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Rote Karte für grüne Gentechnik

Gentechnik-Skeptiker jubelten, als der BASF-Konzern ankündigte, das Geschäft mit genetisch veränderten Pflanzen in Europa aufzugeben. Und schon in diesem Jahr sind deutsche Äcker gentechnikfrei. Ist das das Ende des vermeintlichen Wundermittels gegen den Welthunger?

Inhaltsverzeichnis

Weltweit steigt die Zahl der Flächen mit gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen: 2010 waren es bereits 148 Millionen Hektar. Das ist mehr als die vierfache Fläche Deutschlands. Vor allem in den USA, Brasilien, Argentinien, Indien und Kanada sind gv-Sorten auf dem Vormarsch. Angebaut wird in erster Linie gv-Soja, -Mais, -Raps, -Baumwolle und seit einigen Jahren gv-Zuckerrüben. Auch in Deutschland stieg die Zahl der Anbauflächen für gv-Pflanzen einige Jahre lang. Kommerziell wurde hierzulande der gv-Mais MON 810, eine schädlingsresistente Sorte des Agrarriesen Monsanto, und die Stärkekartoffel Amflora der Firma BASF angebaut. Im internationalen Vergleich waren die deutschen Anbauflächen jedoch verschwindend gering: Deutschland bildete das Schlusslicht der 29 Länder mit grüner Gentechniknutzung. Im Jahr 2012 sind nun erstmals seit sieben Jahren keine gv-Pflanzen mehr auf deutschen Feldern zu finden.

Vorläufiges Ende der grünen Gentechnik in Deutschland

Der Grund dafür ist die kritische Grundeinstellung der Bevölkerung. Während in vielen Teilen der Welt konventionelle Pflanzensorten ohne größeren Widerstand von gv-Pflanzen abgelöst wurden, müssen sich Biotech-Konzerne in Europa - speziell in Deutschland - mit langwierigen Zulassungsverfahren und einer kritisch eingestellten Bevölkerung auseinandersetzen. Immer wieder hatten Umweltaktivisten Felder mit gv-Anbau zerstört. 2009 schließlich stoppte das Landwirtschaftsministerium den Anbau von gv-Mais in Deutschland trotz vorhandener EU-Zulassung. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung beinhaltet hingegen explizit nicht nur die Förderung der Potentiale der grünen Gentechnik - sondern auch die Förderung eines konkreten Produkts, nämlich der "Amflora"-Kartoffel des Chemie-Riesen BASF - ein bislang einzigartiger Vorgang in der Parteiengeschichte.

Doch Schwarz-Gelb und BASF hatten die Rechnung ohne den Wirt, oder besser die Bevölkerung, gemacht. Nachdem BASF 13 Jahre auf eine EU-Zulassung für Amflora gewartet hatte, wurde die gv-Kartoffel nur zwei Jahre auf deutschen Äckern kultiviert. Nun ließ BASF verlauten, aufgrund mangelnder Akzeptanz bei Verbrauchern, Landwirten und Politikern die Entwicklung aller gv-Produkte für den europäischen Markt einzustellen. Darüber hinaus wird die Unternehmenszentrale der Tochterfirma Plant Science von Deutschland in die USA verlegt. Läutet diese Entwicklung das vorläufige Ende der grünen Gentechnik in Deutschland ein?

Ist grüne Gentechnik wirklich "grün"? Nein, sagen deutsche Verbraucher
Ist grüne Gentechnik wirklich "grün"? Nein, sagen deutsche Verbraucher
© Andrew Brookes/Corbis

Bekämpfung des Welthungers durch die grüne Gentechnik?

Gentechnikkritiker atmen erleichtert auf und feiern den BASF-Rückzug als großen Erfolg. Andere sprechen von einem schweren Schlag für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland. Doch was steckt hinter der Debatte um die grüne Gentechnik?

Ziel der grünen Gentechnik ist die Entwicklung neuer Pflanzensorten, die gegenüber herkömmlichen Sorten Vorteile bieten: Hier geht es in erster Linie um eine Steigerung des Ertrags bislang meist durch bessere oder neue Schädlingsresistenzen wie bei dem gv-Mais MON 810 oder die Veränderung der Zusammensetzung bestimmter Inhaltsstoffe wie etwa bei der Stärkekartoffel Amflora. An der Entwicklung hitze-, kälte-, und trockenheitsresistenter gv-Pflanzen - die gerade der ärmeren Bevölkerung in Entwicklungsländern helfen könnten - wird nur in geringerem Umfang gearbeitet.

