ketten von kleineren Schutzgebieten, die verschiedene Ökosysteme miteinander verbinden.

Walter Willems, dpa

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