Vulkanausbrüche und Lavaströme sind nicht nur bedrohlich, sondern, aus sicherer Distanz beobachtet, auch faszinierend. Gerade in der Dämmerung und in der Nacht bietet das flüssige Gestein ein einzigartiges Naturschauspiel: Bis zu 1200 Grad Celsius heiß und orangerot leuchtend, spritzt oder quillt es aus der Erde, windet sich wie ein Bach die Bergflanke hinunter und erstarrt schließlich dampfend.
Umso seltsamer ist ein Anblick, der sich Forschenden und Urlaubern auf der indonesischen Insel Java bietet. Im Osten der Insel, am Vulkan Ijen, wälzen sich die Lavaströme in leuchtendes Blau gehüllt den Hang herunter. Allerdings nur scheinbar. Denn was hier fließt, ist kein geschmolzenes Gestein, sondern brennender Schwefel.
Im Untergrund der vulkanisch hoch aktiven Region befinden sich große Mengen Schwefel. An der Flanke des Vulkans Ijen tritt die gelbe Substanz, auf mehr als 500 Grad Celsius erhitzt, gasförmig aus. Ein Teil davon entzündet sich sofort und reagiert mit dem Sauerstoff der Atmosphäre zu Schwefeldioxid. Ein anderer Teil kondensiert und fließt, ebenfalls brennend, den Hang hinunter. Das blaue Schauspiel endet schließlich in dem knapp einen Kilometer langen und etwa 200 Meter tiefen Kratersee Kawah Ijen – dem "größten Säurefass der Erde", wie Forschende das lebensfeindliche Gewässer auch nennen. Das verlockend türkisfarbene Wasser ist nichts anderes als eine unwirtliche Lauge aus Wasser, Schwefel, Alaun, Gips und anderen gelösten Substanzen.
Schattenseiten der Schwefelgewinnung am Ijen
Das Naturschauspiel zieht seit einigen Jahren Schaulustige an, die sich in mehrstündigen Wanderungen, mit Gasmasken ausgerüstet, an die Gestade des Kratersees wagen. Denn das blaue Flammenmeer am Hang des Vulkans, von den Einheimischen Api Biru ("blaues Feuer") genannt, ist nicht nur ein sehr seltenes, sondern auch das größte Schauspiel seiner Art auf der Erde. Einen ähnlichen, blauen Flammenzauber können Tourist*innen nur noch in Äthiopien bestaunen, im Dallol: einer unwirklich anmutenden Landschaft mit zahlreichen Hydrothermalquellen und reichen Schwefelvorkommen.
Die teils meterdicken Schwefelablagerungen an der Bergflanke des Vulkans Ijen werden seit 1968 auch kommerziell ausgebeutet. Der Abbau erfolgt allerdings nicht im industriellen Maßstab, sondern in mühe- und gefahrvoller Handarbeit. Bei mehreren Gasausbrüchen starben Arbeiter; allein im Jahr 1976 erstickten 49 Schwefel-Bergleute.
Trotz seiner Giftigkeit spendet der Abfluss des Kawah Ijen auch Leben: Rund 40 Kilometer nördlich des Vulkankomplexes dient der Fluss Banyu Pahit in einer küstennahen Ebene zur Bewässerung von Äckern. Möglich machen das zahlreiche Zuflüsse, die den pH-Wert des ursprünglich extrem sauren Wassers erhöhen.