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Leseprobe: Die Türken vor Wien

Seit Generationen führen die Habsburger Krieg mit den Osmanen, bis der Sultan ein riesiges Heer gegen die Hauptstadt Österreichs sendet. Überhastet flieht der Kaiser aus seiner Residenz; Soldaten und Bürger aber stellen sich einem monatelangen, mörderischen Kampf um ihre Freiheit

Lesen Sie einen Auszug aus der neuen Ausgabe von GEOEPOCHE zum Thema "Die Macht der Habsburger":

Menschen laufen in Wiens Gassen zusammen, als am Nachmittag des 7. Juli 1683 eine Schreckensnachricht umgeht: Die Türken kommen! Reiter preschen durch die Menge, Wagen rumpeln zur Hofburg. Hastig laden Diener dort Kisten und Truhen auf.

Durch die Tore Wiens eilen derweil Leute aus den Vorstädten herein, beladen mit Bettzeug, Hausrat, Bündeln, die Kinder auf dem Arm. Manche treiben Vieh vor sich her. Rufe, Weinen, Geschrei. Brandgeruch liegt in der Luft, am Himmel ist Rauch zu sehen – am Horizont stehen Dörfer in Flammen.

Verwundete kaiserliche Soldaten erreichen die Stadt. Der Feind sei so nah, verkünden sie, dass er morgen Abend schon vor der Stadt stehen könne. Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg beruft eilig den Stadtrat ein. Dann schickt Leopold I. nach ihm. Unter Tränen vertraut der Kaiser Liebenberg die Stadt an und verspricht, „schleunigste Hilfe“ zu schicken.

Wer kann, der flieht

Abends um acht Uhr jagen die Kutschen des Monarchen und seiner Kinder aus der Burg, die hochschwangere Kaiserin tragen Läufer in einer Sänfte. Aufgeregte Menschen drängen an die Wagen heran: „Ach, Ihre Majestät, verlassen Sie uns nicht!“ Doch in einer langen Kolonne rollen Equipagen mit dem Hofstaat durch das Tor, mit Hofdamen und Kammerfräulein, die nichts als die Kleider am Leib mitnehmen. Nur weg, weg! Sogar die Türen der kaiserlichen Gemächer stehen noch offen.

Der Stadtrat lässt ausrufen, dass die Bürger ihre Pferde hergeben müssen, um die noch in den Zeughäusern lagernden Kanonen auf die Wälle zu schaffen. Doch für ein Pferd wird nun jede Summe gezahlt. Wer kann, der flieht. Vornehme Familien kauern sich auf schmutzige Leiterwagen, überladene Karossen brechen zusammen und blockieren die Wege. In vielen Häusern brennt in dieser Nacht Licht. Wer bleiben muss, findet vor Angst keinen Schlaf. „Es war das höchste Elend“, notiert der hessen-darmstädtische Gesandte in Wien.

Seit mehr als 300 Jahren drängen die Osmanen nach Europa

Die Stadt gilt als das Bollwerk der Christenheit gegen den Eroberungswillen der osmanischen Sultane, die seit mehr als 300 Jahren nach Europa drängen. Noch trennen die Alpen sowie die Karpaten den Machtbereich der Osmanen vom Herzen des Kontinents. Entlang der Donau aber könnte der Sultan seine Armeen vergleichsweise problemlos zwischen den Gebirgen hindurchführen. Doch um diesen Weg zu kontrollieren, muss er zuvor Wien erobern.

In den Köpfen der Wiener ist deshalb die „Türkengefahr“ tief verwurzelt, die Furcht vor dem schrecklichen, „ungläubigen“ Feind. Seit Generationen schon gepredigt von den Kanzeln, aufgerührt durch unzählige Flugblätter mit schaurigen Geschichten. Und nun ziehen die Männer vom Bosporus tatsächlich heran, mit einer ungeheuren Streitmacht.

Der Kampf um Wien erschüttert Europa: Fällt die Stadt, dann steht den Muslimen das Tor zum Abendland offen. Die Schlacht – der Höhepunkt in einem Ringen zwischen Habsburgern und Osmanen, das mehr als anderthalb Jahrhunderte zuvor begonnen hat – wird das Schicksal beider Dynastien prägen.

Den vollständigen Text können Sie in der neuen Ausgabe von GEOEPOCHE zum Thema "Die Macht der Habsburger" nachlesen.

Am 14. Juli 1683 schließen etwa 200 000 Mann unter der Führung des osmanischen Großwesirs Wien ein, attakieren dessen massive Befestigungen. Direkt vor der Hofburg zerstören sie mit unterirdischen Gängen und Sprengungen die Barrieren (Bildzentrum) - bis ein christliches Entsatzheer nach zwei Monaten die Angreifer zur Schlacht stellt (Vordergrund)
Am 14. Juli 1683 schließen etwa 200 000 Mann unter der Führung des osmanischen Großwesirs Wien ein, attakieren dessen massive Befestigungen. Direkt vor der Hofburg zerstören sie mit unterirdischen Gängen und Sprengungen die Barrieren (Bildzentrum) - bis ein christliches Entsatzheer nach zwei Monaten die Angreifer zur Schlacht stellt (Vordergrund)
© Dagli Orti/Museum der Stadt Wien/Art Archive

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GEO EPOCHE Nr. 46 - 12/10 - Die Macht der Habsburger

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