Wenn du auf der Straße Menschen beobachtest, kannst du aus ihrem Gang sicher intuitiv viele Informationen gewinnen: Ist die Person gelassen, oder hat sie es eilig, ist sie fröhlich oder eher bedrückt? Doch das ist noch lange nicht alles, was der Gang über einen Menschen verrät. Das zeigt eine Studie von Forschern der Duke University in Durham (US-Bundesstaat North Carolina).
Ausgangspunkt für die Forschung des Teams um die Molekular-Biomedizinerin Line Jee Hartmann Rasmussen war ein Phänomen, das in der Medizin schon länger bekannt ist. Co-Autorin Terrie E. Moffitt erklärt in einer Stellungnahme:
Ärzte wissen, dass langsame Läufer in ihren Siebzigern und Achtzigern tendenziell früher sterben als schnelle Läufer im selben Alter.
Nun wollten die Forscher wissen, ob der Gang auch Erkenntnisse über jüngere Personen zulässt. Sie nahmen sich einen Datensatz vor, der etwa 1000 Menschen umfasste. Gut 900 davon konnten die Forscher in ihre Untersuchung einschließen. Die Probanden waren alle im gleichen Jahr in der neuseeländischen Stadt Dunedin geboren und zum Zeitpunkt der Studie 45 Jahre alt. Seit dem dritten Lebensjahr hatten die Personen regelmäßig an Tests teilgenommen.
Um ihren Gang zu untersuchen, stellten die Forscher ihnen drei Aufgaben. Zunächst sollten sie normal schnell auf einem Laufband laufen. Danach sollten sie dabei eine Denkaufgabe lösen, genauer gesagt: Buchstaben des Alphabets wiedergeben. Und zum Schluss sollten sie so schnell laufen, wie es ihnen möglich war, ohne zu rennen. Bei allen drei Aufgaben maßen die Forscher die Gehgeschwindigkeit.
Darüber hinaus erfassten die Wissenschaftler noch den IQ, machten Hirn-Scans und erhoben weitere biologische Daten – von Blutwerten bis zum Zahnzustand. Diese Daten können Auskunft über das körperliche Alter geben, das vom kalendarischen Alter durchaus abweichen kann.
Und tatsächlich! Menschen mit einem langsamen Gang sind biologisch älter als Personen, die im selben Jahr geboren sind und schneller gehen
Ihr gesundheitlicher Zustand ist tendenziell schlechter. Zudem legt die Studie nahe, dass sich schnelle und langsame Läufer bei der Denkfähigkeit unterscheiden: Die langsamste Versuchsperson lag 16 IQ-Punkte unter der schnellsten.
Und nicht nur das: Ein Blick auf die Daten aus der Kindheit der Probanden verrät, dass es offenbar möglich ist, mit dem IQ und anderen Tests die Gehgeschwindigkeit im Alter von 45 vorherzusagen. Bereits die ersten Testergebnisse der damals drei Jahre alten Probanden scheinen dafür aufschlussreich zu sein.
Studienautorin Rasmussen kommentiert:
Wir haben hier möglicherweise die Chance, zu erkennen, wem es im späteren Leben gesundheitlich besser gehen wird.
Die Untersuchung der Ganggeschwindigkeit sei eine günstige, sichere und einfache Methode, dies herauszufinden. Das Wissen könne genutzt werden, um altersbedingten Schäden vorzubeugen. Prävention sei nämlich einfacher, als bereits entstandene Probleme rückgängig zu machen.
Die Gerontologin Stephanie Studenski wendet ein:
Wir sollten nicht annehmen, dass schlechte Ergebnisse von dreijährigen Kindern bei kognitiven Tests diese zu lebenslangen Problemen verdammen.
Studenski antwortete in einem Kommentar auf die Studie von Rasmussen und ihrem Team. Sie empfiehlt: Forscher sollten einen Blick darauf werfen, was zu einer schlechteren Performance beiträgt und wie diese Faktoren verbessert werden können.
Auch die Studienautoren sehen, dass die Forschung die Verknüpfung zwischen Denkfähigkeiten in der Kindheit und Gangtempo im Erwachsenenalter noch weiter entschlüsseln muss. Forscherin Rasmussen bedauert vor allem, dass die Lauftests und Gehirnscans nicht schon im Kindesalter der Probanden durchgeführt wurden. So fehlen den Wissenschaftlern Daten, die möglicherweise aufschlussreich gewesen wären.
Grundsätzlich sind sich Rasmussen, Studenski und Co. aber einig: Die Gehgeschwindigkeit ist ein wichtiger Indikator für das biologische Alter.
Dieser Artikel wurde erstmals im November 2019 veröffentlicht.