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Geschichte Durchbruch der NSDAP

Nur einmal schlug Hitler eigenhändig zu

Mitte Oktober 1922 rief der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund, die größte antisemitische Bewegung der jungen Weimarer Republik, zum „Deutschen Tag“ nach Coburg. Eingeladen wurde auch eine Splitterpartei aus Oberbayern: die NSDAP.
Leitender Redakteur Geschichte
Die Anführer der NSDAP-Abordnung beim „Deutschen Tag“ in Coburg. In der ersten Reihe steht Adolf Hitler in Mantel, mit Hut und dem Schäferhund „Wolf“ an seiner Seite. Hinter ihm sein Leibwächter Ulrich Graf und im dunkle Mantel sein Chauffeur und Freund Julius Schreck. Gemacht hatte das Bild der Münchner Fotograf Heinrich Hoffmann, der ebenfalls früh zur NSDAP gehörte Die Anführer der NSDAP-Abordnung beim „Deutschen Tag“ in Coburg. In der ersten Reihe steht Adolf Hitler in Mantel, mit Hut und dem Schäferhund „Wolf“ an seiner Seite. Hinter ihm sein Leibwächter Ulrich Graf und im dunkle Mantel sein Chauffeur und Freund Julius Schreck. Gemacht hatte das Bild der Münchner Fotograf Heinrich Hoffmann, der ebenfalls früh zur NSDAP gehörte
Die Anführer der NSDAP-Abordnung beim „Deutschen Tag“ in Coburg. In der ersten Reihe steht Adolf Hitler in Mantel, mit Hut und dem Schäferhund „Wolf“ an seiner Seite
Quelle: bpk | Bayerische Staatsbibliothe
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Einem Konkurrenten schenkt man gewöhnlich nichts. Doch im Herbst 1922 war diese Regel außer Kraft gesetzt, zumindest im zersplitterten rechtsextrem-antisemitischen Milieu der Weimarer Republik. Da machte der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund (DVSTB) einem Mitbewerber um seine Klientel ein Angebot, das für Adolf Hitler und seine Bewegung eine enorme Chance war.

Eigentlich hatte der DVSTB die besten Ausgangsbedingungen, dominierende Kraft am äußersten rechten Rand der verunsicherten deutschen Gesellschaft zu sein. Zahlenmäßig stark war er ohnehin: Mit mehr als 120.000 Mitgliedern verfügte der Bund über eine weitaus größere Massenbasis als jede ähnliche Gruppierung. Weil zudem viele seiner Anhänger gut situierte Bürger waren, stand genug Geld zur Verfügung: Flugblätter und Broschüren konnten kostenlos verteilt, Massenversammlungen dank bekannt guter Bonität kurzfristig organisiert werden. 16 Mitarbeiter waren fest und weitere 25 zeitweise in der Hauptgeschäftsstelle beschäftigt.

+honorarpflichtig+++ Coburg; Deutscher Tag 14./15. Oktober 1922; Gruppenbild; Ernst, Karl [Obergruppenführer 1904-1934]; Rosenberg, Alfred [Reichsleiter 1893-1946]; Schaub, Julius [Adjutant, Obergruppenführer 1898-1967], Material/Technik: Fotografie, Höhe x Breite 14 x 23 cm, Inventar-Nr.: 22095 Darf nicht für Werbung verwendet werden! , Copyright: bpk | Bayerische Staatsbibliothek | Heinrich Hoffmann
1922 gab es noch keine braunen SA-Uniformen – das Erkennungszeichen der Hitler-Anhänger war die Hakenkreuzbinde
Quelle: bpk | Bayerische Staatsbibliothe

Trotzdem hatte die DVSTB-Spitze der NSDAP im Spätsommer 1922 angeboten, am „Deutschen Tag“ in Coburg teilzunehmen – dabei war Hitlers Gruppe zu dieser Zeit nur eine oberbayerische Regionalpartei mit einigen Tausend Mitgliedern und einer defizitären Zeitung namens „Völkischer Beobachter“. Am 14. und 15. Oktober 1922 sollten die „Hakenkreuzler“, wie man damals verbreitet sagte, sich beim großen Treffen des DVSTB präsentieren dürfen.

