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Geschichte Hitler-Putsch 1923

Was an der Feldherrnhalle wirklich geschah

Am 9. November 1923 endete der Aufstand der Nationalsozialisten in einem kurzen Feuergefecht am Südrand des Münchner Odeonsplatzes. Die NSDAP machte daraus einen Mythos, auch mithilfe manipulierter Bilder. Die Realität sah anders aus.
Leitender Redakteur Geschichte
+honorarpflichtig+++ München; Feldherrnhalle (Odeonsplatz); Hitler-Putsch 9. November 1923; Gruppenbild(Putschisten u.Bayerische Landespolizei); Hitler, Adolf [Politiker 1889-1945], Material/Technik: Fotografie (Montage: Gemälde u. Fotografie), Inventar-Nr.: 22432, , Darf nicht für Werbung verwendet werden!, Copyright: bpk / Bayerische Staatsbibliothek / Heinrich Hoffmann +honorarpflichtig+++ München; Feldherrnhalle (Odeonsplatz); Hitler-Putsch 9. November 1923; Gruppenbild(Putschisten u.Bayerische Landespolizei); Hitler, Adolf [Politiker 1889-1945], Material/Technik: Fotografie (Montage: Gemälde u. Fotografie), Inventar-Nr.: 22432, , Darf nicht für Werbung verwendet werden!, Copyright: bpk / Bayerische Staatsbibliothek / Heinrich Hoffmann
Eine Fotomontage, die das tatsächliche Geschehen in München am 9. November 1923 gegen 12.40 Uhr stark verzeichnet. Hergestellt wurde sie in der Firma von Heinrich Hoffmann
Quelle: bpk/Bayerische Staatsbibliothek/Heinrich Hoffmann
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Fast 30 Mann breit zieht die Demonstration gen Norden durch die Münchner Residenzstraße. Etwas außerhalb der Mitte: ein mittelgroßer Mann in hellem Mantel. Genau dort, wo das Podest der Feldherrnhalle endet und der Odeonsplatz in Münchens Innenstadt beginnt, stoppt der Zug – denn ihm stehen zwei Dutzend Männer mit Stahlhelmen und Karabinern gegenüber. Wer das Bild betrachtet, spürt geradezu die knisternde Spannung und ahnt, dass es im nächsten Moment zur Eskalation kommen wird.

Diese Illustration ist im Dritten Reich zehntausendfach als Postkarte verbreitet worden. Es gibt auch eine Variante ohne die Männer mit Stahlhelmen im Vordergrund. Denn es handelt sich nicht um eine Fotografie, sondern um eine Montage aus Fotos der Residenzstraße und der von hinten aufgenommenen Bewaffneten sowie aus teilweise gezeichneten, teilweise aus weiteren Fotos herausgeschnittenen Marschierern. Die bekannte Darstellung, hergestellt in der Firma des NSDAP-Fotografen Heinrich Hoffmann, ist manipuliert.

Die Wirklichkeit ist durch Zeitungsartikel, Augenzeugenberichte und sehr zeitnah gemachte Aussagen sowohl von beteiligten Landespolizisten (denn die Männer mit Stahlhelmen und Karabinern gehörten zur paramilitärischen Landespolizei, nicht zur Reichswehr) als auch von einzelnen Nationalsozialisten vergleichsweise gut dokumentiert – auch wenn sich nicht alle Fragen klären lassen. Vor allem gab es keine Tatortarbeit, bei der Spuren gesichert worden wären.

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Eine Variante der Fotomontage, koloriert und ohne die Landespolizisten im Vordergrund. Sie wurde als Postkarte verbreitet
Quelle: Sammlung Kellerhoff

Am 9. November 1923 morgens war klar, dass der am Vorabend begonnene Putsch gescheitert war. Die Reichswehr in Bayern und die Landespolizei hatten sich entgegen Hitlers Erwartung nicht auf seine Seite geschlagen. Von den in München ausgewählten Zielen hatte nur eines, das Wehrkreiskommando an der Ludwigstraße besetzt werden können, nicht aber der Hauptbahnhof und auch nicht die Telegrafenämter.

