WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. NSDAP-Parteitag 1923: Hitler erklärte, „man könne ihn auch erschießen“

Geschichte Erster NSDAP-Parteitag 1923

Hitler erklärte, „man könne ihn auch erschießen“

Um die bayerische Landesregierung vorzuführen, wollte Hitler den ersten „Reichsparteitag“ seiner NSDAP in München als Massenspektakel inszenieren. Das bürgerlich-konservative Kabinett verstand das Kalkül nicht. Den Rest besorgten Drohungen.
Leitender Redakteur Geschichte
1.Parteitag der NSDAP 1923/Ortsgruppen.. Weimarer Republik / Erster Reichspartei- tag der NSDAP in Muenchen, vom 27.-29. Januar 1923. - Bayerische Ortsgruppen mit ihren Fahnen vor dem Hauptquartier der Partei.- Foto. 1.Parteitag der NSDAP 1923/Ortsgruppen.. Weimarer Republik / Erster Reichspartei- tag der NSDAP in Muenchen, vom 27.-29. Januar 1923. - Bayerische Ortsgruppen mit ihren Fahnen vor dem Hauptquartier der Partei.- Foto.
Aufmarsch der bayerischen Ortsgruppen zum ersten Parteitag der NSDAP in München
Quelle: picture-alliance / akg-images
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Deutschland war sich einig: Die französisch-belgische Besetzung des Ruhrgebiets war ein Skandal. Über alle politischen Konflikte hinweg sah man das von Flensburg bis Garmisch, vom (gleichfalls besetzten) Aachen bis nach Königsberg so; linke Sozialdemokraten unterschieden sich im Januar 1923 darin nicht von reaktionären Deutschnationalen.

Gerade diese Einigkeit wurde zum Problem für die bisher radikalste Stimme der deutschen Politik, die NSDAP. Denn gleich den deutschen Kommunisten konnte Parteichef Adolf Hitler nicht einstimmen in die allgemeine Klage; das hätte seiner Bewegung endgültig ihr Alleinstellungsmerkmal gekostet.

Also musste er anders reagieren – und entschied sich für einen Befreiungsschlag. Das Ziel: Seine Bewegung als radikale Alternative zur Einheitsfront von SPD bis DNVP darstellen und möglichst gleichzeitig die bayerische Regierung vorführen. Also benannte er die laut Vereinsgesetz Ende Januar anstehende Generalmitgliederversammlung der NSDAP zum ersten „Reichsparteitag“ um. Als wesentliche Programmpunkte plante Hitler gleich zwölf parallele Versammlungen in München, auf denen er nacheinander kurz sprechen wollte, sowie einen öffentlichen Aufmarsch am folgenden Tag.

Die undatierte Abbildung zeigt den deutschen Politiker Eugen Ritter von Knilling (1865-1927). Er war im Kaiserreich Kultusminister und in der Weimarer Republik Ministerpräsident Bayerns.(Undatierte Aufnahme)
Eugen Ritter von Knilling (1865–1927), Ministerpräsident Bayerns
Quelle: picture-alliance / dpa

Bayerns katholisch-konservativer Ministerpräsident Eugen von Knilling (Bayerische Volkspartei) verstand das Kalkül nicht: Gegen wen richtete sich der NSDAP-Chef eigentlich? In Bayern regierte ein rechtes Kabinett, das im Gegensatz etwa zum sozialdemokratisch dominierten Preußen der Hakenkreuz-Bewegung weit entgegengekommen war. Zum Beispiel hatte Knilling die braune Partei nicht verboten. In Berlin amtierte die bürgerliche Regierung von Reichskanzler Wilhelm Cuno, die mit dem Aufruf zum passiven Widerstand um jeden Preis gegen die Ruhrbesetzung das glatte Gegenteil der „Erfüllungspolitik“ umsetzte, die Hitler in praktisch jeder seiner Reden geißelte.

Lesen Sie auch

Knilling konnte kein konkret politisches Ziel hinter dem Vorgehen der Nationalsozialisten erkennen. Daher lag nahe, dass Bayerns Innenminister Franz Xaver Schweyer und sein Polizei-Referent Josef Zetlmeier recht hatten. Beide warnten intern schon seit Ende 1922, dass bei der nächsten Großveranstaltung der NSDAP ein Putsch drohe. Angesichts des kurzfristig angekündigten „Reichsparteitages“ regte Schweyer an, über Bayern den Ausnahmezustand zu verhängen. Zunächst aber beschloss der Ministerrat nur, Veranstaltungen unter freiem Himmel zu untersagen.

Als dieses Verbot Hitler zugestellt wurde, fügte er sich nicht etwa, sondern „brachte in leidenschaftlichen Worten seine Entrüstung gegen die ihm mitgeteilte ministerielle Weisung zum Ausdruck“, wie die Münchner Polizeidirektion festhielt. Es folgte im Protokoll eine unmissverständliche Drohung des NSDAP-Chefs: „Herr Hitler redete sich immer weiter in die Aufregung hinein. Die Regierung könne schießen, er werde sich an die Spitze stellen und man könne ihn auch erschießen.“ Zwei Stunden nach dem ersten Schuss werde die Regierung jedoch „erledigt“ sein.

Nach dieser vehementen Reaktion trat das bayerische Kabinett erneut zusammen. Der neue Kommandeur des bayerischen Wehrkreises VII der Reichswehr, General Otto von Lossow, sprach sich dabei gegen ein hartes Vorgehen aus. Doch das hatte ihm sein Mitarbeiter Hauptmann Ernst Röhm eingeflüstert – der selbst ein überzeugter Nationalsozialist war.