Nach dem von rechtsextremen Terroristen verübten Mord an Reichsaußenminister Walther Rathenau Ende Juni 1922 war der DVSTB überall in Deutschland verboten worden – überall außer in Bayern. Daher standen nur bayerische Städte als Veranstaltungsort für das schon dritte derartige Treffen nach Weimar 1920 und Detmold 1921 zur Verfügung.

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Um die Anreise für möglichst viele Anhänger zu ermöglichen, kam nur ein Ort in der Mitte Deutschlands infrage – und einer, in dem reaktionäre Parteien zumindest ähnlich stark waren wie die Linke. Das „rote“ Nürnberg schied daher aus, ebenso Würzburg wegen seines demokratisch gesinnten Oberbürgermeisters. In Coburg dagegen, erst seit 1920 Teil des Freistaates Bayern, regierte ein altgedientes Stadtoberhaupt aus Kaisers Tagen. Zudem war der regionale DVSTB-Chef, ein Hilfslehrer namens Hans Dietrich, besonders aktiv.

Die Parteiführung der NSDAP bat um einen Rabatt auf die Teilnahmegebühr, wenn sie mit 600 Mann in einem Sonderzug anreisen würde. Dietrich sagte zu, sofern Hitler persönlich nach Coburg komme. Das Kalkül des DVSTB war, den eigenen Anhängern zu zeigen, wie „man Stoßtrupps aufzieht“, begründete der Vorsitzende Gertzlaff von Hertzberg. Der eigentlich starke Mann der Völkischen, Hauptgeschäftsführer Alfred Roth, war zwar sonst selten einer Meinung mit Hertzberg. Aber in diesem Fall diente er sich dem NSDAP-Chef geradezu an: „Nicht jeder kann ein Hitler sein; aber ein Mann, ein ganzer Kerl, ein Bekenner seiner deutschen Art, das kann ein jeder sein und muss es.“

SA beim Deutschen Tag in Coburg 1922 "Deutscher Tag" in Coburg, 14. Oktober 1922 (Treffen voelkischer Verbaende). - SA beim Deutschen Tag in Coburg. - Foto.
Gern mit (Schäfer-)Hund: Hitler-Anhänger in Coburg Mitte Oktober 1922
Quelle: picture-alliance / akg-images

Ziel der Deutschvölkischen war, die Nationalsozialisten einzubinden. Doch daran hatte Hitler kein Interesse. Zusammen mit etwa 650 Anhängern reiste er aus München an. Zusammenstöße gab es schon beim Halt in Nürnberg: „Unser Zug war dekoriert, Juden in einem Zug gegenüber fanden, das sei eine Schande“, erinnerte sich Hitler 1941 und lobte einen Vertrauten: „Julius Schreck sprang auf die Gruppe zu und hat gleich dreingeschlagen.“

In Coburg selbst fanden die Nationalsozialisten schnell Gelegenheit, Regeln zu ignorieren. Die Regierung von Oberfranken hatte angeordnet, dass „auf provozierende Umzüge mit Fahnen, Musik und Marschordnung“ zu verzichten sei. Das hatte Dietrich dem Gast Hitler auch mitgeteilt. Doch der NSDAP-Chef ignorierte die Weisung. Auf dem Bahnhof rief ein Polizist laut: „Wer ist Herr Hitler?“ Der Parteichef meldete sich: „Hier!“ Der Beamte teilte mit: „Es ist verboten, hier geschlossen zu marschieren!“ Hitler fragte: „Ist Coburg bayerisch?“ Als der Polizist bestätigte, bekam er zur Antwort: „Dann marschieren wir hier, denn Coburg hat keine anderen Gesetze, und ich marschiere auch in München!“

Gleich auf dem Weg in die Stadt eskalierte die Lage: Linke Demonstranten riefen „Mörder“ und „Gauner“ oder „Lumpen“, sogar „Saubayern“. Daraufhin griffen die SA-Männer jeden an, der sich ihnen in den Weg stellte. Die Kolonne marschierte zu den Hofbräu-Gaststätten; dort blockierten Polizisten die Eingänge.