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Die Putschisten hatten nun nur noch zwei Optionen: Entweder zogen sie sich Richtung Südosten zurück, weg von den in der Innenstadt konzentrierten Reichswehr- und Landespolizeiverbänden – etwa nach Rosenheim. Aus konventioneller militärischer Sicht war das naheliegend. Oder sie taten das Gegenteil und marschierten in die Innenstadt hinein – zum Wehrkreiskommando, um die dort inzwischen von regierungstreuen Verbänden eingeschlossenen Mitputschisten zu entsetzen. Das schlug Erich Ludendorff vor.

Für Adolf Hitler gab es angesichts dieser beiden Alternativen nur eine Wahl. Er hatte seit seinem Einstieg in die Politik stets Vabanque gespielt. Ein Rückzug mochte taktisch oder strategisch geboten sein, doch er passte nicht zu ihm.

Am späten Vormittag dieses Freitags kam Hitlers Mentor Dietrich Eckart in den von der SA besetzten Bürgerbräukeller. Wenige Tage später sagte der völkisch-antisemitische Publizist über Hitler aus: „Er sah sehr finster aus und sagte zu mir nichts weiter als mit sehr harter Stimme ein ,Guten Tag‘. Ich ging hinter seiner Eskorte mit hinunter ins Freie auf die Straße. Dort sah ich, wie er mit Ludendorff sprach.“

Hitler hoffte, der Mythos des Weltkriegs-Generals Ludendorff könnte die Einheiten der Reichswehr und der Landespolizei zumindest zum Rückzug bewegen. Deshalb stand er, möglicherweise tatsächlich in einem hellen Mantel (die Aussagen widersprechen einander) in der ersten Reihe der auf der Rosenheimer Straße gebildeten Marschkolonne neben dem Ex-General.

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Sie bestand aus geschätzt etwa 2000 Menschen, vor allem den SA-Leuten, die seit dem Abend im Bürgerbräukeller ausgeharrt hatten; einigen Abteilungen des Freikorps Bund Oberland und anderer Wehrverbände; ferner NSDAP-Mitgliedern, Hitler-Sympathisanten und Schaulustigen. Dietrich Eckart hatte die „dunkle Ahnung, dass irgendein Verhängnis“ sich anbahnte.

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Die Kolonne marschierte los; es waren knapp drei Kilometer bis zum besetzten Wehrkreiskommando. Auf der Ludwigsbrücke über die Isar kam es zu einer ersten Konfrontation mit einer Polizeisperre; sie endete unblutig. Das war nicht selbstverständlich, denn im Gegensatz zu späteren Behauptungen waren die Hitler-Anhänger schwer bewaffnet: Zahlreiche Männer führten geladene Karabiner, oft mit Bajonetten, und Pistolen mit sich. Auch schwere und leichte Maschinengewehre wurden geschleppt oder mitgezogen.

Nach dem Durchbruch auf der Ludwigsbrücke zog sich die Landespolizei erst einmal zurück. Münchens Stadtkommandant hatte befohlen, die Kolonne aus dem Bürgerbräukeller dürfe das Wehrkreiskommando nicht erreichen. Es war klar, dass eine zwölf Mann breite und mehr als hundert Meter lange Kolonne eigentlich nur über den Marienplatz und die Theatiner-, notfalls über die Residenzstraße dorthin gelangen konnte.

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Auf dem Odeonsplatz, in den von Süden her sowohl die Theatiner- wie die Residenzstraße mündeten, sammelten sich Landespolizisten. Einer ihrer Offiziere war Leutnant Max Demmelmeyer; er sah durch die Theatinerstraße einen „Zug herannahen, der Hitler-Fahnen bei sich trug. Ich sprang in die Residenz und holte mir noch einige Gruppen zum Absperren“. Als er wieder auf dem Odeonsplatz stand, fiel ihm auf, dass der Zug abbogen war und nun die parallel, nur etwas weiter östlich verlaufende Residenzstraße auf den Odeonsplaz zukam.

An der Kante der Feldherrnhalle positionierte sich ein Trupp Landespolizisten unter dem Kommando des Oberleutnants Michael von Godin. Seine Männer hielten ihre Karabiner, die Mündungen nach unten gerichtet, mit beiden Händen vor ihren Körpern. Das war die übliche Haltung, mit der Menschenmengen gestoppt wurden. Es war ziemlich genau 12.40 Uhr.