Lesen Sie auch

Also empfahl Lossow dem Kabinett, Hitler genügend Spielraum zu lassen, damit er sein Gesicht wahren könne: „Seiner Bewegung könne nur langsam das Wasser abgegraben werden, nicht in zwölf Stunden.“ Falls die NSDAP tatsächlich Ernst machen wolle, habe die Reichswehr die Lage im Griff, auch wenn es in der Truppe Sympathien für Hitler gebe.

Die Polizei rechnete mit bis zu 40.000 Teilnehmern, von denen 15.000 echte Hitler-Anhänger seien. Schließlich entschied sich der Ministerrat für einen Kompromiss: Knilling verhängte den Ausnahmezustand, erlaubte Hitler aber nach dessen Versprechen, für einen „vollständig einwandfreien Verlauf des Parteitages“ zu bürgen, einen öffentlichen Aufmarsch auf dem Marsfeld nördlich der Gleise des Münchner Hauptbahnhofes und sechs parallele Versammlungen in verschiedenen Bierkellern.

Anzeige

Genau dieses Hin und Her nutzte der NSDAP-Chef: „Hitler gebärdete sich über die neuerliche Maßnahme geradezu verzweifelt“, hielt Münchens Polizeipräsident Eduard Nortz fest: „Durch den fortgesetzten Wechsel in den Entscheidungen seien seine Leute und seine Gäste schon fast außer Rand und Band, und es sei gar nicht zu vermeiden, dass bei einer Programmänderung Schwierigkeiten ernstester Art entstünden.“ Weil angeblich die Verteilung der Plakate nicht mehr gestoppt werden konnte, fanden am Abend des 27. Januar 1923 alle geplanten zwölf Versammlungen statt und nicht wie genehmigt sechs.

9-1923-1-27-A1 (119792) 1.Parteitag der NSDAP 1923/Fahnenparade Weimarer Republik / Erster Reichspartei- tag der NSDAP in München, vom 27.-29. Januar 1923. - Fahnenparade auf dem Marsfeld nach der Fahnenweihe.- Foto, 28. Januar 1923. E: 1st Party Convention of NSDAP 1923. Germany: Weimar Republic / Parties. First Reichs party convention of the NSDAP in Munich, 27 - 29 January 1923. - Parading of flags on the Marsfeld after their consecration. - Photo, 28 January 1923. F: République de Weimar / 1er congrès du pa République de Weimar / 1er congrès du parti nazi à Munich, du 27 au 29 janvier 1923. - Défilé de drapeaux sur le champ de Mars après la consécration des drapeaux. - 28 janvier 1923.
Die Kundgebungen der NSDAP zogen Zehntausende Sympathisanten an
Quelle: picture alliance / akg-images

Das SPD-Blatt „Vorwärts“ bilanzierte treffend: „Hitler marschiert. Er kümmert sich den Teufel um Ausnahmezustand und die Wünsche der bayerischen Regierung.“ Mindestens 20.000 Sympathisanten kamen in die zwölf Großlokale; alle hörten nacheinander ähnliche Reden. Stets erhob der NSDAP-Chef heftige Vorwürfe gegen die „Revolutionsverbrecher“ und den „inneren Feind“.

Außerdem wies Hitler die Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch der NSDAP zurück: „Es sei falsch zu behaupten, dass die Partei der Regierung gedroht habe; sie habe nur erklärt, dass, wenn die Regierung die Abhaltung des Parteitages verhindere, sie dann auch die Konsequenzen zu tragen habe.“ Das sollte keine Drohung sein?

Am folgenden Vormittag, dem 28. Januar 1923, versammelten sich NSDAP-Anhänger und Sympathisanten auf dem Marsfeld; Hitler nahm eine Parade von 6000 Männern ab. Nur maximal ein Viertel der Marschierer gehörte zur SA, und selbst diese Männer waren aus ganz Bayern zusammengezogen worden. Obwohl also die Masse gar nicht erklärte Anhänger der Hitler-Bewegung waren, wirkte der Aufmarsch wie eine reine NSDAP-Veranstaltung. Das lag einerseits an der Präsenz Hunderter oft selbst genähter Hakenkreuzfahnen und andererseits an der persönlichen Dominanz Hitlers.

Lesen Sie auch

„Es herrscht hier nun mit Recht allgemein das Gefühl, dass die Regierung sich gründlich blamiert habe, und es kursierte heute morgen schon das Gerücht vom Rücktritt des Ministers des Innern“, berichtete Carl Moser von Filseck, der Gesandte des Landes Württemberg in München, an die Landesregierung in Stuttgart: „Die Abendblätter bringen ein Dementi, aber es besteht zweifelsohne eine Krise, deren Verlauf sich noch nicht voraussagen lässt.“

Grund war die Unentschiedenheit Knillings, der sich hatte vorführen lassen: „Das Ansehen der Regierung hat dadurch einen sehr bedauerlichen Stoß erlitten, und zwar sowohl auf der rechten ebenso wie auf der linken Seite.“ Mit viel Chuzpe und Rücksichtslosigkeit hatte Hitler es geschafft, sich durchzusetzen: Er war eindeutig der Sieger des Kräftemessens rund um den ersten Reichsparteitag der NSDAP.

Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.

Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

„WELT History“ – jetzt abonnieren unter anderem bei Spotify, Apple Podcast, Deezer, Amazon Music, Google Podcasts oder direkt den RSS-Feed.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema