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Psychologie Ein Forscher erklärt, was Tiere uns schenken – und wir ihnen

Frauchen und Hund
Mensch und Tier können einander emotional anstecken: So übertragen sich mitunter Gelassenheit oder auch Freude
© mauritius images / EyeEm / Eva Blanco
Woher rührt der Wunsch, mit Tieren zusammenzuleben? Können wir zu Vierbeinern eine ebenso intensive Bindung aufbauen wie zu Menschen? Und gibt es wirklich Hunde- oder Katzentypen? Der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal über die Psychologie einer uralten Beziehung

GEO: Herr Professor Kotrschal, jedes Jahr geben Menschen viele Milliarden Euro für ihre Haustiere aus. Warum überhaupt hält man sich Tiere?

Prof. Kurt Kotrschal: Den Begriff "Haustier" mag ich nicht gern – Hunde, Katzen oder Pferde zeichnen sich ja nicht vornehmlich dadurch aus, dass man sie im Haus hat. Sondern dadurch, dass wir zu ihnen eine soziale Beziehung aufbauen. Es sind Gefährten, Kumpane. Daher spreche ich meist von "Kumpan-Tieren". Vor allem gibt es diese Kumpan-Tiere nicht erst, seit der Mensch sesshaft ist, in Häusern lebt.

Wie weit reichen die gemeinsamen Beziehungen zurück?

Bis zu unseren Jäger-und-Sammler-Vorfahren. So wissen wir zum Beispiel, dass die nahe Beziehung zwischen Mensch und Wolf wohl schon vor 40.000 Jahren begonnen hat. Wahrscheinlich haben Menschen seit jeher mit Tieren zusammengelebt, ohne sie unbedingt essen zu wollen. Einen Anhaltspunkt bieten die letzten heute noch existierenden Jäger- und -Sammler-Kulturen, etwa im Amazonasgebiet. Dort nehmen die Menschen die Jungen von erlegten Muttertieren bei sich auf. Sie schießen zum Beispiel einen weiblichen Klammeraffen und ziehen das Affenbaby groß. Einerseits ist das Tierkind ein Gefährte für die Menschenkinder, sie verbringen Zeit miteinander, können Beziehungen zu dem Tier knüpfen. Andererseits hat das Verhalten auch spirituelle Wurzeln: Die Sorge um den Nachwuchs stiftet Versöhnung mit dem Geist der getöteten Mutter. In der Spiritualität liegt höchstwahrscheinlich die Wurzel all unserer Tierbeziehungen – und umgekehrt die Wurzel des Menschseins.

Ging es unseren Vorfahren stets um spirituelle Besänftigung?

Sie alle glaubten an die Beseeltheit der Natur und damit auch der Tiere. Manche Geschöpfe wurden als enge Verwandte betrachtet, als Totems, als spirituelle Mittler. Menschen sprachen ihnen bestimmte Eigenschaften wie Mut und Ausdauer, Klugheit und Kraft zu. Und sie wollten diese Eigenschaften wohl im spirituellen Kontakt mit den Tieren auch selbst erwerben.

Gilt das auch heute noch, etwa wenn sich Menschen mit besonders kräftigen Hunden umgeben?

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