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Hitler ließ seine Leute die Beamten beiseite drängen und das Gasthaus besetzen. Anschließend führte er einen Marsch seiner Leute durch Coburg an: „Dabei wurde er persönlich zum einzigen Mal gegen Demonstranten gewalttätig“, schreibt der Coburger NS-Experte Harald Sandner im „Hitler-Itinerar“, einer vierbändigen Liste aller bekannten Aufenthaltsorte und Termine, „indem er mit einem Stock auf sie einschlug.“

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Das Programm des „Deutschen Tages“ 1922 entsprach dem Stil des DVSTB – es war inhaltlich aggressiv, aber kaum mitreißend. So sprach ein Rechtsanwalt aus München über „Neue Arbeitsmethoden in der völkischen Bewegung“, ein Arbeitskreis beschäftigte sich mit der Lage nach dem Verbot. Hinzu kamen als Kulturprogramm Mysterien- und Hans-Sachs-Spiele, Auftritte von Gesangs- und Hornquartetten sowie eine „Deutsche Andacht“ in der Schlosskirche.

Angesichts so gepflegter Langeweile konnte kaum überraschen, dass das Publikum im Coburger Hofbräuhaus Hitler stürmisch begrüßte. Und er erfüllte die Erwartungen: 2500 bis 3000 Menschen hörten seine übliche Hetze gegen die Regierung in Berlin und die Arbeiterbewegung. Aber der NSDAP-Chef lobte auch eine italienische Partei, die seit dem Sommer mit einem „Marsch auf Rom“ drohte (der Ende Oktober 1922 schließlich stattfand). Sie sei das richtige Vorbild: „Jetzt wollen wir nach Italien zu den dortigen Faschisten blicken, sie bewundern und ihnen zeigen, dass wir gewillt sind, noch andere Kämpfe durchzuführen als die in Italien.“

Für den folgenden Morgen ordnete Hitler einen Marsch zur Coburger Festung an, eine Stunde vor dem offiziellen Umzug der Veranstalter. Neben den 650 SA-Leuten nahmen weitere etwa 1300 NSDAP-Anhänger teil. Es handelte sich um einen kalkulierten Affront gleichermaßen den Gastgebern des „Deutschen Tages“ wie den Behörden gegenüber – und niemand schritt ein. Im Gegenteil kapitulierte der DVSTB-Geschäftsführer Roth sogar. „Es wäre wirklich gut, wenn wir eine Art Faschistenbewegung aufbauen könnten, die insbesondere entschlossen ist, der Gewalt durch Gewalt zu begegnen“, schrieb er einige Wochen später. „Wie heilsam das wirkt, hat Coburg gelehrt.“

Auch Hitler selbst waren die Erfahrungen beim dritten „Deutschen Tag“ wichtig – so wichtig, dass er dem 14. und 15. Oktober 1922 in seiner Hetzschrift „Mein Kampf“ gleich vier Seiten widmete. Tatsächlich wurden die etwa 35 Stunden, die er in Coburg verbracht hatte, zum Durchbruch der NSDAP. Noch Anfang 1923 trat Hans Dietrich der Hitler-Bewegung bei, wenig später empfahl Gertzlaff von Hertzberg allen DVSTB-Mitgliedern, zur NSDAP zu wechseln. Das Geschenk an den Konkurrenten, die Einladung zum „Deutschen Tag“, führte zum Aufgehen des Gastgebers in die Partei des Gastes.

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