Als der inzwischen nur noch etwa acht Mann pro Reihe breite Zug auf die Polizeikette stieß, kam es zu Rangeleien. Godin berichtete am folgenden Tag: „Einzelne meiner Leute wurden angepackt und ihnen die entsicherte Pistole auf die Brust gesetzt. Meine Leute arbeiteten mit Kolben und Gummiknüppeln. Ich persönlich hatte zu meiner Verteidigung, um nicht frühzeitig von meiner Pistole Gebrauch machen zu müssen, einen Karabiner genommen, parierte damit zwei mir vorgehaltene Bajonette und rannte die Betreffenden mit quer gehaltenem Karabiner über den Haufen.“

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Was in den folgenden Sekunden geschah, lässt sich allerdings nicht eindeutig klären. Hitler und Nationalsozialisten wie Gottfried Feder behaupteten, die Landespolizisten hätten ihre Karabiner angelegt. Friedrich Weber, der Chef des Bundes Oberland, sagte aus: „Ich sehe noch ganz deutlich plastisch vor mir, wie ein Offizier der Landespolizei – wie ich später hörte: ein Oberleutnant von Godin – einem seiner Leute den Karabiner entriss.“ Der Polizeioffizier habe dieses Gewehr einem Fahnenträger des Zuges auf die Brust gesetzt, der aber die Waffe mit der Fahnenstange zur Seite geschlagen habe. Diese Darstellung jedoch konnte der Mitverschwörer Hermann Kriebel, der direkt neben Weber marschiert war, auf Nachfrage ausdrücklich nicht bestätigen.

Godin selbst schilderte die Situation schlüssiger: „Plötzlich gab ein Hitler-Mann, der einen Schritt halblinks von mir stand, einen Pistolenschuss auf meinen Kopf ab. Der Schuss ging an meinem Kopf vorbei und tötete einen hinter mir stehenden Wachtmeister.“ Der Oberleutnant erstarrte, wenn auch nur einen Augenblick lang: „Noch bevor es mir möglich gewesen war, einen Befehl zu geben, gaben meine Leute Feuer, was die Wirkung einer Salve auslöste. Zu gleicher Zeit nahm die Hitler-Truppe das Feuer auf und es entspann sich etwa 20 bis 25 Sekunden lang ein regelrechter Feuerkampf.“

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Der Münchner Odeonsplatz am frühen Nachmittag des 9. November 1923
Quelle: Bundesarchiv
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Das bestätigte ein nationalsozialistischer Student; Walter Hewel, später und bis Ende April 1945 Mitglied der Hitler-Entourage, sagte noch 1923 aus: „Ich warf mich, nachdem Schüsse krachten, die ersten krachten, glaube ich, rechts von mir, zu Boden. Ich schoss mit meinem Gewehr einige Male auf die Landespolizisten; ob ich jemanden getroffen habe, weiß ich nicht.“

Hitler wurde bei Beginn der Schießerei von seinem Leibwächter Ulrich Graf zu Boden gerissen, wobei er sich die Schulter auskugelte. Vier Polizisten und 14 Nationalsozialisten starben sofort oder wenig später. Die Demonstranten nahmen nun reißaus und rannten durch die Residenzstraße nach Süden. Ihre Waffen ließen die flüchtenden Marschierer meist fallen. Die Landespolizei sammelte noch in den Mittagsstunden mehrere hundert Gewehre und Maschinenpistolen, mehr als 10.000 Schuss Munition, außerdem Handgranaten, Bajonette, Pistolen sowie sogar leichte und schwere Maschinengewehre ein.

Der verletzte NSDAP-Chef wurde am Nationaltheater von einem Auto aufgenommen und eilig weggefahren. Er setzte sich nach Uffing am Staffelsee ab, um weiter nach Österreich zu flüchten. Doch am 12. November 1923 wurde er in seinem Versteck, dem Landhaus der Familie Hanfstaengl, festgenommen.

Sven Felix Kellerhoff: Der Putsch. Hitlers erster Griff nach der Macht. Klett-Cotta Stuttgart. 368 S., 25 Euro

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