Durch höhere Erträge und geringere Ernteausfälle sollte die grüne Gentechnik einen Beitrag zur Bekämpfung des Welthungers leisten. Doch Kritiker sehen hier die gegenteilige Entwicklung: Kleinbauern, beispielsweise in Indien und Südamerika, verlieren ihre Existenz durch drastisch steigende Saatgut- und Pestizidpreise. Häufig sind sie vertraglich verpflichtet, in Verbindung mit dem gv-Anbau auch das zugehörige Pestizid derselben Firma zu nutzen und geraten so in die völlige Abhängigkeit der Preisvorgaben weniger Agrar- und Chemiekonzerne. In den Händen des Agrarriesen Monsanto beispielsweise liegen mittlerweile zwei Drittel des Weltsaatgutmarktes. Der größte Teil der produzierten gv-Pflanzen wird außerdem zu Futtermittel und Biotreibstoff verarbeitet und trägt daher nicht zur Ernährung der Weltbevölkerung bei. Zudem ist das Problem des Welthungers bislang nicht in einer zu geringen Nahrungsmittelproduktion begründet. Unter anderem gravierende Nachernteverluste und allen voran die ungleichmäßige Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel sind vielmehr die Ursachen.

Umweltrisiko grüne Gentechnik

Mit der grünen Gentechnik einhergehende Unsicherheiten haben vor allem in Deutschland zu einer kritischen Einstellung der Bevölkerung geführt. Bei einer Meinungsumfrage der Europäischen Kommission (PDF-Download) sprachen sich lediglich 22 Prozent der Deutschen für die Förderung der grünen Gentechnik aus. Wichtig ist vielen die Frage nach der Sicherheit: Weder unerwartete negative Umweltwechselwirkungen noch die Bildung von Resistenzen können mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen werden. Auch die Langzeitwirkung von gv-Pflanzen in der Umwelt ist nicht bekannt. Die Freisetzung von gv-Pflanzen kann nie mit hundertprozentiger Sicherheit rückgängig gemacht werden. Sollten sich zu einem späteren Zeitpunkt doch negative Auswirkungen von gv-Pflanzen auf die Umwelt zeigen, kann nicht sichergestellt werden, dass tatsächlich alle ausgebrachten Pflanzen und Samen wieder entfernt werden können.

Ein weiteres Problem stellt die Koexistenz von ökologischer, konventioneller und Landwirtschaft mit Gentechnikeinsatz dar. In Nord- und Südamerika, wo bereits auf großen Teilen der Anbauflächen gv-Pflanzen kultiviert werden, ist schon heute der Anbau konventioneller Sorten schwierig. Pollen und Saatgut kennen keine Feldergrenzen. Und so kommt es immer wieder dazu, dass auf eigentlich gentechnikfreien Flächen gv-Pflanzen nachgewiesen werden. Die Konsequenz: Gentechnikfreie Landwirtschaft ist nahezu unmöglich und zudem müssen betroffene Landwirte in manchen Fällen sogar für den ungewollten "Anbau" Gebühren an die Patentinhaber zahlen. Und schließlich bleibt die Sorge um die Patentierung der gv-Sorten und die damit einhergehende Machtkonzentration bei einer oder wenigen Firmen. Befürworter versuchen zu relativieren: Fortschritt und die Entwicklung neuer Technologien seien stets mit Ungewissheit verbunden. Beim Einsatz einer neuen herkömmlich gezüchteten Pflanzensorte würden Langzeitwirkung, Umweltwechselwirkungen und Rückholbarkeit nicht im selben Maße hinterfragt.

Am Ende siegt der Wille der Verbraucher

Bei vielen Skeptikern mag jedoch die Abneigung gegenüber grüner Gentechnik weniger in wissenschaftlichen Argumenten begründet sein, als vielmehr in der Vorstellung, der Mensch spiele mit Einsatz der Gentechnik Gott. Und letztendlich zeigt der Fall der grünen Gentechnik in Deutschland, dass Wissenschaft und Industrie - unabhängig von der wissenschaftlichen Faktenlage - gesellschaftliche Vorbehalte nicht ignorieren können. BASF hat eingesehen, dass der Kampf gegen den Willen der Verbraucher auf lange Sicht wenig Erfolg verspricht und will seine Anstrengungen jetzt auf den asiatischen Markt konzentrieren.

Zurück bleibt ein Deutschland, in dem zwar momentan keine gv-Pflanzen im Freiland wachsen, das aber deshalb noch lange nicht frei von grüner Gentechnik ist. Durch die Einfuhr von gv-Rohstoffen gelangt auch keimfähiges Saatgut ins Land, das bei Weiterverarbeitung und -transport durchaus auf deutsche Äcker gelangen kann. Und in den Futtertrögen deutscher Masttiere landet in erster Linie gv-Soja aus Südamerika. Nur so kann die gewaltige Fleischproduktion hierzulande aufrecht erhalten werden. Letztendlich verlagern wir durch unser Konsumverhalten das Gentechnikproblem in andere Länder, in denen der Widerstand geringer ist oder leichter gebrochen werden kann.

Die Autorin Anna Sandner (27) studierte Molekulare und Angewandte Botanik.

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